High-Density-Laufwerke: »Fette Floppy« am Atari ST

Seit kurzem bieten verschiedene Hersteller Umbau- und Umrüstkits zum Betrieb von 1,2-oder 1,44-MByte-Floppy-Laufwerken am ST an. Wir haben für Sie den Bausatz »HD-Kit« der Firma Digital Image »zerlegt«.

Anwender, die gesteigerten Wert auf Kompatibilität zu den gängigen PC-Laufwerken legen, erhalten mit dem Umrüstsatz von Digital Image die Mittel zum perfekten Datenaustausch. Doch nicht nur die IBM-PS/2-Welt eröffnet sich dem Anwender, auch Atari setzt mit seiner TT-Serie mittlerweile auf dieses Diskettenformat und macht für viele Benutzer von beiden Atari-Systemen den Einsatz eines solchen Systems erforderlich. Der HD-Kit besteht aus mehreren Komponenten: einem anschlußfertigen 3,5-Zoll-HD-Laufwerk, einem Floppy-Controllerboard, entsprechender Software und diversen Disketten-Utilities. Eine Einbauanleitung mit vielen erläuternden Bildern führt Punkt für Punkt durch den Umbau. Der HD-Kit ist für alle Atari-Computer, angefangen vom 260er bis hin zum Mega ST, geeignet. Zum Betrieb des Ganzen ist übrigens ein »mittelschwerer« Eingriff in den Computer nötig, der — wie Sie sicherlich wissen — jeglichen Garantieanspruch aufhebt.

Ausbau des WD 1772

Die Operation gestaltet sich aufgrund der bereits vorgefertigten Controllerplatine und der Anleitung sehr einfach und ist auch für ungeübte »Chirurgen« zu meistern. An Werkzeug benötigen Sie nur einen Feinlötkolben und das übliche Elektronikerbesteck wie Pinzette, Lötzinnabsauger etc.. Zuerst müssen Sie natürlich den Computer öffnen (nach Abziehen aller Verbindungsleitungen versteht sich), das Abschirmblech entfernen und per Skizze aus der beiliegenden Dokumentation den Floppycontroller mit der Aufschrift WD 1772 orten. Dieser Chip geht leider hops, d.h. er ist zu entfernen. Laut Anleitung soll dies auf die »Schlachtermethode« durch Abzwicken der Beinchen geschehen, um die Leiterbahnen zu schonen. Wir meinen, daß bei einem Chip-Preis von ca. 50 Mark bei ungeübten Bastlern dies zwar die sicherere Methode ist, professionelle Löter aber sind unserer Erfahrung nach durchaus in der Lage, den Chip wohlbehalten zu entfernen und trotzdem die Leiterbahnen nicht zu verwüsten. Man weiß ja nie, ob solch ein Chip nicht nochmal benötigt wird. Doch weiter im Text: Leider verwendete Digital Image für die Controller-Karte keinen Chip-Carrier-Sockel, was die Kontrolle der Lötstellen erschwert. Doch sei es, wie es ist, hier bleibt Ihnen nur der Griff zum Ohmmeter, um Kurzschlüsse vorzeitig zu erkennen. Nach dieser Kontrolle plazieren Sie das HD-Controllerboard nach einem eventuell fälligen Höhenausgleich mittels einer zweiten IC-Fassung im Sockel. Dieses Board besteht neben dem weiterhin gebräuchlichen WD 1772 aus einigen Logikbausteinen und einem 16-MHz-Quarz. Das Prinzip der High-Density-Umschaltung beruht, neben diversen Feinheiten, auf einer Verdoppelung der Taktfrequenz des Floppycontrollers. Die Platine selbst besteht aus solidem Epoxidmaterial, ist sauber bestückt und stellt durch ihre kleine Dimensionierung keinerlei Platzprobleme dar. Die weiteren Anschlußdrähte sind bereits fertig vorverdrahtet, mit IC-Klemmen versehen und lassen sich daher leicht verbinden.

Jetzt müssen Sie wählen, welches Laufwerk in Zukunft vom Computer als internes oder externes angesprochen wird. Bestimmen Sie (z.B. bei einem 1040 ST) das interne Laufwerk als A-Drive, so müssen Sie eine Verbindung für die Floppy-Select-Signale vom Soundchip zum Controllerboard ziehen. Besitzen Sie jedoch einen 260 ST bzw. 520 ST, oder Sie definieren das interne Laufwerk eines Mega ST nicht zu Drive A, dann sieht die ganze Verdrahtung schon etwas komplizierter aus. Hier findet das High-Density-Laufwerk nun nicht mehr im ST, sondern extern Anschluß. Die Entwickler des HD-Kit verwenden die »MIDI-IN«-Buchse als zusätzlichen Signaleingang.

