Zauberformel SPS: Der Atari ST übernimmt die Fließbandsteuerung

Die Hardware des SPS-Paketes überzeugt durch saubere Verarbeitung

Anfang der 70er Jahre fand die Geburt der speicherprogrammierbaren Steuerungen in den riesigen Automobilwerken Amerikas statt. Die immer höheren Anforderungen in der Automationstechnik konnten mechanische Baugruppen wie Relais etc. nicht mehr erfüllen. Als Lösungskonzept suchten die Entwickler nach einem universell einsetzbaren, in kurzer Zeit programmierbaren Steuerungssystem.

Das System, das aus diesen Forschungen entstand, verbreitete sich innerhalb kürzester Zeit unter dem Namen SPS in allen Sparten der industriellen Fertigung.

Um einen Prozeß oder Ablauf im herkömmlichen Sinne aufzubauen, galt es, die notwendige Verdrahtung der Relais, die zur Trennung von Steuer- und Laststromkreis dienten, genau auf die Belange dieses einen Prozesses abzustimmen. Änderungen im Produktionsablauf ließen sich nur durch eine erneute Verdrahtung der Relais erreichen. Bei SPS ersetzt man die gesamten Relais und die fest verdrahtete Elektronik durch ein Rechnersystem. Die Vorteile liegen klar auf der Hand: Dadurch, daß alle Peripherie-Mechaniken wie Näherungsschalter, Taster, Leistungsschalter, Wegaufnehmer etc. erhalten bleiben, ist zur Entwicklung eines neuen Prozesses nicht mehr der Lötkolbenakrobat und Kabelzieher gefragt, sondern ein Computerspezialist, der »nur« die Programmierung ändert.

Eine speicherprogrammierbare Steuerung muß folgende Gesichtspunkte erfüllen, um für den Anwender attraktiv zu sein: Ein Maximum an Arbeitsgeschwindigkeit, ein hoher Automatisierungsgrad und eine besonders leichte Handhabung — sprich Programmierbarkeit durch den Anwender.

Eine SPS besteht prinzipiell aus drei Ebenen: Der Eingangsebene, der Verarbeitungsebene und der Ausgangsebene. Die Eingangsebene ist nichts weiter als eine digitale Schnittstelle mit einem Pegel von 24 V Gleichspannung. Die von der Peripherie (Schalter, Näherungsschalter, Endtaster, A/D-Wandler etc.) ankommenden Leitungen werden hier direkt an diese Schnittstelle geklemmt.

Der Debugger erlaubt bequemes Entlausen eigener SPS-Programme

In der Verarbeitungsebene, die in unserem Fall der ST übernimmt, entscheidet die jeweilige Programmierung über die Verarbeitung der an der Schnittstel le ankommenden bzw. über die Schnittstelle auszugebenden Signale. Die Ausgangsebene übernimmt letztlich nur die Funktion, die Ausgangssignale in entsprechender Leistung und richtigen Pegel für die Peripherie bereitzustellen.

Doch nun zum eigentlichen SPS/ST: Betrachten wir hier zuerst die bereitgestellte Hardware, die die Schnittstelle zwischen den peripheren Komponenten (Näherungsschalter etc.) und dem ST übernimmt. Diese in Modultechnik aufgebauten Geräte (einschließlich Netzteil) bestehen aus mehreren Einzelgehäusen, die, um einen sicheren Kontakt der Steckerleisten zu gewähren, ihren Zusammenhalt durch einfache Druckknöpfe finden. Über den ROM-Port erfährt das gesamte System Anschluß an den Atari ST. Über ein Flachbandkabel gelangt der ST-Bus zum SPS-Interface, das die Datenaufbereitung (z.B. Erzeugung des AO-Signals aus UDS etc.) sowie weitere Signale mittels digitaler Logik und einem Pal für den sogenannten ST5-Bus generiert. Diese Signale stehen dann an einer 32poligen VG-Leiste des Moduls bereit. Danach gelangen die Signale und Daten weiter zu den jeweiligen Adreßdecodern und Pegelshiftern, den Ein- und Ausgabemodulen und so weiter. Der ST5-Bus bildet eine Kaskade, indem er über die VG-Leiste von Modul zu Modul weitergelangt und dem Anwender somit maximal 4096 Ein- und Ausgabeleitungen zur Verfügung stellt. Zur visuellen Kontrolle über Eingangs- oder Ausgangsdaten erhält jeder Kanal eine Leuchtdiode.

Mit der »Holen-Funktion« wählen Sie einzelne Bauteile aus der Bibliothek

Im Anhang der Dokumentation findet man außerdem noch eine genaue Beschreibung zur »eigenen« Programmierung des Bus-Systems. Hierbei erweist sich auch die beiliegende Diskette »Bustreiber« als sehr hilfreich: Die sich auf der Diskette befindenden Dateien und Programme stehen sowohl als GFA-Basic-Source bzw. Inline Code wie auch als Testprogramm zur Verfügung. Wir meinen, daß dadurch der Einstieg in die Portprogrammierung auch einem ST-Neuling nicht allzuschwer fällt.

