Maxon Pascal: Turbo-Pascal für den ST?

Die Autoren des neuen Pascal-Compiler von Maxon wollten das in der MS-DOS-Welt weit verbreitete Turbo-Pascal auf dem ST realisieren. Soviel zum hochgesteckten Ziel.

LAURENZ PRÜSSNER UND MICHAELA BECKERS

Wenn zum siebten Geburtstag des ST ein neuer Hochsprachencompiler veröffentlicht wird, dann erwarten Programmierer eine ganze Menge. Diesem Anspruch stellt sich das dänische Softwareunternehmen »D-House«, dessen Pascal-Compiler in Deutschland unter dem Namen »Maxon Pascal« vertrieben wird.

Schon der erste flüchtige Blick auf den Editor verrät deutliche Verwandtschaft zu »Turbo C« von Borland. Doch leider kann Maxon Pascal dem selbstgestellten Anspruch nur entfernt gerecht werden.

Beginnen wir mit dem Editor bzw. der Entwicklungsumgebung, denn hier sollen Programme geschrieben, übersetzt und gestartet werden. Schon nach wenigen getippten Zeilen zeigen sich die ersten Hürden, denn der Editor besitzt keine harten Tabulatoren. Jeder »Tab«-Druck wird in eine entsprechende Anzahl von Leerzeichen übersetzt. Das mindert die Benutzerfreundlichkeit, denn beim Korrigieren fehlerhafter Zeilen müssen ständig die anstelle des Tabulators gesetzten Leerzeichen einzeln wieder gelöscht werden.

Das Windowhandling unterstützt zwar mehrere Fenster, aber dies geschieht leider auch nicht ohne Pannen, denn der Editor akzeptiert dadurch zeitweise keinen Mausklick. Das Scrollen dagegen geht erstaunlich schnell und flüssig vonstatten, doch wurde anscheinend vergessen, den Slider mit dem Scrolling zu synchronisieren. Die Fensterslider werden während des Scrollens nicht verschoben, so daß der Anwender, während er seinen Text von oben bis unten kontrolliert, gar nicht feststellen kann, an welcher Stelle des Textes er sich eigentlich befindet. Dazu muß er erst das Scrollen beenden und warten, bis der Slider an die betreffende Position nachgezogen wird. Der Grund ist vermutlich, daß dadurch die Scroll-Geschwindigkeit gesteigert wird.

Unserer Meinung nach wiegt die höhere Geschwindigkeit aber bei weitem nicht die Irritation, die andererseits durch diese Verzögerung entsteht, auf.

Da der Editor beim Autorepeat-Scrollen mit den Cursortasten ab einer bestimmten Frequenz nachläuft, wurden nach Überschreiten dieser Repeatfrequenz nach dem ersten Tastendruck einfach alle weiteren Pfeil-Klicks abgeschnitten. Das bedeutet, jede Bewegung des Cursors wird ab einer bestimmten Geschwindigkeit unterbunden: Der Cursor bleibt einfach stehen, während im Hintergrund das Klicken des Autorepeats deutlich zu hören ist.

Das Scrollen selbst weist auch einige Fehler auf. Der Bildschirminhalt wird nur bis zu einer gerundeten Pixelzahl verschoben, die Fenster selbst aber aus unerfindlichen Gründen nicht auf diese Größe gerundet, sondern bleiben meistens größer. Das führt dazu, daß am rechten und am unteren Fensterrand noch alte Informationen stehen, die nicht verschoben werden. Der restliche Bildinhalt wird jedoch verändert.

Reichlich Hilfe

Darüber hinaus sind alle Dialogboxen des Systems extrem komprimiert, etwas größer und dadurch leichter bedienbar wäre wünschenswert. Auf eine Tastaturunterstützung für Dialogboxen muß man, ebenso wie bei Turbo-C, verzichten. Sie ist aber zumindest für die meisten Menüeinträge realisiert worden.

Das Hilfesystem von Maxon Pascal stellt dem Programmierer jederzeit wesentliche Informationen zur Verfügung. Leider sind diese Hilfsfunktionen nicht so umfangreich wie bei Turbo-C von Borland. Auch die Indexseite für Standardfunktionen fehlt.

