ST-Book: Ataris genialer Flachmann

Kleiner und leichter ist das Motto der Computerindustrie. Atari steht hier nicht im Abseits und präsentiert mit dem »ST-Book« seinen ST-kompatiblen Notebook — wurde auch höchste Zeit.

Klein, schwarz, stark: Ataris neues Computermobil »ST-Book«

Das jüngste Baby aus Ataris Hardwarelabor hört auf den Namen »ST-Book«, bringt in betriebsfertigem Zustand nur ca. 2 kg auf die Waage und hat die Ausmaße eines DIN-A4-Blattes. Respektabel ist die geringe Bauhöhe von lediglich 3,7 cm in zusammengeklapptem Zustand.

Aufgeklappt offenbart sich ein Keyboard mit 84 Tasten, und ein großes LC-Display, das, wie der ST, eine Auflösung von 640 x 400 Bildpunkten bietet. Rechts über der Tastatur liegt ein »Vektor-Pad« als Mausersatz, ein Tribut an die geringe Bauhöhe des Book: für einen Trackball war einfach kein Platz.

Tastaturgroß: Motherboard

Trotzdem braucht man auf Bedienkomfort nicht zu verzichten: wenn Sie sich erst einmal an die ungewöhnliche Steuerungs-Art des Mauszeigers gewöhnt haben, geht’s fast so schnell und präzise wie mit einer richtigen Maus. Wer mag, kann an der rechten Seite des Computers dennoch eine Maus am Miniaturstecker betreiben.

Zukunft: Unter dem Cursor-Pad ist Platz für ein Faxmodem

Die Tastatur zählt zum Feinsten. Der deutliche Druckpunkt bereitet auch Schnellschreibern keine Probleme. Die Zeiten der schwammigen Tastaturen scheinen endgültig passe.

Links unterhalb des Bildschirms plazierten die Designer den blauen Einschaltknopf. Gleich daneben befinden sich die Leuchtdioden für Betriebsbereitschaft und Harddisk-Zugriff. Zwei kleine versenkte Taster dienen als Reset- und »Sleep«-Schalter. Mit diesem Sleep-Schalter hat es folgende Bewandtnis: Klappen Sie das Display während des Betriebs zu, drückt eine kleine Erhebung oberhalb der Tastatur auf diesen Schalter und der Book schaltet sich aus. Der Clou: Anders als bei herkömmlichen Computern geht dabei der Speicherinhalt nicht verloren! Das heißt konkret, Sie können den Notebook auch innerhalb einer laufenden Applikation zuklappen oder gar ausschalten. Zur Wiederaufnahme der Arbeit genügt es, ihn wieder mit dem Power-Knopf zu aktivieren. Sie befinden sich automatisch wieder da , wo sie aufgehört haben. Eine feine Sache!

Zeitschaltung

Damit aber noch nicht genug. Um Strom zu sparen, schalten sich Display und Rechner nach einstellbaren Zeitspannen selbst aus und auch hier genügt ein Knopfdruck, um weiterzuarbeiten.

Überhaupt geht der ST-Book sehr sparsam mit seiner Energie um. Daß die Festplatte sich ausschaltet, wenn sie einige Zeit nicht benötigt wird, ist Standard. Die Entwickler setzten beim Design der Hardware konsequent auf stromsparende Technik. So arbeitet die CMOS-Version des MC 68000 mit pseudostatischen RAMs und anderen Energie-Geizhälsen zusammen. Daß alle Register der Stromspartechnik gezogen wurden, zeigt die sehr lange Betriebszeit von ca. 5 -10 Stunden ohne Netzanschluß. Auch bei den Energiespeichern haben Sie die freie Wahl: Entweder Sie benutzen sieben Batterien des Typs AA, oder den Accu-Pack. Besonders dieser ist unglaublich leistungsfähig. So genügen ca. 1,5 Stunden am Netz — natürlich können Sie während dieser Zeit mit dem Gerät arbeiten — um die Accus voll zu laden.

