Pixel versus Objekt: DTP - WYSIWYG - Vektorgrafik ??? Antworten auf häufig gestellte Fragen

Was ist der Unterschied zwischen Mal- bzw. Zeichenprogramm und DTP? Welche Voraussetzungen muß eine Software erfüllen, damit man es ein DTP-(Desktop-Publishing-)System nennen darf? Diese und ähnliche Fragen finden sich in vielen an die Redaktion gerichtete Schreiben. Deshalb wollen wir nun versuchen, darauf zu antworten. Die für alle Fälle gültige, »wasserdichte« Definition jedoch dürfte es im Zeitalter stetigen Software-Wandels kaum geben.

Zunächst steht DTP für ein Textgestaltungs- und Layout-Programm, das professionellen Ansprüchen genügt. Es ist in der Lage; viele Schriftarten in verschiedenen Großen und hoher Qualität auf den Schirm und — vor allem — per Laserdrucker oder Satzbelichter (Linotronic) zu Papier oder Film zu bringen.

Obendrein muß es die Einbindung von Grafiken, Zeichnungen, Fotos und dergleichen gestatten und dem Anwender die Positionierung dieser Nicht-Textteile weitgehend frei erlauben. Die Bedienung eines solchen Systems gestaltet sich trotz der hohen Funktionsdichte übersichtlich und logisch, ohne den Besuch eines mehrere Monate dauernden Spezialkursus zu erfordern. Einarbeiten muß sich der zukünftige DTP-Profi jedoch genau wie bei anderen Software-Paketen. (Der bekannteste Vertreter eines ST-DTP-Systems ist der »Calamus«, über den Sie in den letzten Ausgaben öfter lesen konnten.)

Eine der wesentlichen Voraussetzungen für die Anwenderfreundlichkeit solcher DTP-Systeme verbirgt sich hinter dem kryptischen Kürzel »WYSIWYG« — soll heißen: »What You See Is What You Get«, zu deutsch: »Du siehst das, was du bekommst.« Der Sinn dieses Schlagwortes liegt darin, daß Bildschirmdarstellung und späterer Ausdruck weitestgehend übereinstimmen. Man sieht also schon vor dem meist recht langwierigen Ausdruck, wie das Endergebnis aussieht, und hat demzufolge von Anfang an einen Überblick über die anzufertigende Arbeit. Bekannt wurde diese Art der Kontrolle für ST-Freunde mit dem Programm Signum, welches seine vielfältigen Qualitäten nicht erst beim zeitintensiven Ausdruck unter Beweis stellt.

Der »inhaltliche« Schwerpunkt eines Zeichen- bzw. Malprogramms — auch hier läßt sich trefflich differenzieren — liegt auf einem anderen Gebiet. Während Malprogramme, häufig in Farbe, zur Realisierung grafischer Ideen mit im wesentlichen kreativer Zielsetzung dienen, beanspruchen den Titel »Zeichenprogramm« solche Softwareangebote; die eher die konstruktive Seite des Umgangs mit dem Zeichenstift betonen. Umgesetzt auf menschliche Berufsbilder: Der Künstler und Grafiker greift dieser Eingrenzung zufolge zum Malprogramm, während der technische Zeichner oder Illustrator ein Zeichenprogramm einsetzt.

Objektorientiertes DTP?

Der Architekt oder Maschinenbau-Ingenieur schließlich ist mit beiden Sparten kaum hinreichend ausgestattet; hier finden Konstruktionssysteme Verwendung, die unter der Rubrik CAD (= Computer Aided Design) firmieren, nichts desto trotz mit »Design« aber wenig zu tun haben. Ein Zeichenprogramm, welches zwar mehrere Zeichensätze gleichzeitig zur Verwendung bereithält, aber an so wesentlichen Feinheiten wie Kerning (zeichenabhängiger Buchstabenabstand), Textformatierung (nicht nur Block- und Fließsatz) oder diversen Abbildungsmaßstäben scheitert, sollte in aller Bescheidenheit den Titel »DTP« von sich weisen.

