Trendsetter Graffiti: A star is born

In Ausgabe 5/1990 berichteten wir über die Ankündigung eines neuen Grafikprogramms: »Graffiti«, das zur Messe fertig sein sollte. Inzwischen sind wir der Sache auf den Grund gegangen und haben das Programmpaket gründlich getestet.

Das Stichwort vom »neuen Standard« geht vielen in . der Atari ST-Szene mitunter sehr leicht über die Lippen. Dieses Prädikat erhalten Programme, die u.a. in puncto Bedienerführung, Funktionsumfang, Qualität der Ergebnisse und/oder Preiswürdigkeit besonders positiv zu beurteilen sind. Die Bewertungskriterien sind jedoch oft recht subjektiv. Die Hardware-Spezialisten haben es da leichter — dort sind Standards greifbar — im Gegensatz zum Softwaremarkt.

Von oben betrachtet...

Wer erstmals mit dem seit kurzem erhältlichen Programmpaket »Graffiti« arbeitet, stellt sich in der Tat recht bald die Frage, was bislang an Standards in der Atari-Grafik Gültigkeit besaß. Denn der Kandidat dieser Prüfung unterscheidet sich recht grundlegend von seinen Mitstreitern um die Käufergunst.

Graffiti steht nicht nur für einen Grafikeditor, sondern für eine komplette Bedienungsoberfläche. Bewußt der äußeren Gestaltung des Calamus angenähert, präsentiert sich dem Anwender nach dem Start der Shell die in Bild 1 gezeigte Oberfläche. Über das Menü am linken Bildschirmrand lassen sich nicht nur die Module, die zu Graffiti zählen, aktivieren, sondern auch jedes externe Programm, das mit dem freien RAM-Platz auskommt. Eine Installationsroutine erfragt die gewünschten bzw. vorhandenen Softwarebausteine und stellt dem Anwender — soweit bereits vorhanden — die entsprechenden Icons zur Verfügung. Seine eigene Oberfläche setzt er sich jetzt selbst zusammen. Aus dem »Baukastensystem« Graffiti fließt dabei beispielsweise das Zeichenmodul, der Pixel-Font-Editor und das Präsentationsgrafik-Programm ein. Calamus und 1ST Word sind darüber hinaus einbezogen. Die Eingabe der erforderlichen Zugriffspfade rundet die Installation ab. Die Funktionen, die die Shell ausführt, stehen direkt in Zusammenhang mit der Systemarchitektur, der Graffiti zugrunde liegt: Hybridtechnik. Die einzelnen Bestandteile arbeiten auf derselben Basis. Die angeforderten Zeichenflächen bleiben beim Wechsel der Programmmodule erhalten. So etwa greift die Präsentationsgrafik auf die Arbeit zu, die zuvor das Zeichenprogramm im RAM-Speicher hinterließ. Selbst der Aufruf Graffiti-fremder Software zerstört die Zeichenfläche nicht.

Neben der »Ablaufsteuerung« dient die Shell vornehmlich Kontrollaufgaben. So wählt der Benutzer hier

…und ganz unten gezeichnet

Größe und Anzahl der benötigten Seiten, die maximal eine DIN-A4-Seite in 400 dpi Auflösung groß sein dürfen; das entspricht etwa 3200 x 4300 Pixel. Dazu bietet die Shell eine kleine Analog-Uhr (mit Zeigern) und Zugriff auf die Systemparameter Uhrzeit/Datum und Tastatur-Repeat/-Klick. Die individuelle Einstellung legt Graffiti auf Wunsch in einer INF-Datei ab, die beim nächsten Start die Parameter entsprechend einstellt. Eine Klick-Box für Fax-Anwendungen ist bereits eingebaut, der Treiber dazu läßt derzeit jedoch noch auf sich warten. Drucker- und Scannertreiber installiert man von hier, wie sich die Seite(n) auch von der Shell aus drucken lassen. Das neben Systeminfo und Accessory-Leiste angeordnete Icon für die Seitenübersicht schließlich liefert eine verkleinerte Darstellung aller initialisierten Grafikseiten.

