Folienschneiden: Schnittige Plottertreiber

Ob Farbklecks für den Manta oder Schaufensterfolie für den Friseursalon: was früher teuer und aufwendig war, leisten intelligente Schneidplotter-Treiber jetzt im Handumdrehen.

Noch vor zwei Jahren konnte man dem Karlsruher Schildermaler Eugen Schneider stundenlang über die Schulter schauen, wie er Buchstabe für Buchstabe aus Maskierfolie zurechtschnitt oder einzelne Lettern mühsam abklebte, um sie anschließend mit Airbrush bzw. Lackierpistole aufzusprühen.

Heute gehen seine Aufträge nicht nur weit über das Tätigkeitsfeld eines Schildermalers hinaus, er spart sich auch bis auf wenige Spezialaufträge die Gesundheitsbelastung durch Lacke und Lösungsmittel und greift statt dessen lieber zur Maus: seine Kunden staunen, daß seine individuell gestaltete Klebefolien genauso gut aussehen wie Lackierungen, nur den Bruchteil davon kosten und sich — im Gegenteil zum Lack — öfters mal spurlos entfernen und durch neue ersetzen lassen.

Der erste Entwurf klärt Kundenwünsche und läßt eine Preiskalkulation zu. 1 Mark pro cm ist allerdings zu hoch gegriffen.
Die gesamte Vorlage liegt jetzt als Image-Rastergrafik vor

Eugen Schneider freut sich über die Qualität moderner Klebefolien.: »Die haben gewaltige Fortschritte gemacht. Je nach Auftrag verwende ich farbechte, witterungsbeständige und schrumpffreie Folien, für die ich bis zu zehn Jahre garantieren kann.«. Auch die Klebebeschichtung lasse keine Wünsche offen, meint der findige Handwerker: Daß sich Kleberänder nicht ablösen, sei längst selbstverständlich. Manche Kleber enthielten sogar kleine Kügelchen, auf denen sich die Folie beliebig lange positionieren lasse. Beim endgültigen Anpressen zerplatzten die Kügelchen dann und die Folie sitze fest. »Mit meinem Schneidplottersystem fertige ich alles — vom Schriftzug am Vereinsheim über das Eingangsschild zur Anwaltskanzlei, Messeschautafeln, meterlangen LKW-Beschriftungen, neonfarbenen Lichtwerbungen bis zu hauchdünnen Metallic-Buchstaben für den Briefkasten. Nicht zu vergessen die starken Folien für Sandstrahlbeschriftung von Metallplatten, Glas und Stein sowie Maskenfolien für Design-Airbrushing« — Eugen Schneider muß fast keinen Kundenwunsch mehr ablehnen.

Folienqualität stark verbessert

Um professionellen Anforderungen genügen zu können, setzt er auf seinen Atari TT und den Graphtec-Griprollen-Schneidplotter FC 2100-90A. Dessen große Präzision, sein Bedienungskomfort und das hohe mechanische Auflösungsvermögen von max. 0,005 mm garantieren höchste Qualität und Effizienz und bietet ein hervorragendes Preis-Leistungs-Verhältnis. Neben dem Atari-Laser hilft ihm ferner der Epson-Flachbettscanner GT 6000 beim schnellen Erfassen von fertigen Grafiken und Logos. Bei einfachen Formen greift er auch zum Digitalisiertablett.

»Daß Atari kein Profi-Image hat, spielt für mich überhaupt keine Rolle«, meint Eugen Schneider, »der TT mit seiner Motorola-CPU schlägt — auch wenn’s manche nicht wahrhaben wollen — sogar noch einen 386er, und das Referenzprodukt Corel-Draw bietet mir nicht annähernd genug Leistungsumfang und Qualität, vor allem aber eine recht fragwürdige Typografie. Außerdem kosten PC-basierte Schneidplottersysteme einfach ungleich mehr als gleichstarke unter TOS.«

Viele Linien wollen überarbeitet werden, z.B. die Augenpartie, sich überkreuzende und holprige Vektoren bzw. Polygonzüge

Jetzt braucht Eugen Schneider noch Software. Drei Produkte kommen für ihn in Frage: »G.M.A. Plot« von der Hamburger Firma G.M.A. Software, mit rund eineinhalb Jahren das älteste Schneidplotter-Produkt unter TOß, »Cutout« von der Münchner Firma Arrow Computer und der »Decorator«, von Fellowsoft aus Starnberg entwickelt und von Weide Elektronik vertrieben.

Die fertig bearbeitete Grafik zeigt glatte Konturen und schneidbare Umrisse. Bei der Augenpartie half der Zoom.