Bei solchen Betriebszeiten konnte natürlich kein hintergrundbeleuchtes Display realisiert werden. Aber das hat der Book auch gar nicht nötig, denn auch so zaubert der Schirm ein ausreichend kontrastreiches und scharfes Bild. Wer arbeitet denn auch schon im Dunkeln?

Auch an Schnittstellen sparte Atari nicht: So befinden sich unter einer Klappe an der Rückseite des Rechners eine parallele, eine serielle, eine DMA- und zwei MIDI-Schnittstellen.

Accessory: Taschenrechner

Wegen der geringen Größe des Books griffen die Ingenieure bei MIDI und DMA zu ungewohnten Buchsen, aber sicher wird es dafür bald Adapter geben.

Musiker fragen jetzt bestimmt nach einem ROM-Port, da fast alle Musikprogramme mit einem Dongle an dieser Schnittstelle gesichert sind. Obwohl uns solche Kopierschutzmaßnahmen an dieser Schnittstelle noch nie gefallen haben, muß Ataris Neuling auch hier nicht passen. Er setzt sogar noch eins drauf: An der Gehäuseseite liegt ein 120-poliger Steckanschluß, der neben den üblichen ROM-Port-Signalen alle wichtigen Leitungen nach außen führt.

Alles nach draußen: Breiter Bus-Port an der linken Seite
En miniature: MIDI- und DMA-Ports in Kleinausführung

Die einzelnen Bezeichnungen bedeuten:

   
- A1 - A32 Adreßleitungen
- D0 - A15 Datenleitungen
- /AS Adress Strobe
- /LDS /UDS Lowe/Upper Data Strobes
- R/W Read/Write Control
- FC0 - FC2 Function Code 0 -2
- /VPA Valid Peripheral Address
- /VMA
- E E-Clock
- /Reset Reset-Signal
- /Halt Halt-Signal
- /DTACK Data Transfer Acknowledge
- /BERR Bus Error
- CLK16 16-MHz-Takt
- CLK 8 8-MHz-Takt
- KHZ500 500-kHz-Takt
- /BR Bus Request
- /BGACK Bus Grant Acknowledge
- /MCUBG Bus Grant, vom Combo-Chip
- /CPUBG
Guck Zuck: Ein Klick auf den Terminkalender

Klein ist fein: Kalender

Die Steckerbelegung und Signale dieser Schnittstelle finden Sie in unserem Textkasten.

Bei aller Kompaktheit des Books brauchen Sie auf eine Festplatte nicht zu verzichten. Die interne Harddisk besitzt eine Kapazität von 40 MByte. Pikanterweise verwendeten die Entwickler keine SCSI-Platte, sondern griffen auf ein AT-Laufwerk zurück. Dafür bietet die eingebaute Conner-Platte eine Zugriffszeit von 19 ms.

Schnelle Platte

Der Platz für eine Floppydisk hingegen reichte einfach nicht mehr. Als Zubehör will Atari eine externe Floppystation anbieten (Preis steht noch nicht fest), die auch HD-Format — also 1,44 MByte — lesen und schreiben kann. Damit der Book nicht von der Außenwelt abgeschnitten ist, befindet sich in einer ab Werk installierten ROM-Disk (Laufwerk P) eine komfortable Datenübertragungs-Software. Sie schaufelt die Daten entweder über die parallele oder die serielle Schnittstelle (bis zu 19400 Baud) zum herkömmlichen Tischgerät. Dabei bedienen Sie entweder den Book vom heimischen ST/TT, oder umgekehrt. Diese Lösung erweist sich als ein praktikabler Weg für einen Notebook. Bei unserem Testgerät aus der Nullserie befand sich neben diesem Übertragungsprogramm zusätzlich eine spezielle Formatiersoftware für die Festplatte und eine neue Version (5.0) des AHDI-Plattentreibers.

Weiter geht’s mit den Hardware-Leckereien: Unter dem Vektor-Pad befindet sich noch ein etwa 5 x 7 cm großer Freiraum, in den Sie ein Mini-Faxmodem vepflanzen können. Atari steht derzeit mit einem Dritthersteller in Verhandlungen über ein solches Zubehör.