Sogar an ein »Handbuch« im Programm haben die Autoren gedacht

Die herausragendste Eigenschaft von SPS-ST: Der gesamte Steuerungsablauf kann vorab am Bildschirm gezeichnet (z.B. ein Aufzug), mit den nötigen Steuer- und Regelungselementen versehen und in der SPS-ST5-Sprache programmiert werden. Anschließend läßt sich der ganze Ablauf der Steuerung sowohl visuell am Bildschirm als auch per Debugger und letztlich über die Ausgabeports vollziehen. Der Anwender hat die Möglichkeit, den kompletten Funktionsablauf am Bildschirm zu verfolgen, was sich beispielsweise so zeigt, daß sich der Aufzug von Etage zu Etage bewegt und dabei seine Positionsinformation per Wegaufnehmer dem Programm mitteilt.

Mit dem Mauszeiger blättern Sie einfach zwischen den Seiten hin und her

Doch was bietet das Programmpaket noch alles? Zunächst natürlich das Hauptprogramm — SPS-ST — in der Version 1.11, das mit seinen knapp 250 KByte dafür sorgt, daß es nur auf einem 1-Megabyte-ST mit Monochrommonitor läuft Des weiteren befinden sich im stabilen Ringordner noch eine SPS-Kurs- und eine Digital-Kurs-Diskette. Erfreulich ist, daß die Entwickler der Software mittlerweile auf den Einsatz eines Dongles als Kopierschutz verzichten.

Also, Diskette rein und das SPS____ST.PRG angeklickt. Es erscheint eine Alert-Box, die den Anwender zum Einlegen einer Projektdiskette auffordert, auf der die diversen Arbeiten zu sichern sind. Ist keine formatierte Diskette zur Hand, so ist diese direkt aus dem Hauptprogramm erzeugbar.

So sieht der schematische Aufbau einer SPS aus

Ist nun endlich eine entsprechende Diskette zur Hand, so eröffnet sich dem»SPS-Begeisterten« das Arbeitsfenster mit der üblichen GEM-Menüleiste am oberen Bildschirmrand.

Ein Buch im Programm erweist sich dem Benutzer als wertvolle Hilfe zur Bedienung des Hauptprogrammes. Klicken Sie im Info-Menü den Unterpunkt SPS-ST an, dann gelangen Sie in ein Menü, wobei sich (siehe Bild) ein Buch auf dem Bildschirm zeigt und der Mauszeiger die Form einer Hand annimmt. Ein Bewegen des Mauszeigers von links nach rechts und umgekehrt sowie von unten nach oben etc. bewirkt ein Weiterblättern im Buch. Über das CAD-und Fenster-Menü lassen sich prinzipielle Zeichenfunktionen wie Füllen, Radieren, Texteingabe und Zeichnen sowie Verschieben, Kopieren, Löschen, Drehen etc. vollziehen. Diese Funktionen benötigt der Anwender zum visuellen Design seines Projekts. Zum Aktivieren verschiedener Bauteile kann der Anwender über die »Holen-Funktion« wiederum aus einem Katalog die gewünschten Bauteile auswählen. Ob es sich hier um Arbeitszylinder, Geber, Schließer oder digital-elektronische Bauelemente handelt, all diese Elemente lassen sich durch einfaches Eingeben der teilespezifischen Nummer anwählen. Auf dem Monitor sehen Sie dann ein Fadenkreuz, an dem das ausgewählte Bauteil haftet. Positionieren und fixieren läßt es sich dann mit einem einfachen Mausklick an beliebiger Stelle. An jedem Bauteil befinden sich einige Nummern. Diese Nummern kennzeichnen die Schnittstelle zum Automatisierungsgerät, denn jedes Bauteil muß ja entweder mit einem Ausgabe-oder Eingabekanal der SPS verbunden sein. Jeder Bauteilschnittstelle ist ein bestimmter Steckplatz und Kanal zuzuordnen. Dieses Zuordnen geschieht unter dem Menüpunkt »verbinden«. Nach einem Mausklick am entsprechenden Verbindungspunkt des Bauteils erkennt SPS-ST eine Schnittstelle, und der Mauszeiger nimmt die Form eines Fragezeichens an. Jetzt weisen Sie der Schnittstelle einen Steckplatz und Kanal zu; 31.7 bedeutet z.B. Steckplatz 31 und Kanal 7. SPS-ST kontrolliert diese Parameter bei der Eingabe. Ist Ihr Wert falsch, so macht Sie das Programm darauf aufmerksam.