Das 1500 Mark teure GEM-Programm G.M.A. Plot setzt vor allem auf Geschwindigkeit und Offenheit zu anderen Programmen. Peter Trübger, bei G.M.A. für TOS-Produkte verantwortlich: »Zeit ist Geld, vor allem im grafischen Gewerbe. Wir haben das Programm komplett in Assembler entwickelt. Dadurch gewinnen wir Geschwindigkeit und sparen RAM. Wir haben dort Know-how reingesteckt, wo es angebracht ist. So verzichten wir z. B. darauf, ein eigenes Tracer-Modul oder einen Vektorgrafikteil zu integrieren: Es würde keinen Sinn machen, gegen ausgereifte Produkte wie »Avant Vektor« oder »Didot Professional« antreten zu wollen. Man könnte ohnehin nur Funktionen nachprogrammieren. Statt dessen empfehlen wir unseren Kunden gleich Avant Vektor oder »Outline Art«, »Megapaint« und »Arabesque«. Wichtig ist, daß unser Programm keine Insellösung darstellt und sich mit möglichst vielen Grafikformaten (GEM, CVG, Arabesque, Megapaint II, Retouche, Didot Artline etc.) verträgt.« Natürlich umgeht diese Lösung auch Font-Copyright-Probleme.

G.M.A. Plot legt viel Wert auf Komfort: Beim Verlassen speichert es automatisch alle aktuellen Zustände und fangt dort beim Neustart exakt wieder an. Grafiken lassen sich auf acht Seiten parallel bearbeiten, per Alt-Tastenkombination besteht eine direkte Schnittstelle zur notwendigen Bearbeitungssoftware, z. B. Tracer oder Vektorgrafikprogramm. Den Austausch zwischen den Seiten übernimmt das Klemmbrett. Auf Mausklick stellt das Programm Textrahmen in Originalproportionen dar, das Aufziehen der Rahmen erfolgt per Maus oder durch Eintippen von Festwerten. Über ein Fangraster bzw. die Lupe lassen sich auch kleinere Plots schnell und präzise positionieren, was, zusammen mit Seiten-, Dreh- und Kopierfunktionen, besonders die Serienherstellung und Verschnittoptimierung erleichtert. G.M.A. Plot unterstützt Seitenformate bis zu 10 m Länge, auch wenn der Plotter z. B. lediglich 1,2 m Plotlänge erlaubt. Das Programm setzt an den Schnittkanten Markierungen, die der Plotter mit ausschneidet. Beim Montieren mehrfarbiger Plots leisten sie wertvolle Hilfe.

Passer für die Montage

Die Ergebnisse genügen selbst hohen Anforderungen: G.M.A. Plot setzt auf URW-Satzbelichterschriften (konvertiert ins Calamus-Vektorformat), die wesentlich bessere Ergebnisse als Postscript-Fonts liefern. Das Programm unterstützt zwar HPGL (auch per Dateitransfer), setzt aber lieber auf direkte Ansteuerung der Graphtec-Schneidplotter ohne Umwege über eine Beschreibungssprache mit entsprechendem Auflösungsverlust. Der Vorteil: Zeit-und Qualitätsgewinn (z.B. 0,01 mm statt 0,005 mm bei Graphtec SC 2100-90A). Das Programm liest die aktuelle Foliengröße ein und berücksichtigt sie bei der Bildschirmdarstellung.

Nach dem automatischen Tracer-Lauf weist das Vektorbild viele Polygonzüge auf, die beim Schnitt ein Chaos ergäben

Ein ganz anderes Konzept verfolgt das 2598 Mark teure GEM-Programm »Cutout« von Arrow Computer. Cutout lehnt sich nicht an Programme, die der Kunde bei einer anderen Firma zukaufen muß, sondern möchte ihm möglichst alles aus einer Hand bieten. Zum Lieferumfang gehört deshalb ein komplettes Tracer-Modul, Scannertreiber, eigene Zeichensätze nebst Zeichensatzeditor sowie Funktionen zur Ausgabe in Grafikdateien und an den Plotter. Besonders ausgefeilt sind bei Cutout die Funktionen zur Bearbeitung von Grafiken und Rohbildern.

Um im Schnelldurchlauf ein wenig auf die Besonderheiten und Probleme beim Herstellen von geschnittenen Folienprodukten aufmerksam zu machen, haben wir uns einen typischen Kundenwunsch herausgepickt und wollen ihn auf dem Cutout-Paket durchspielen.