Den Schwerpunkt dieses Tests bildet natürlich das Zeichenmodul, schlicht »Paint« genannt. Seine Oberfläche ähnelt der Shell sehr, was eine lange Eingewöhnungszeit zu vermeiden hilft. Den beachtlichen Funktionsvorrat findet man auf insgesamt fünf grafischen Submenüs mit wechselnder Ausstattung, unterteilt nach den Einsatzgebieten »Zeichnen«, »Bearbeitung«, »Effekte«, »Bemaßen« und »Text« (Bild 2).

Eine Shell bietet Zugriff auf Module und Fremdsoftware

Der Funktionsvorrat des Zeichenmoduls: Menü in fünf Gängen

Vor die Zeichnerei haben die Programmierer Konstantinos Lavassas und Thomas Klingelhöfer eine Installationsroutine gesetzt, die wichtige Parameter, wie z.B. die Zugriffspfade, auf die Bilder und Zeichensätze erfragt. Beinhaltet die Antwort auf die Font-Pfadeingabe auch einen Dateinamen, so betrachtet Paint diesen Zeichensatz als grundsätzlich erwünscht und lädt ihn bei jedem Programmstart auf die Position 1 der Fontliste, die insgesamt Platz für fünf verschiedene Zeichensätze bietet.

System-Philosophie: aufgelöst

Bevor wir uns im einzelnen mit den Funktionen von Paint befassen, werfen wir einen Blick auf die grundsätzliche Struktur des Programms.

Einer der wesentlichen Vorteile des Graffiti-Systems ist, daß sich Druckerauflösung und Zeichenflächenausmaße direkt bedingen.

Ein Bildschirmpixel entspricht also immer einem Druckerpixel. Da man jedoch bei Auflösungen von 300 bis 400 dpi sehr schnell auf unüberschaubar große Zeichenflächen kommt, sieht Paint die direkte Bearbeitung der Zeichenfläche in drei verkleinernden Zoom-Modi vor.

Der Zugriff auf den Bildspeicher erfolgt in der 1:1-Darstellung wie gewohnt über das Bildschirmfenster (siehe Bild 3), welches sich sowohl mit der Maus als auch mit den Pfeiltasten frei und in vier verschiedenen Geschwindigkeiten verschieben läßt.

Der zweite Modus zeigt die Zeichenfläche im Maßstab 1:8 verkleinert an (Bild 4). Der Nachteil: Bei großer Auflösung (ab 300 dpi) reicht der Blick nicht auf die gesamte Bitmap, das untere Ende fehlt nämlich. Hier wäre eine weitere Verschiebbarkeit mittels Pfeiltasten nicht die schlechteste Idee. Dieser Nachteil wiegt hingegen nur halb so schwer, denn spätestens im Zoom-Modus 1:16 erscheint auch die größte Arbeit komplett auf dem Schirm (Bild 5).

Eine verkleinerte Darstellung einer großen Zeichenfläche ist allerdings nichts umwerfend Neues. Diese Funktion ist in anderen Großflächenzeichnern ebenfalls enthalten und allein relativ sinnlos. Wirklich interessant wird die Arbeit mit Paint durch seine über alle drei Zoom-Modi wirksamen Zeichen-, Bearbeitungs-, Effekt-, Bema-ßungs- und Textfunktionen!

Tatsächlich funktionieren mit wenigen Ausnahmen alle Operationen in allen Darstellungsweisen. Das heißt: Völlig problemlos läßt sich eine recht große Image-Zeichnung mit einem Rahmen einfassen, verändern große Bildteile ihren Standort, ohne daß sich der Anwender erst mühsam von einem »Bildschirmfensterchen« zum nächsten hangeln muß. Zu den großformatigen Funktionen zählen neben den grafischen Grundbausteinen Rechteck, Quadrat, Kreis, Linie und Dreieck auch Rechteck mit abgerundeten Ecken, Stern, Polygon und Polygonzug, geschlossene und offene Kurve, Bezierkurven, frei steuerbare Bögen und Polyeder. Ebenso dabei sind Kopier- und Verschiebeaktionen, die Vergrößerungs- und Verkleinerungsfunktionen, Spiegelungen, Strichverstärker und -Verdünner sowie Solarisationseffekt. Die Tonnen- und die Flächenprojektion greifen wie die Kugelspiegelung und die »Rahmenbildner« auf die gesamte Zeichenfläche zu. Und wer im großen Stile bemaßen oder Text einsetzen möchte, der tut dies in allen drei Bearbeitungsformaten. Nicht zu vergessen: das Radiergummi, die wohl wichtigste Funktion. Sie ist nicht nur im Zeichnen-Menü per Maus, sondern zusätzlich immer per Taste »R« aktivierbar.