Die Platine macht einen ausgereiften und aufgeräumten Eindruck. Bei unserem Modell befand sich noch ein separater Blitter auf der Platine, er soll bei den Seriengeräten verschwinden. Allerdings nur als separates Bauteil; Atari hat nämlich den Custom-Chip »COMBO« entwickelt, der neben der MMU auch den Blitter enthält. Da dürfte sich dann sicher genügend Platz für die versprochene Erweiterung des Arbeitsspeichers auf 4 MByte finden.

Alles frisch: TOS 2.06

Extrascharf: Screencontrol

Auch auf der Softwareseite gibt’s einige Bonbons: So liefert Atari ein Accessory mit, das über feine Funktionen verfügt. So können Sie in einem Kalenderblatt alle wichtigen Termine eintragen, der Book erinnert Sie zuverlässig auf Wunsch sogar mit Klingelzeichen. Außerdem können Sie Telefonnummern speichern und auch wählen lassen. Wir werden diese Software — ebenso wie das zum Book gehörende Taschenrechner-Accessory — einem genaueren Test in einer der nächsten Ausgaben des ST-Magazins unterziehen.

Geschwindigkeitsvergleich des ST-Book zum normalen ATARI-ST nach QUICK-INDEX 1.8:

(normal) Test Mega-ST4 ST-Book
TOS-Text 100% 89%
TOS-String 100% 90%
TOS-Scroll 100% 99%
GEM-Dialog 100% 99%

(mit Blitter)

Test Mega-ST4 ST-Book
TOS-Text 110% 97%
TOS-String 106% 94%
TOS-Scroll 132% 131%
GEM-Dialog 133% 132%

(mit NVDI)

Test Mega-ST4 ST-Book
TOS-Text 286% 286%
TOS-String 1075% 1075%
TOS-Scroll 131% 131%
GEM-Dialog 279% 322%

(mit Blitter und NVDI)

Test Mega-ST4 ST-Book
TOS-Text 286% 286%
TOS-String 1075% 1075%
TOS-Scroll 132% 132%
GEM-Dialog 308% 361%

Dar Expansion-Bus des ST-Book/STylus

Der ST-Book verfügt über eine 120polige Erweiterungsbuchse, deren Pin-Belegung Sie hier finden:

Technische Daten

ST-Book
Prozessor: 68000 CMOS-Technik
Takt: 8 MHz
RAM: 1 oder 4 MByte, pseudostatisch
ROM: 512 KByte, für TOS 2.06 und ROM-Disk
Massenspeicher: 40-MByte-Festplatte
Größe: 300 x 210 x 37 mm
Gewicht: ca: 2 kg
Display: LC-Technik
Auflösung: 640 x 400 Pixel
Eingabegeräte: Tastatur mit 84 Tasten, Vektor-Pad als Maus
Betriebsdauer: max. 10 Stunden netzunabhängig, Ladezeit ca. 1,5 Stunden
Schnittstellen: Parallel, Seriell, MIDI, DMA, Erweiterungsbus, interner Modemanschluß, Maus bzw. num. Keyboard
Besonderheiten: automatischer Shut-Down nach frei einstellbarer Zeit. Batteriewechsel während des Betriebs, ohne Neustart. Datenübertragungssoftware im ROM, Platz für Faxmodem.

Maus raus: Anschlußmöglichkeit unter der Tastatur

Datenträger: Terminal-ACC
Scharfe Sache: Kontrastregler

Insgesamt macht der ST-Book einen fantastischen Eindruck. Er verdaute alle getesteten Programme ohne zu murren, verfügt über alle Schnittstellen eines »normalen« ST, hat eine gute Tastatur, der Bildschirm kann sich sehen lassen, die Betriebsdauer ohne Netzanschluß müssen andere Hersteller erst mal nachmachen. Außerdem erwies er sich als wirklich kompatibel zu den bisherigen ST-Modellen. Auch die Geschwindigkeit des Books weicht nur minimal von der des Mega ST ab, mal ist der Book schneller, mal etwas langsamer. Der Preis von 4000 Mark für die 1-MByte-Maschine ist sicher nicht zu hoch. (uw)


Uwe Wirth
Aus: ST-Magazin 01 / 1992, Seite 28

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