Der Kunde wünscht sich einen einfarbigen Aufkleber mit 300 mm Durchmesser für Schaufenster und Eingangstür seines Friseurladens. Er hat bereits konkrete Vorstellungen, sogar eine Grafik hat er mitgebracht. Eine Handskizze (Abb. 1) klärt alle Fragen. Die mitgebrachte Grafik wandert — um eine möglichst hohe Auflösung zu erhalten — zuerst auf den Kopierer und vergrößert auf den Scanner. Jetzt liegt das Bild als Rastergrafik vor, z. B. im IMG-Format (Abb. 2). In unserem Fall wurden Schatten und Halbtöne durch Kontrastverstärkung (Blockfunktion von »Omikron Draw!«) beseitigt.

Nach dem automatischen Tracer-Lauf (der, genauso wie das Handling von Avant Vektor, entsprechende Einstellung und Übung erfordert) betrachten wir uns die Konturen der vektorisierten Grafik. Natürlich sind viele Linien nicht in Ordnung: Sie laufen übereinander, ineinander und bilden ein Gewirr, das sich theoretisch zwar schneiden ließe, beim Auslösen der Folie aber ein wildes Durcheinander von Schnipseln zur Folge hätte (Abb. 3). Außerdem verlaufen die weichen Gesichtszüge des Mädchens viel zu krakelig und die Augenpartie (Abb. 4) stimmt nicht — es muß nachgearbeitet werden.

Eine Hardcopy liefert den Überblick: Mit Filzstift füllt man alle Grafikteile, die zusammenhängend ausgeschnitten werden sollen, und verbindet so viele Segmente wie möglich zu gemeinsamen Polygonzügen. Das aufgezeichnete Ergebnis läßt sich auf dem Bildschirm komfortabel mit der Maus in Vektoren und Bezierkurven umsetzen.

Anlegen von Kreistext mit entsprechenden Parametern
Der Kreistext muß gedreht, die untere Schrift geändert werden
Jetzt ist das Logo fast fertig. Nur die Grafik ist noch die alte.
Zum besseren Auslösen wird ein Ring um das Logo gelegt

Nun geht es an die Beschriftung: Über das »Textlogo« öffnet sich ein Dialog (Abb. 6), in dem Schriftbreite und Versalhöhe festgelegt werden — vorausgesetzt, ein Zeichensatz befindet sich im Arbeitsspeicher. Cutout erlaubt die eigenen Outline-Fonts und sieht bereits Calamus-Fonts vor. Die lassen sich z. Zt. aber nicht verwenden, da verschiedene Copyrights im Weg stehen. Bei Kreistexten wird die Versalhöhe (eines H) vom Kreisdurchmesser bestimmt, bzw. der Kreisdurchmesser von der Versalhöhe, um den Font nicht zu verzerren. Jetzt fehlen nur noch Winkelangaben, die Schreibrichtung (links nach rechts bzw. rechts nach links), Start- und Endpunkt des Schriftzugs bestimmen. Danach legt Cutout den Kreistext an. Er läßt sich beliebig oft verschieben und per Mausklick schließlich endgültig positionieren. Liegen Anfangs- und Endpunkt nicht (Abb. 7) wie gewünscht exakt gegenüber, hilft die Drehfunktion. Dazu wird die Grafik in der Mitte entfernt, der Schriftzug rotiert und die Grafik automatisch wieder in der richtigen Größe zugeladen. Außerdem muß noch die Schreibrichtung des unteren Schriftzuges geändert werden. Das fertige Ergebnis zeigt Abb. 8. Zum Schluß legen wir zum leichteren Auslösen noch einen Kreisrahmen um das fertige Logo und schicken das Ganze unter HPGL oder GPGL an den Plotter.

Ausgefeilte Kreistextfunktion

Bei komplexen Objekten und teuren Folien empfiehlt sich natürlich ein erster Papierplot mit einem Stift. Man füllt die Flächen evtl, mit Farbe, gewinnt einen Eindruck vom geschnittenen Ergebnis und bemerkt Fehler. Änderungen (in unserem Beispiel an den Augen) sind im Zoom noch ohne weiteres möglich. Anschließend erfolgt der Schnitt, nachdem Cutout automatisch eine Kostenkalkulation auf Basis der Schnittlänge in cm ausgibt (Abb. 10). 1 Mark pro cm (wie in unserem Beispiel) ist aber zu hoch gegriffen. Der fertig geschnittene und ausgelöste Aufkleber (Abb. 11) erhält eine transparente Trägerfolie, mit dem sich das Ganze sauber auf den Glasscheiben an-bringen läßt. Die Trägerfolie wird dann entfernt.

Cutout errechnet den Preis auf der Basis Mark pro cm
Der fertige Aufkleber nach sorgfältigem Auslösen. Bei feinen Konturen hilft ein Skalpell bzw. Pinzette.