Pixeltreffer mit der Maus

Nun wird sich mancher fragen, ob bei der notwendigen Verkleinerung zur Ganz-Grafik-Darstellung die ebenso notwendige Genauigkeit nicht auf der Strecke bleibt. Doch dank der raffinierten Programmkonzeption lassen sich die größten Objekte auf ein Pixel genau positionieren — dank der doppelt ausgelegten Maussteuerung in den Verkleinerungs-Modi. Nach der Aktivierung einer Zeichenfunktion erscheint zunächst das betreffende Zoom-Fenster, in welchem der Anwender ein Fadenkreuz per Maus steuert. Natürlich bewegt sich dieses Fadenkreuz je nach Verkleinerung in Schritten zu 8 bzw. 16 Pixel. Dies genügt häufig aber nicht. Dann hilft ein Druck auf die TAB-Taste weiter, denn nun reagiert ein Fadenkreuz, das im kleinen Ausschnitt am linken Bildrand erscheint,.direkt auf die Mausaktionen; der Ausschnitt zeigt das Bild 1:1, so-daß die Mausposition exakt festzulegen ist. Das »große« Fadenkreuz folgt dem »kleinen« proportional.

Zugriff im 1:1-Modus. Das Bildschirmfenster läßt sich per Maus und mit den Pfeiltasten frei verschieben.
Dasselbe Bild im Zoom 1:8 verschafft einen guten Überblick

Diese Steuerung wird besser an einem Beispiel deutlich: Wir haben ein Rechteck auf dem Bild, das die Grenzen des Monitor-Schirms bei weitem überschreitet. Die obere waagrechte Kante wollen wir nun nach rechts hin verlängern. Ein Mausklick auf »Linie« bei angewähltem Zoom 1:8 bringt die kleinere Darstellung auf den Monitor. Mit der Maus fahren wir nun das Fadenkreuz so nah wie möglich an den Zielpunkt, die obere rechte Ecke des Rechtecks. Im Ausschnittsfenster erscheint die Ecke unverkleinert. Die TAB-Taste schaltet auf die »kleine« Darstellung um, wo wir nun ganz genau unseren Eckpunkt anpeilen. Genauer geht es auch auf der normalen Darstellung (1:1) nicht.

Keine Regel ohne Ausnahme

Für fast alle Aktionen (Ausnahme: z.B. Füllen auf der gesamten Zeichenfläche) steht eine UNDO-Funktion bereit. Die Ausnahmen sind auf mangelnde Speicherkapazitäten zurückzuführen; wer kann und will schon für eine Zeichenfläche, die allein fast 1,5 MByte benötigt, noch einen ebensogroßen Puffer für Lasso- und UNDO-Funktionen bereitstellen? Da wird sogar der Platz im ansonsten doch geräumigen Mega 4 knapp, denn neben der Zeichenfläche beanspruchen Fonts, Pufferspeicher und nicht zuletzt das Programm selbst eine Menge des kostbaren RAMs. Werfen wir nun einen Blick auf die Zeichen-und Effekt-Funktionen, die man nicht in jedem Grafik-Editor findet. Da läßt sich z.B. mit der »offenen Kurve« ein beliebiges Gebilde auf den Schirm zaubern, eine weich geschwungene Linie, die mehreren Steuerpunkten folgt. Eine grobe Positionierung der Steuerpunkte genügt fürs erste völlig, denn diese lassen sich nachträglich noch verschieben; die Kurve folgt auf dem Fuße. Nur die Anzahl der Referenzpunkte sollte man rechtzeitig bedacht haben.

Diese Verschiebbarkeit zeichnet den »Kreis durch drei Punkte« aus. Sinngemäß lassen sich die »geschlossene Kurve« und die »Bezierkurve« bedienen. Der Polyeder setzt sich aus einem einfachen »Grundriß« zusammen, der — automatisch nach oben verschoben und mit verbundenen Eckpunkten — schnell und unkompliziert dreidimensional erscheinende Objekte entstehen läßt.