Über die Programmiersprache ST5 läßt sich im Editor-Menü ein logischer Zusammenhang zwischen den Ein- und Ausgabegeräten sowie den Bauteilen programmieren. Die am meisten benötigten Befehle lassen sich sehr komfortabel durch die Maus eingeben, was allerdings eine manuelle Tastatureingabe in manchen Fällen nicht ausschließt. Selbständige Plausibilitätskontrollen des Editors erleichtern das Programmieren und verhindern unlogische Arbeitsschritte. Einige weitere interessante Editor-Funktionen wie beispielsweise der Import (von Diskette laden) von Programmteilen, der Export — also die Ausgabe von Programmteilen — (zu Drucker, Diskette oder Modem-Port) oder diverse Block- und Kopieroptionen vervollständigen das durchdachte Bild, das di 'ses Programm bis jetzt schon vermittelte.

Betrachten wir an dieser Stelle doch einmal ein kleines Beispielprogramm, wie wir es auch auf der SPS-Kurs-Diskette finden.

Es handelt sich um einen Zylinder, dessen Stanze nur ausgefahren werden darf, wenn Schalter 1 und Schalter 2 Signal »1« liefern (UND-Funktion). Die Taste linke Hand entspricht dem SPS-Eingang 1.0, Taste rechte Hand dem Eingang 1.1 und das Pneumatikventil für den Zylinder dem SPS-Ausgang 2.0. Die Prozeßbeschreibung und das entsprechende Programm sehen folgendermaßen aus.

Prozeß	Programm
1 Wenn Taste 1.0 U E 1.0 
UND
2.	Taste 1.1	U E 1.1
3.	dann Ventil 2.0 = A 2.0
4.	Ende	BE

Bei komplexeren ST-Programmen hilft ein Debugger bei der Entlausung. Das Debugging-Menü enthält viele nützliche Features, wie Sie an unserer Hardcopy sehen. Genannt seien an dieser Stelle nur die wichtigsten, wie etwa das schrittweise Bearbeiten des Programms (Step) oder z.B. Delay, bei der nach jedem Programmschritt eine beliebige Pause erfolgt. Weiterhin sehr hilfreich ist der Monitor, mittels dem sich ein Programm rückwärts, vorwärts sowie nach dem aktuellen Programmschritt oder der Operation und vieles mehr überwachen läßt. Bei all diesen Funktionen des Debuggers läuft die Simulation des eigentlichen Programms am Monitor im Hintergrund weiter. Letztlich wollen wir noch das Modus-Menü erwähnen: In ihm gelangt der Benutzer zu den I/O Funktionen von SPS-ST. Diese umfassen die Bus-Steuerung (Bus ein, reset und aus), die aktuelle Monitorsimulation (Bild frosten, tauen), die Erzeugung eines bestimmten S5-110A-Standard-Codes aus dem Programm und zum Schluß noch die PSP In/Extern-Option, bei der sich die 32 Steckplätze und ihre Belegung auf dem Bildschirm zeigen.

Der spezielle Editor erleichtert das Schreiben eigener Programme

Mit im Softwarepaket enthalten ist eine SPS-Kurs-Diskette, auf der sich etliche Beispiele — angefangen von einer einfachen Lichtsteuerung bis hin zur Fließband- oder Aufzugsteuerung — befinden. Alle diese Beispiele verwendet der Autor des Programms auch in seiner Dokumentation und führt den SPS-Neuling somit Schritt für Schritt mit Wort und Bild in die Materie der speicherprogrammierbaren Steuerungen ein. Eine weitere Diskette enthält spezielle Dateien zum Erlernen von digitalen Systemen. Die sehr gute Dokumentation unterstützt dies beginnend mit der Einführung in die Binärarithmetik, verschiedenen Codierungsarten und der Veranschaulichung der prinzipiellen digitalen Grundschaltung wiederum mittels SPS-Programmen.

Es gibt viele von Programmierern sogenannte semiprofessionell bezeichnete Programme Doch betrachtet man diese im Vergleich mit Industrieversionen, so bleibt das »Professionelle« meist auf der Strecke Doch nicht so bei SPS-ST Für den Kenner nicht zu übersehen ist hier, wie geschickt die Entwickler der Hard- und Software die Bedürfnisse im Praxiseinsatz und die Methodik, dieses System zu erlernen, erkannt haben. Zwar gibt es für den ST noch keine Vergleichsversion, die eine objektive Beurteilung erlaubt, doch können wir den Entwicklern zu ihrem Produkt nur gratulieren. (uw)

Wertung

Name: SPS_ST
Preis: von Lieferumfang abhängig
Erforderliche Hardware: ST mit 1 MByte, SM 124

Stärken: □ durchdachte Hard- und Software, □ gute Dokumentation, □ auch für Anfänger erlernbar, □ solide aufgebaute Hardware

Schwächen: -

Fazit: empfehlenswertes Paket, das sowohl für den Lernenden als auch für den Profi interessant ist. Auf den Praxiseinsatz zugeschnitten.

Bezugsadresse: Karstein Datentechnik, Aicha 10a, 8451 Birgland

Beispiele aus der Praxis erleichtern den Einstieg in die SPS-Programmierung

Hans Hoffmann
Aus: ST-Magazin 05 / 1990, Seite 46

Links

Copyright-Bestimmungen: siehe Über diese Seite