Der dritte Kandidat, der Decorator, ist der Exot unter den Schneidplotterpaketen für ST und TT: Er ist nicht etwa in GEM eingebunden, sondern verfolgt das von IBM entwickelte SAA-Benutzerkonzept — womit klar wäre, wo das Programm eigentlich zu Hause ist. Auch wenn die SAA-Benutzeroberfläche sicherlich Vorteile hat, verwirrt sie GEM-gewohnte TOS-User gehörig und erfordert entsprechend lange Einarbeitungszeit. Glücklicherweise hilft das umfangreiche und gelungene Handbuch.

  G.M.A. Plot Decorator Cutout
Preis 1500 Mark + MwSt. 3950 Mark 2598 Mark
Hersteller G.M.A. Soft Fellowsoft Arrow Computer
Lieferumfang Handbuch im Ringordner, Programmdisk Handbuch im Schuber, Installdisk, Keydisk, 5 Fontdisks*) Handbuch im Ringordner, Programmdisk
Ausgabezeit**) 2’35” 5’04” 4’43”
Einsetzbare Fonts keine eigenen, da kein Editor eigene eigene, Calamus-CFN***)
Bemerkenswertes sehr schnell, viele Formate, kein Tracer, kein Zeichenteil, ist ein reiner Plottertreiber ausgefeiltes Textmodul, Digitalisierten, gutes Handbuch, kein GEM-Programm, kein Tracer komfortable Bildbearbeitung, guter Tracer, Komplettlösung, Handbuch spartanisch, Calamus-Fonts geplant

*) Fonts nur bei Kauf von Komplettsystem beiliegend

**) Das Friseur-Logo mit 300 mm auf Mega ST4 und Graphtec FC 2100-50

***) zur Zeit Copyright noch nicht geklärt

Der Decorator teilt sich in zwei Hauptmodule: den Texteditor und den Vektoreditor. Beide lassen sich über die Hauptebene erreichen. Dort befindet sich die sog. Montagefläche, auf der die Ergebisse der Einzelmodule zusammengefügt werden.

Der Texteditor ist das herausragende Modul des Pakets. Unzählige Menüs und Untermenüs bilden ein Werkzeug, mit dem sich reine Schriftfolienlayouts nach allen Regeln der Kunst bearbeiten lassen. Eigentlich ist das Textmodul ein DTP-Programm mit Plottertreiber.

Überragendes Textmodul

Text z. B. auf einen Fluchtpunkt hin zu verdrehen (»Star-Wars-Effekt«) ist ebensowenig ein Problem, wie gedrehte Schrift oder Texte entlang eines Pfades anzulegen. Allerdings muß man die unzähligen Menüs erst im Schlaf beherrschen, um die Möglichkeiten des Programms wirklich ausschöpfen zu können. Erfahrung mit DTP-Programmen wie Calamus hilft leider nicht sehr viel.

Ein Blick auf den Decorator-Vektorteil: bekanntes Logo

Abschließend läßt sich zusammenfassen, daß G.M.A.-Plot der Sprinter unter den Schneidplottertreibern ist. Das Programm verläßt sich auf externe Vektorbearbeitungssoftware — Tracer und Grafik — und konzentriert sich auf hochwertige Plotausgabe. Cutout ist der Allrounder, komplett ausgestattet, mit komfortablen Funktionen vor allem zur Bildbearbeitung und setzt auf HPGL/GPGL, genauso wie der Decorator, der sein Glück leider in einer auf STs und TT ungewohnten Oberfläche sucht. Noch ein allgemeines Wort zur Programmgeschwindigkeit: Besonders beim Bildaufbau komplexer Grafiken zeigt sich schnell, wie zeitoptimiert die Programme angelegt wurden. G.M.A. Plot läßt die Konkurrenz weit hinter sich, während Decorator und Cutout etwa gleichschnell sind. Der Decorator ist ein geschlossenes System, von der Benutzeroberfläche bis zu den eigens mitgelieferten und selbstgemachten Fonts. Und weil alle drei Kandidaten auf so unterschiedliche Konzepte setzten, fällt eine endgültige Kaufempfehlung schwer: das muß jeder selbst entscheiden, am besten anhand von Demoversionen.

Last but not least: Auf diesen Computer setzen alle drei.

(hu)

G.M.A. Software, Wandsbecker Chaussee 58, 2000 Hamburg 76

Arrow Computer, Boschetsrieder Str. 71, 8000 München 70

Weide Elektronik GmbH, Feldstr. 2,4010 Hilden

Nach dem Import in G.M.A. Plot: deutliche Fehler in der unbearbeiteten Bildvorlage.
Bei vernünftiger Planung bzw. Verschnittoptimierung läßt sich der Abfall auf ein Minimum reduzieren

Hartmut Ulrich
Aus: ST-Magazin 11 / 1991, Seite 18

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