Die Abteilung »Bearbeitung«, das zweite Menü, zeichnet sich u.a. durch die beiden »Formen«-Funktionen aus, welche die Größe eines Bildschirmausschnitts veränderbar machen. Dabei steht eine »dunkle« wie eine »skalierte« Version zur Verfügung; letztere sorgt durch ein Dithering-ähnliches Verhalten dafür, daß bei der Verkleinerung vergleichsweise dunkler Bildteile nicht alles schwarz in schwarz versinkt.

Anfänglich etwas irritierend ist die Benutzung der »Verschiebe«-Funktion, die auch auf der Großfläche arbeitet. Dort griff der Programmierer zu einem kleinen Trick: Nicht das Original wird wirklich verschoben — das würde bei großen Bildteilen zuviel RAM benötigen —, sondern es erfolgt erst eine Kopie, nach welcher der Bildursprung gelöscht wird. Beim Kopiermodus »transparent« sorgt dieser Arbeitsablauf mitunter jedoch für unerwünschte Effekte... Die Effekte-Kiste ist mit acht Funktionen durchaus hinreichend bestückt. Am wirkungsvollsten dürfte die »Projektion« sein, welche einen beliebigen, rechteckigen Ausschnitt verzerrt erscheinen läßt. Eine Kopie des Ausschnitts steht auf der Zeichenfläche bereit, wobei die Eckpunkte sich völlig frei verschieben lassen. Auf diese Weise gelingt auch die »Beschriftung« eines perspektivisch nach »hinten« verlaufenden Objekts in verblüffend kurzer Zeit.

Vor der Text-Abteilung, die für ein Grafik-Programm überraschend komfortabel ausgestattet ist, betrachten wir die Bemaßungsfunktionen. Sowohl Genauigkeit der maßstäblichen Darstellung als auch die Ausführung der betreffenden Funktionen genügen auch professionellen Ansprüchen. Wer z.B. zweidimensionale Pläne anzufertigen hat, der wird die Funktion »Maßfelder« schnell zu schätzen wissen. Einzelne »Entfernungen« auf dem Bildschirm lassen sich per »Hand«-vermessung feststellen und in die Zeichnung einbauen. Maßpfeile setzt das Programm ebenso schnell und einfach wie die im technischen Bereich zuhauf benötigten »Zeichenblätter nach DIN«. Und für alle streng geordneten Darstellungen nach Art eines Stundenplans stellt die Gitterfunktion die passende Umrandung bereit.

Aufwendige Drucker-Steuerung

Offenbar haben auch die Autoren von Paint erfahren müssen, daß die Atari-Laser-Drucker sich mitunter recht deutlich unterscheiden: Die vertikale Auflösung beträgt nicht 300, sondern wenige Pixel. Die Folge ist eine von Gerät zu Gerät wechselnde Abbildungsgenauigkeit, die für maßstabsgerechte Arbeiten, wie z.B. große Platinenentwürfe, zerstörerische Folgen hat. Abhilfe schafft der Probeausdruck eines Quadrats, das auf dem Bildschirm genau 15 cm Kantenlänge (Koordinatenanzeige) aufweist. Am Ausdruck stellt der Anwender die Abweichung fest und gibt diese ins Programm ein. Daraufhin rechnet Paint die betreffenden Maßangaben sowie die Koordinatenanzeigen entsprechend um. Besonders reichhaltig zeigt sich die Text-Abteilung, die mit nicht weniger als drei verschiedenen Verfahren aufwartet, beliebige Texte in die Grafik zu bringen. Zunächst lassen sich fünf verschiedene Zeichensätze gleichzeitig im Speicher halten, was fast »Signum-Feeling« auslöst.

Die Fonts dürfen verschiedene Zeichenhöhen und -breiten aufweisen, und vor allem: auch Proportional-Schriften stellen kein Problem dar.

Der stärkste Zoom 1:16 läßt auch die größte Bitmap sichtbar werden
Eine Einzelzeile paßt sich dem Hintergrund an. Mit Alternate lassen sich beliebige ASCII-Werte eingeben.