MIDI-Buchse leider belegt

Diese Variante führt unweigerlich zur Belegung der MIDI-Buchse und den damit verbundenen Einschränkungen. Anwendern, die den Midi-Port bereits belegt haben, verbleibt laut Digital Image nur, sich per »telefonischer Anfrage« noch einen weiteren Einbauweg nennen zu lassen. Das reizt uns zu einer gehörigen Portion Kritik, da der ST besonders in MIDI-Anwendungen sehr verbreitet ist. Die Entwickler hätten hier entweder ganz auf die Belegung der MIDI-IN-Buchse verzichten oder wenigstens den Weg zur Umgehung dieser Verfahrensweise gleich im Handbuch erläutern können. Kaum ein Interessent kauft sich für teures Geld solch einen Umbaukit, um beim ersten Einsatz dann vor solchen Einschränkungen zu stehen. Nachdem die überlangen Verbindungsleitungen ordentlich verlegt sind und die IC-Klemmen eine einigermaßen fixierte Lage haben (Montagematerial liegt dem Bausatz leider nicht bei, wir empfehlen hier Kabelbinder und Heißsiegelkleber), ist der komplette Computer wieder zu montieren.

Digital Image liefert das HD-Kit mit Adapterplatine, Software und Laufwerk mit Steckernetzteil aus

Anschließend folgt die eigentliche Inbetriebnahme des Umrüstkits.

Sie beginnt mit dem beiliegenden Laufwerk. Dieses formschöne Slim-Line High-Density-Laufwerk ist von Digital Image bereits in ein äußerst flaches Gehäuse eingebaut. Mit dem externen Netzteil, dem gewohnten dicken Laufwerkstecker und der bereits erwähnten Verbindung von Floppy-Stecker zur MIDI-IN-Buchse läßt sich der gewohnte rückseitige Kabelsalat am ST wiederherstellen. Nach dieser Prozedur bleibt nur noch der Griff zu den Netzschaltern, um dem Werk Leben einzuhauchen. Unser Testgerät funktionierte nach dem Umbau auf Anhieb. Das Laufwerk verarbeitet die üblichen Atari-formatierten Disketten ohne Probleme. Auch ein Diskettentausch zwischen verschiedenen Laufwerken — einseitige oder doppelseitige — bereitete keinerlei Schwierigkeiten. Doch ohne Software funktioniert in puncto High-Density erst einmal gar nichts. Wenn die wahren Fähigkeiten des HD-Laufwerks gefordert werden, muß man sich der beiliegenden Software bedienen und diese installieren. Digital Image bietet hierzu einige nützliche Programme an: Als wichtigstes dienen verschiedene HD-Step-Programme, welche die Steprate für das HD-Format einstellen. Je nachdem welches Laufwerk (A: oder B:) Sie als das High-Density-fähige definiert haben, rufen Sie das entsprechende Programm auf.

High-Density per Software

Entsprechende Formatiersoftware darf natürlich auch nicht fehlen und ist mit allen erdenklichen Features ausgestattet. Für all diejenigen Anwender, die speziell in die Floppy-Geheimnisse des HD-Formats einsteigen wollen, liegt ein Diskettenmonitor, der auch mit dem HD-Format arbeitet, bei.

Besonderes Augenmerk verlangen noch zwei weitere Programme: Einmal bietet Digital Image ein äußerst komfortables Copy-Programm an, das zum Kopieren normaler bis hin zu HD-Disketten dient. Als zweites befindet sich auf der beiliegenden Diskette noch ein Programm namens Digital, das — man höre und staune — auch noch bespielte Atari-Disketten in ein IBM-kompatibles Format transformiert.

Für alle künftigen Computertypen zeigt der aktuelle Trend in Richtung High-Density-Laufwerke.

Will man den Anschluß und vor allem die Möglichkeit des Datenaustauschs zwischen den Systemen nicht verlieren, so kommen die meisten Anwender nicht an einer Aufrüstung Ihres Atari ST vorbei. Gerade im Hinblick auf den neuen TT, der ja von Haus aus auch High-Density-Floppies beschreiben und lesen kann, gewinnt ein solcher Umbau eines ST immer mehr Bedeutung.

Dieser Umbaukit ist sicherlich ein erster Schritt auf dem richtigen Weg, doch schränkt die momentan realisierte Methode (Midi-Port-Belegung etc.) dieses System leider doch noch etwas ein. Zukunftsorientierte ST-Anwender sollten jedoch ein Augenmerk auf kommende Versionen dieser Aufrüstkits haben, da über kurz oder lang niemand mehr an solch einem Gerät vorbeikommt. (uw)

Wertung

Name: HD-Kit

Hersteller: Digital Image Preis:
Extern: 448 Mark
Intern: 398 Mark

Stärken: □ solider Einbau □ sichere Funktion auch bei original ST-Disketten □ gute Softwareunterstützung □ verwandelt auch beschriebene Disketten in ein MS-DOS-kompatibles Diskettenformat □ komfortables Copy-Programm im Lieferumfang

Schwächen: □ Belegung des Midi-Ports bei Verwendung als externes Laufwerk □ fehlendes Montagematerial □ schwierige Kontrolle der Lötstellen bei der verwendeten Chip-Fassung

Fazit: Zukunftsorientiertes System für Anwender, die öfters Daten mit anderen Systemen austauschen müssen.

Digital Image, Postfach 1206, 6096 Raunheim


Hans Hoffmann
Aus: ST-Magazin 07 / 1990, Seite 46

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