Im Zusammenhang mit DTP fällt oft das Stichwort »objektorientiert«. Wurde dieser Begriff für manchen Programmierer inzwischen zum Reizwort, bezeichnet er hier ein Verfahren, grafische Informationen im Unterschied zur sogenannten Pixelgrafik in Form von einzelnen Objekten abzulegen. Ein Beispiel: Eine gerade Linie läßt sich einerseits als eine Reihe gesetzter Bits im Bildschirmspeicher und entsprechend dunkel geschalteter Bildschirmpunkte darstellen. Auf Wunsch schreibt der Computer einfach eine Kopie seines Bildschirmspeichers auf die Diskette oder Platte. Dieses Verfahren heißt Pixelgrafik. Das objektorientierte Verfahren beschreibt dieselbe Linie als die Angabe zweier Punkte, die durch eine Linie zu verbinden sind: Ziehe eine Linie von Punkt x1, y1 nach x2, y2. Die Mathematiker kennen den Umgang mit solchen Objekten unter dem Stichwort »Vektoren«, weshalb die objektorientierte Grafik oft auch den Namen Vektorgrafik bekommt. Während des Programmlaufes erfordert dieses Verfahren eine doppelte Speicherung im RAM. Zum einen bedarf es einer entsprechenden Aktion im Bildschirmspeicher, damit der Anwender sieht, welche Wirkung ein Befehl hat. Diese Darstellung erfolgt in Pixelgrafik. Zum anderen legt das Programm die Operation — die Befehlsfolge, die zur sichtbaren Darstellung geführt hat — gesondert im Speicher ab. Auf diese Weise läßt sich die Entstehung einzelner Pixel auf die entsprechende Befehlsfolge zurückverfolgen. Im Vergleich zur Pixelgrafik steigt dabei die anfallende Datenmenge prinzipbedingt mit der Dichte der darzustellenden Grafik (gefüllte Flächen, Anzahl der Umgrenzungslinien), während die entsprechende Pixelgrafik ohne Anwendung von Kompressionstechniken stets die gleiche Größe — die des Bildschirmspeichers — hat. Noch einmal: Ziehen Sie mit einem Zeichenprogramm eine Linie auf dem Bildschirm und speichern dieses Bild anschließend ab, so findet sich in der so erzeugten Datei lediglich ein Bitmuster, welches die Linie — auf den Bildschirm »übersetzt« — wieder reproduziert. Hier sprechen wir von Pixelgrafik. Schreiben Sie hingegen ein Programm, welches den Befehl enthält: »Ziehe von x1, y1 nach x2, y2 eine Linie«, so kommt ein solchermaßen abgespeichertes Bild der Vorstellung einer Vektorgrafik schon recht nahe.

Wo liegt nun der Vorteil der doch sehr aufwendigen Objektdarstellung? Zunächst gestattet die Objekt- oder Vektorgrafik, aus einer bestehenden Zeichnung einzelne Linien herauszulöschen, ohne per Lupe Pixel für Pixel »auszuknipsen«: Aus der abgelegten Befehlsfolge entfernt man einfach den für die betreffende Linie »verantwortlichen« Befehl und baut das Bild neu wieder auf — fertig.

Doch bietet die Objektgrafik noch weitere Vorteile. Nehmen wir an, ein Referat soll durch eine Zeichnung den besonderen Pfiff bekommen. Zwar steht die benötigte Zeichnung zur Verfügung, leider ist sie jedoch zu klein. Abhilfe schafft hier entweder eine Reprokamera, die auf fotografischem Wege die vorliegende Grafik auf das gewünschte Format bringt; das kostet Zeit und Geld — und wem steht schon eine komplette Reproanlage zur Verfügung? Die Vergrößerungsverfahren der Pixelgrafik arbeiten nur unbefriedigend, denn sie verdoppeln nach bestimmter Vorschrift die gesetzten Pixel, die Auflösung jedoch bleibt auf dem Niveau, von dem die Vergrößerung ausgeht. Folge: Das Bild wird größer aber auch unschärfer. Jeder, der die Vergrößerung einer Pixelgrafik versucht, wird dies bestätigt finden.

Vergrößerung ohne Auflösungsverlust

Die Objektgrafik geht einen anderen Weg: In der Sammlung abgelegter Befehlsfolgen stehen die Koordinaten, von denen bestimmte grafische Operationen auszugehen haben. Unterzieht man nun alle Koordinaten bestimmten, aus der Vektorrechnung bekannten Umrechnungsverfahren, so ergibt sich eine Vergrößerung der Darstellung ohne Auflösungsverlust: Das Bild erscheint ebenso fein strukturiert wie die Vorlage, nur hat sich die Größe geändert. An und für sich kein Wunder, wenn man bedenkt, daß die Zeichnung eben doppelt so groß neu gezeichnet wird.

Klingt ganz schön kompliziert? Ist es auch. Deshalb kommt die aufwendige Objektgrafik vornehmlich in professionellen Konstruktions- (CAD), DTP- und Layout-Programmen zum Einsatz. Nicht zuletzt wegen diesem hohen Programmieraufwand erklärt sich der recht hohe Preis solcher Systeme.

Ein kleiner Tip zum Abschluß: Wer Pixelgrafiken grundsätzlich im maximal greifbaren Format anlegt, wird um manche Vergrößerungsaktion herumkommen. Die Verkleinerung von Pixelbildern in beachtlicher Qualität bieten manche Zeichenprogramme inzwischen an. (uw)

Wer sich die beiden Verfahren Pixel und Objekt so wie unser Zeichner vorstellt, dem fällt das Verstehen leichter. Objektgrafik arbeitet mit Koordinatenangaben.

Ulrich Hilgefort
Aus: ST-Magazin 04 / 1990, Seite 30

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