Was Du siehst, bekommst Du auch

Zuerst betrachten wir den einfachsten Text-Editor, den sog. Einzeiler. Auf dem gelöschten Bildschirm erscheint ein Lineal, über welchem der eingetippte Text im jeweils aktiven Zeichensatz erscheint. Selbst diese vergleichsweise simple Funktion gestattet es, Texte, die mehr als eine Bildschirmbreite beanspruchen, einzugeben, denn das Lineal scrollt bei Anwahl des entsprechenden Zoom-Modus nach. Ein Druck auf »Return« beendet die Eingabe, und der Textstreifen läßt sich frei auf dem Großbild positionieren. In der Verkleinerung sind die Buchstaben in den meisten Fällen nicht lesbar; deshalb haben die Programmierer dort auf eine Realdarstellung verzichtet. Statt dessen erscheint ein, die Größe des Textes umschreibender Rahmen. Wer seinen Text gedreht benötigt, greift zum »Drehtext«, der die »Linealeingabe« anschließend an die Block-Dreh-Funktion weiterreicht.

Wer aber zuerst die Position festlegen und dann schreiben möchte, wählt die zweite Methode, die sinnigerweise »WYSIWYG« getauft wurde — »What You See Is What You Get«. Eine dreifach waagrechte Linie (obere Kante, Grundlinie, Unterlänge) legt die Textposition fest. Die eingetippten Zeichen erscheinen ähnlich dem Lineal, allerdings läßt sich die Schreibposition pixelweise in alle Richtungen verschieben. Daß man damit eine Zeile völlig »aus der Reihe tanzen« lassen kann, beweist unser Bild links. Ebenso einfach damit das pixelgenaue Beschriften beliebiger Bildteile.

Natürlich sind diese beiden Verfahren keine Lösung, wenn man längere Texte in seine Grafik einbringen möchte. Dazu stellt Paint einen mehrzeiligen, schnellen Editor bereit, der die Texterfassung mit dem Systemzeichensatz gestattet (Bild 7). Verschiedene Steuerzeichen bewirken u.a. einen Wechsel des Fonts, einen Normal- und Dezimal(!)-Tabulator und Zeilenversatz (Bild 8). Die Textformatierung ist zwischen links- und rechtsbündig, zentriert oder blockgesetzt auszuwählen. Die Tabulatoren funktionieren allerdings nur im linksbündigen Betrieb. Die eingegebenen Texte samt Steuerzeichen schickt ein Klick auf das Speichern-Symbol auf die Diskette, von wo sie sich auch wieder laden lassen.

Lage und Größe des Textfensters, in dem der eingegebene Text erscheint, lassen sich frei einstellen. Auch mehrfache Probedurchläufe sind einfach durchzuführen, denn der Editor überschreibt den Fensterinhalt immer wieder. Erst wenn man mit dem Ergebnis zufrieden ist, sollte also die Positionierung über andere Grafikteile erfolgen.

Über Tastatur am Drücker

Logischerweise ist die Maus das Haupt-Steuergerät für das Zeichenprogramm. Die Tastatur wurde jedoch in den Arbeitsablauf einbezogen; sie ruft z.B. die Parameter-Menüs auf den Schirm. Per »A« löst man die Anzeige der gesamten Fläche aus, auf welcher sich die aktuelle Bildschirmposition per Maus verschieben läßt. Genauere Auskunft über die Tastaturbelegung gibt das locker geschriebene Handbuch, das man über die kurze Einarbeitungsphase hinaus wohl nur selten benötigen wird. Auch legen die Autoren eine Art Tastaturschablone bei, welche die verschiedenen Belegungen nennt.

Man muß den Autoren ein hohes Maß an Umsicht und Gründlichkeit bescheinigen. Während des gesamten Tests ist es uns nicht gelungen, das Programm zu einem wirklichen Absturz zu bringen, der einen Reset mit folgendem Verlust der bis dahin erarbeiteten Grafik zur Folge hätte.