Da es keine Projektdateien gibt, dürfte es schwer werden, größere Programmprojekte mit Maxon Pascal in den Griff zu bekommen.

Neben dem Editor ist auch das Handbuch problematisch: Das Handbuch ist zwar deutschsprachig, aber alles in allem sehr oberflächlich. Verglichen mit dem vierbändigen Nachschlagewerk des Turbo-C-Entwicklungspakets ist der DIN-A5-Ringordner bestenfalls Erste Hilfe. So findet der Leser im Index zum Thema »Debugging« einzig und allein den Eintrag »Debug-Information«: »Die [$D+}-Option aktiviert die Generierung von Debug-Information in der erzeugten Programm-Datei.« Zieht man hier wieder das Borland-Handbuch zum Vergleich: dort sind dem Thema »Debugging« 160 Seiten gewidmet.

Positiv fiel uns an dem Handbuch auf, daß es mit Beispielcode und einer praktischen Kurzerläuterung der einzelnen Funktionen in den mitgelieferten Units dem Einsteiger einen ersten Einblick verschafft.

Der Compiler selbst arbeitet erfreulich flott. Hier erreicht das Programm wirklich »Turbo«-Qualität. Im Lieferumfang ist sogar eine Kommandozeilenversion enthalten, die den CLI-Freaks und Batch-Liebhabern gefallen wird.

Mit der Kompatibilität zum PC-Turbo-Pascal ist es allerdings schlecht bestellt. Maxon Pascal legt dem Programmierer eine Reihe von Beschränkungen auf, die unverständlich sind. So ist etwa nicht einzusehen, warum keine Datenkonstrukte verdaut werden, die größer als 32 KByte sind. Programmtechniken mit einer Verwaltung größerer Felder sind damit unmöglich.

Das Paket verfügt über einen integrierten Linker, der sich noch recht unbeholfen zeigt. So muß ihm der Programmierer z.B. laut Handbuch sagen, wann ein Programm größer als 32 KByte wird — für Maxon Pascal offenbar eine magische Grenze.

Der Compiler selbst ist auch noch nicht fehlerfrei. So stellte sich heraus, daß Maxon Pascal noch keine Zeiger auf Strings verträgt. Der Datentyp »word« (Wertebereich 0-65535) ist aus unerfindlichen Gründen nicht mit 16 Bit, sondern 32 Bit Breite implementiert. Auf Konstantenarithmetik muß derzeit gänzlich verzichtet werden. Das Turbo-Pascal-Keyword »absolute« ist überhaupt nicht implementiert. Die Pseudo-Funktion »sizeof()« fehlt ebenso wie die von Turbo-Pascal gewohnten Typecasts. Verschiedene Funktionen sind lückenhaft implementiert und die Nummern der Runtime-Fehlermeldungen ebenfalls andere als bei Turbo-Pascal.

Im großen und ganzen bleibt Maxon Pascal eine herbe Enttäuschung. Das Programm verfolgt zwar einen interessanten Ansatz, denn ein zu Turbo-Pascal kompatibles System wäre eine echte Bereicherung des ST-Softwaremarkts. Es gibt doch eine Reihe von PC-Pascal-Software, bei denen sich eine Portierung auf den ST lohnen würde.

Maxon Pascal ist jedoch im Vergleich zu anderen auf dem ST verbreiteten Hochsprachen wie Turbo-C oder Megamax Modula II aufgrund seiner vielfältigen Mängel derzeit keine ernstzunehmende Entwicklungsumgebung für den ST Eine grundlegende Überarbeitung der Software ist unabdingbar und Maxon sieht das auch so. (mb)

Eine Kommandozeilenversion wird bei Maxon Pascal mitgeliefert

WERTUNG

Maxon Pascal

Vertrieb: Maxon Computer GmbH

Preis: 259 Mark

Stärken: Schneller Compiler, Kommandozeilenversion

Schwächen: vielfältige Fehler und Unzulänglichkeiten bei Shell, Compiler, Linker und Handbuch, noch keine Turbo-Pascal-Kompatibilität.

Fazit: die aktuelle Version ist Beta — mehr nicht

Maxon Computer GmbH, Schwalbacher Str. 52, 6236 Eschborn



Aus: ST-Magazin 07 / 1991, Seite 94

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