WordPerfect jetzt für den ST

WordPerfect ist in der IBM-Welt eines der meistverkauften Textprogramme. Es gehört zu den professionellen Schreibsystemen und bietet alles, was Vielschreiber tagtäglich brauchen. Jetzt gibt es WordPerfect auch für den ST. Lesen Sie, wie es sich in der Praxis bewährt.

Manche Programme haben eine lange Geschichte. Schon im Sommer 1987 kündigte die amerikanische Wordperfect-Corporation an, ihr gleichnamiges Textprogramm werde in Zukunft auch für den Amiga, den Macintosh und den Atari ST erhältlich sein. Zwischen dieser Meldung und der jetzt erfolgten Auslieferung des Programms ist viel Zeit vergangen. Es gab bereits im Herbst 1987 eine erste Beta-Version von Wordperfect-ST für einen kleinen Zirkel von Fachjournalisten, die jedoch leider nicht fehlerfrei lief. In den letzten beiden Jahren gelangten neben Nachrichten über den Rückzug der Firma WordPerfect aus dem Atari-Markt — wegen der Raubkopiererei — auch immer wieder neue, verbesserte Testexemplare auf unsere Schreibtische. Kurz vor Weihnachten erreichte uns endlich das fertige WordPerfect, das von Atari vertrieben wird. Es handelt sich um die Version 4.1, die in vielen Punkten schon an WordPerfect 4.2 unter MS-DOS heranreicht. Sie bietet für ein Atari-Textsystem sehr viel, aber bei weitem nicht all das, was das WordPerfect 5.0 für die MS-DOS-PCs auszeichnet.

Die wichtigste Frage vorab: Für wen ist WordPerfect interessant, wo liegen seine Haupteinsatzbereiche? WordPerfect ist nichts für Font-Jongleure und Liebhaber selbstgebastelter Zeichensätze. Es ist weder ein »Calamus«- noch ein »Signum«-Ersatz. WordPerfect ist weiterhin viel zu teuer und zu »groß«, um einfache Programme wie etwa »1st Word plus« oder »Writer ST« ablösen zu können. Wer bisher mit 1st Word plus glücklich und zufrieden gearbeitet hat, mag dabei bleiben.

Professionelle Vielschreiber hingegen, die seit eh und je bei 1st Word plus einen Makrorekorder oder ein automatisch erzeugtes Inhaltsverzeichnis vermißten, sollten ruhig einmal einen Blick auf das neue WordPerfect werfen. Es verfügt über eine ganze Reihe von Annehmlichkeiten für Profis. Zum Beispiel eine sehr flexible Verwaltung von Fuß- und Endnoten, den Ausdruck in Proportionalschrift und Blocksatz oder das Rechnen im Text neben einer ausgereiften Spaltenverarbeitung. Dazu kommen Mischbefehle zum Serienbriefschreiben und eine leistungsfähige Makroprogrammierung. Interessant ist der Newcomer auf dem Textverarbeitungsmarkt auch für Verlagsautoren und all jene, die eine Anbindung an MS-DOS suchen. Wordperfect-Dateien lassen sich nämlich über alle Computergrenzen hinweg austauschen.

Zum Lieferumfang von WordPerfect gehört eine 500 Seiten umfassende, hervorragend aufbereitete Anleitung in deutscher Sprache, und zwar mit Index, Glossar, Funktionstastenschablone und Quick-Reference. Sie ist in einen Lernabschnitt und einen Nachschlageteil untergliedert. In beiden Teilen findet der Einsteiger viele Bilder und »Schritt für Schritt«-Beispiele. Die drei doppelseitig bespielten Disketten enthalten neben dem Programm mit Silbentrennungsmodul, Lexikon und Thesaurus auch die Beispieltexte zum Handbuch und alles, was man zur Druckeranpassung benötigt. Zum Betrieb notwendig ist unseres Erachtens unbedingt eine Festplatte. Rein theoretisch läuft WordPerfect auch mit zwei Diskettenstationen.

Nach dem Start unseres Testkandidaten zeigt sich ein angenehm gestalteter Arbeitsbildschirm mit Pull-Down-Menüs und der obligaten Maussteuerung. Auf die verschiebbaren Textfenster mit Rollbalken in der Vertikalen und das Deskmenü mit den liebgewonnenen Accessories brauchen Mausfans also nicht verzichten. Die GEM-Einbindung dieser Version ist gut gelungen, wenn auch manchmal zu träge.

