Axcel Resynthesizer: Designer-Klänge

Es gibt Synthesizer, die Musikgeschichte schrieben. Was wären Rick Wakeman oder Keith Emerson ohne Mini-Moog — wer könnte sich Moody Blues ohne »Mellotron« vorstellen? Welche Geräte morgen die Hits sind, das zeichnet sich schon heute ab.

Die Synthesizer-Revolution der Neunziger kommt aus Kanada: Allerdings sieht diese Kreuzung eines additiven Synthesizers mit einem futuristischen Sound-Sampler eher aus wie eine Zeitmaschine. Und genauso klingt »Axcel« auch. Zwischen Technologie und Materialeinsatz eines Sound-Samplers und Axcels Acoustic Elements Resynthese liegen Welten — ähnlich wie beim Dampfradio und einem Satelliten-Empfänger. Aus rein musikalischer Sicht ist ein Sound-Sampler fürwahr ein primitives Instrument: Sein Zweck beschränkt sich in erster Linie auf das Abtasten der Amplitude (Lautstärkepegel) eines Audiosignals — und dies so schnell und exakt wie möglich. Bei Bedarf speichert er diese Daten und liest sie je nach gewünschter Frequenz in einer bestimmten Geschwindigkeit aus. Demgegenüber nimmt sich Axcel wie ein NASA-Forschungsprogramm aus: Die 32-stimmige Version birgt 1024 »Intelligente Synthesizer-Zellen« (ISO, die aus hochintegrierten Schaltkreisen bestehen und in einer Sekunde 250 Millionen Multiplikationen durchführen! Dagegen wirken selbst große Mainframes schlapp. Gesteuert wird diese Synthesizer-Armada von 20 »VLSI«-Chips, die Techno in Zusammenarbeit mit National Semiconductor produziert. Mit normalen Chips, z.B. 68040er Prozessoren, hätte die CPU leicht die Dimensionen eines Kühlschranks, und selbst in diesem Fall wäre die Anlage niemals schnell genug für den Echtzeit-Controller.

Das Axcel-Konzept hört sich fantastisch an. Ausgangspunkt ist entweder eine einzige Sinuswelle (Additive Synthese) oder ein Naturklang. Im zweiten Fall zeichnet das Gerät wie ein Sampler die Amplitudenschwingungen eines Klangs auf. Aber anstatt das Material roh abzuspeichern, dient es Axcel lediglich zur Steuerung seiner Synthesizer-Zellen. Die CPU analysiert dazu den Klang Punkt für Punkt nach der FFT-Metho-de (Fast Fourier Transform). Das Ergebnis läßt sich in etwa mit einem Datenblatt für DX7-Sounds vergleichen — freilich um ein Vielfaches komplizierter. Zum Speichern benötigen solche Daten nur noch einen Bruchteil des ursprünglichen Bedarfs eines Roh-Samples.

Bereits dafür hätte Techno einen Sonderpreis verdient, denn nahezu sämtliche Schwachpunkte eines Sound-Samplers sind so eliminiert: Der Tandem-Effekt tritt nicht auf — je höher der Ton, desto schneller die Auslesegeschwindigkeit bzw. desto kürzer klingt der Ton — Time-Stretching und Time-Compression sind ohne Qualitätseinbußen möglich und der Speicherbedarf der Klänge ist in etwa mit normalen Synthies vergleichbar. Aber richtig spannend wird Axcel erst durch die Echtzeit-Kontrolle! Ein futuristisches, touch-sensitives Display mit 64 x 32 Elementen, der Grapher, erlaubt die Kontrolle zahlreicher Parameter per Zeigefinger. Der Grapher reagiert auf den Hautwiderstand eines Fingers. Eine sanfte Berührung genügt und eine Girlande roter Lämpchen zeigt eine neue Wellenform, eine Hüllkurve oder einen der zahlreichen Parameter. Auf Knopfdruck ändert der Grapher seine Funktion: Ein »Natural Mode« belebt dann beispielsweise die Resynthese, indem sich die Tonhöhe um eine Achse windet und das harmonische Spektrum und der Vibrato-Anteil in der Zeitachse ständig ändern. Anders als die meisten digitalen Geräte, die sich gegenüber Neulingen stur zeigen, ist der Grapher ein wahres Spielzeug. Ohne Anleitung, ohne Studium der zugrundeliegenden Technik reagiert Axcel selbst auf scheinbar unsachgemäße Bedienung mit spektakulären Soundeffekten. Wer Axcel zur Hand hat, wird sich mit keinem Werkssound zufriedengeben. Jeder Klang erhält durch individuelles Modellieren einen persönlichen Touch — aus einem kalten Felsblock entsteht ein Kunstwerk.

Nicht selten finden solche Designer-Klänge als Wave-Presets Eingang in preiswerte Synthies, z.B. Korgs Wave-station oder Waldorfs Microwave. Leider ist Technos Wunderkind noch sehr teuer: Für 20000 DM gibt's gerade eine spartanische Grundausstattung.

Urs Schmiedel, Manfred Neumayer



Aus: ST-Magazin 10 / 1991, Seite 106

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