Bei den höchst selten auftretenden — jedenfalls nur mit großer Mühe zu provozierenden und inzwischen beseitigten — schwerwiegenden Fehlern findet sich der Anwender in der Shell wieder; die Grafikseiten bleiben unversehrt. Dennoch fanden wir einige teils marginale, teils ärgerliche Beschränkungen, die allerdings nach Auskunft der Programmierer bereits bei Erscheinen dieses Heftes behoben sein dürften. Beispielsweise vermißten wir den im Bemaßungs-Menü vorhandenen Taschenrechner ausgerechnet in der Funktion, wo man ihn am dringendsten braucht: beim Maßfeld. Außerdem lassen sich Bilder, die größer als eine Bildschirmseite sind, nicht auf ein Pixel genau positionieren, da das Programm auf Byte- oder Wortgrenze springt. Wünschenswert wäre dazu die Aktivierung der Ausschnitts-Positionierung per TAB-Taste auch beim Bilderladen. Und beim Drehen verweigert Paint Aktionen, die den zu bearbeitenden Ausschnitt aus dem Bildbereich ragen lassen würden. Ein letzter Fehler: Wer beim Bewegen eines Ausschnitts die Funktion per Mausklick rechts verläßt, aber bereits einen Bereich zur Bearbeitung ausgewählt hat, findet den eingekreisten Ausschnitt nicht mehr — er ist unwiederbringlich gelöscht. Doch eignet sich dieses Verfahren sehr gut dazu, auch nichtrechteckförmige Bildteile komfortabel zu löschen.

Viele interessante Details des Programmpakets — wie z.B die eigene File-Select-Box — müssen unbeschrieben bleiben, es fehlt der Platz. Außerdem ist ein Test kein Handbuch-Ersatz.

Die Bedienung ist logisch

Ziehen wir Bilanz. Mit Graffiti ist den Programmierern der K&L Datentechnik ein wirklich großer Wurf gelungen. Da ist nicht nur alles enthalten, was zum Standard-Repertoire zählt, die vorhandenen Funktionen darüber hinaus decken einen sehr breit gefächerten Nutzungsbereich ab. Die erzielbaren Ergebnisse sind allesamt bemerkenswert hochwertig. Die Bedienung ist flüssig und durch die logische Struktur einfach zu durchschauen. Die Ausstattung des Zeichenmoduls legt die Vermutung nahe, daß bei der Entwicklung mancher Anwenderwunsch Berücksichtigung fand. Der Preis von ca. 350 Mark angemessen.

Sensationell dürften die Funktionen zur Bearbeitung der gesamten Zeichenfläche bei auf ein Pixel exakter Positionierung sein. Selbst mit den bislang erhältlichen Großformat-Grafiken wie z.B. Mega Paint artet die Arbeit mit mehr als bildschirmgroßen Zeichnungsteilen in vergleichsweise umständliche Fummelei aus. Für den Bereich exakte Pixel-Grafik auch im großen Format setzt Graffiti derzeit zweifellos Zeichen.

Doch auch was die Punkte Geschwindigkeit, Benutzerführung, Ausstattung und Preiswürdigkeit betrifft, dürfte Vergleichbares auf dem Atari-ST-Markt derzeit kaum zu beschaffen sein, (uw)

Wertung

Name: Graffiti
Programmierung: Konstantinos Lavassas und Thomas Klingelhöfer
Vertrieb: K&L Datentechnik
Preis: Graffiti Shell (Module »Paint« und Pixel-Fonteditor, Fontdiskette und diversen Utilities 348 Mark

Stärken: □ fast alle Funktionen auch auf der Großzeichenfläche □ exaktes Positionieren auch auf der Verkleinerung □ Auflösung druckerabhängig □ einfache Bedienung □ reichhaltige Ausstattung □ niedriger Preis □ betriebssicher □ vergleichsweise kleine Programmdatei □ Modulsteuerung frei installierbar □ Shell: Fremdsoftware integrierbar

Schwächen: □ beim Bildladen keine exakte Positionierung □ Fehler beim Drehen □ Bemaßungsfeld: Taschenrechner fehlt □ Übersicht 1:8 nicht verschieblich

Fazit: Im Bereich großformatige Pixelgrafik für semi- bis vollprofessionelle Zwecke setzt Graffiti Maßstäbe. Ein neuer Standard!

K&L Datentechnik, Bahnhofstr. 11, 3551 Bad Endbach

Hier das Ergebnis der im Bild auf S. 25 gezeigten Editoreingabe

Ulrich Hilgefort
Aus: ST-Magazin 08 / 1990, Seite 20

Links

Copyright-Bestimmungen: siehe Über diese Seite