WordPerfect nutzt nicht die GEM Filebox
Maus oder Tastatur-Steuerung: mit WP kein Problem

WordPerfect läßt sich auf zweierlei Art bedienen. In der PC-Welt verwendet es vierfach vorbelegte Funktionstasten. Die erste Ebene erreichen Sie durch das Drücken dieser Tasten. Hier finden Sie die wichtigsten und am häufigsten gebrauchten Befehle. Die zweite bis vierte Ebene ruft der Anwender durch gleichzeitige Betätigung der Funktionstaste mit Shift , Alternate oder Control auf. Das ist am Anfang etwas kompliziert, für Vielschreiber aber sehr effektiv. Viel einfacher ist die Anwahl eines Menüs natürlich durch GEM und die Pull-Down-Menüs. In jedem dieser Menüs stecken diejenigen Funktionen, die Sie sonst mit den Funktionstasten aufrufen. Gerade in der Lernphase hilft ein Blick in die Menüs häufig weiter. Gleichgeblieben ist jedoch das, was nach dem Aufruf eines Obermenüs erscheint. Nämlich je nach Funktion eine ganze Reihe von Untermenüs, die mit einer Ziffer aktiviert werden. Um eine Fußnote einzurichten, drücken Sie etwa Ctrl F7 (Fuß- und Endnotenmenü) oder wählen diesen Punkt aus dem »Spezial«-Menü an. Danach klicken Sie auf die Ziffer 2 oder drücken die Tkste 2 und erhalten das Fußnotenfenster.

Die gesamte Benutzerführung gehorcht einer hierarchischen Menüstaffelung. Ein Obermenü führt in Untermenüs, die sich wiederum weiter verzweigen. Der Anfänger kann sich quasi von oben nach unten durch die einzelnen Menüs »hangeln«. Der Profi weiß genau, was er will, und gibt einfach nur den Funktionstastenaufruf und eine zusätzliche Ziffer ein.

Der Editor selbst bietet viel Komfort für diejenigen, die ständig mit einem Textprogramm arbeiten. Natürlich kann man wortweise vor- und zurückspringen, seitenweise nach oben oder unten blättern und den Cursor an den Anfang oder das Ende der Zeile bewegen. Zur Positionierung im Text dient außerdem die Wiederholungstaste Escape , die eine Operation beliebig oft ausführt (springe x Seiten nach unten). Daneben läßt sich eine Seite direkt anwählen oder sogar ein einzelnes Zeichen automatisch anfahren (gehe zum nächsten Punkt).

Die besonderen Qualitäten von Wordperfect zeigen sich erst bei vielen kleineren Details, die sich auf die Dauer immer wieder als nützlich und arbeitssparend erweisen. Zum Beispiel die Undo-Funktion. Wenn Sie ein Wort, mehrere Zeilen oder sogar einen mehrseitigen Textblock versehentlich gelöscht haben, reicht ein Tastendruck aus, um nach Belieben einen der letzten drei Löschvorgänge zu stornieren. Jeder gelöschte Textabschnitt wird zunächst zwischengespeichert. Nach Betätigung der Undo-Taste zeigt ein zusätzliches Fenster einen der drei gelöschten Abschnitte und bietet das Zurückholen an: eine äußerst praktische Funktion, die man schon nach kurzer Zeit nicht mehr missen mochte. Gleiches gilt für die Belegung der Tastatur mit französischen Umlauten und anderen Sonderzeichen. In einem Fenster geben Sie an, welches Sonderzeichen Sie wahlweise mit der Control- oder Alternatetaste aufrufen.

WordPerfect unterstützt verschiedene Spaltenformate

Einen guten Eindruck machen auch die Blockoperationen, die mit WordPerfect schon fast eine Wissenschaft für sich darstellen. Sie markieren einen Block entweder mit der Maus exakt vom Anfangs- bis zum Endbuchstaben. Oder Sie schalten den Blockanfang ein und verwenden die Sprungbefehle im Text. Schließlich können Sie auch nach dem Einschalten der Blockmarkierung einen Buchstaben direkt als Blockende anwählen. Sie tippen z. B. zweimal den Punkt, und schon sind die nächsten zwei Sätze als Block markiert. Außerdem können Sie einen kompletten Satz, Absatz oder eine ganze Seite mit nur einem Tastaturbefehl als Block zu markieren.

Die üblichen Textattribute (fette, kursive oder unterstrichene Darstellung) erreicht man durch einen Funktionstastendruck oder via Pull-Down-Menü. Auf dem Schirm wird das jeweilige Attribut so dargestellt, wie im späteren Ausdruck. Mit einer Ausnahme: Die hoch- und tiefgestellten Buchstaben erscheinen nicht in kleinerer Schrift. Da es keinen technischen Grund gibt, auf den 8x8 Zeichensatz zu verzichten, ist dies ärgerlich. Es geht ja auch bei 1st Word plus. Der vorgegebene Bildschirmzeichensatz läßt sich nicht mit Hilfe von ST-Font oder anderen Tools überschreiben.

Doch zurück zu den Annehmlichkeiten von WordPerfect. Wenn Sie ein wenig mit den Standardfunktionen gearbeitet haben, stellen Sie sofort fest, daß die Bildschirmdarstellung weitgehend dem Wysiwyg-Prinzip (what you see is what you get) gehorcht. Einrückungen, zentrierte Passagen und sogar rechtsbündig ausgerichtete Zeilen erscheinen wie im späteren Druckbild. Im Unterschied zu 1st Word plus geht das Formatieren außerdem völlig automatisch vonstatten. Aber Wysiwyg hat auch Nachteile. Wie tauschen Sie mit 1st Word plus eine kursive Katze gegen einen fetten Hund aus? Das geht nur per Hand.

Der Thesaurus ist ein Schmuckstück von WordPerfect

Bei WordPerfect hingegen ist das Wysiwyg-Prinzip mit einer Steuerzeichendarstellung verbunden. Auf Tastendruck sehen Sie im unteren Drittel des Bildschirms ein zweites Fenster zur Anzeige aller Textanweisungen. Für das Einschalten der Unterstreichung steht dort [u], für das Ausschalten [U]. Ähnliches gilt für alle Textmarkierungen. Einrückungen erscheinen z. B. als [-Einr.] und harte Returns, »feste neue Zeilen«, als [FNZ]. Nach diesen Anweisungen können Sie suchen lassen, oder sie ersetzen. Ein Beispiel: Es geht darum, alle eingerückten Zitate in den Haupttext zu integrieren. Mit 1st Word plus würden Sie jedes einzelne Zitat per Hand suchen, das unsichtbare Einrückungszeichen entfernen und anschließend den Absatz neu formatieren. Mit WordPerfect rufen Sie die Suchfunktion auf, geben als Suchstring [- Einr.] ein und lassen das Ersetzfeld leer. Schon nach kurzer Zeit sind alle Einrückungen verschwunden. Und die kursive Katze verwandelt sich mit »[k]Katze[K]« und »[f]Hund[F]« ganz schnell zum fetten Hund.

WordPerfect verbindet also auf äußerst sinnvolle Weise das Klartextprinzip mit der Wysiwyg-Idee. Jedes System für sich genommen hat Vor- und Nachteile Mit WordPerfect hat der Anwender von beiden Prinzipien nur die Pluspunkte in der Hand. Wichtig ist der Steuerzeichenmodus nicht nur für den gewöhnlichen Benutzer. Verlagsautoren können z. B. alle Formatierungsanweisungen für die Setzmaschine Filtern. Mit 1st Word plus, That’s Write, Signum, Script und anderen Textverarbeitern geht das nicht.

Silbentrennung und Seitenumbruch

Die Trennhilfe von WordPerfect funktioniert entweder vollkommen automatisch oder mit manueller Bestätigung. Im Unterschied zu vielen anderen Programmen kommt bei der vollautomatischen Silbentrennung ein Trennalgorithmus zum Zuge, der ausgezeichnete Ergebnisse liefert. Es handelt sich um die Dieckmann-Trennung, die als eine der besten überhaupt gilt. Die sehr selten vorkommenden Trennfehler lassen sich mit Hilfe eines Ausnahmewörterbuches korrigieren. Zusätzliche Bonbons sind die verstellbare Trennbreite, die angibt, wann ein Wort zur Trennung vorgeschlagen wird, das Stornieren einer Trennung, wenn das Wort nie getrennt werden soll, und das Speichern früherer Trennzeichen im Dokument. Die variable Trennbreite ist ein äußerst sinnreiches Feature, vor allem für den Spaltensatz. Im normalen Text reicht der Standardwert aus.

Viele Anwender benötigen für ihre Dokumente den anderthalbfachen Zeilenabstand. WordPerfect gestattet beliebige Zeilenabstände in Halbschritten. Unterschiedliche Zeilenabstände innerhalb eines Textes lassen sich ohne Problem kombinieren. 1st der Zeilenabstand größer als 1, erscheint der Text auf dem Bildschirm unabhängig vom tatsächlichen Abstand zweizeilig.

Um den korrekten Seitenumbruch brauchen Sie sich überhaupt nicht kümmern, wenn der »Absatzschutz« eingeschaltet ist. WordPerfect verhindert automatisch alleinstehende Zeilen am Anfang oder Ende einer Seite. Für lange Fußnoten existiert im übrigen auch eine Umbruchautomatik, die weder 1st Word plus noch That’s Write kennen. Paßt die Anmerkung nicht mehr ganz auf eine Seite, wird sie auf der nächsten fortgeführt. Manuell gibt der Anwender vor, wie viele Zeilen das Programm nicht trennen soll.

WordPerfect stellt verschiedene Fonts nicht auf dem Bildschirm dar, aber es schöpft alle Fähigkeiten aus, die ein moderner Matrix- oder Laserdrucker in puncto Schriftgestaltung bietet. Sie können jede beliebige Schrift in der Druckeranpassung installieren und für Ihre individuelle Textgestaltung nutzen. Mit der Anweisung [Schrift] fügen Sie an der gewünschten Stelle den Befehl zum Wechsel des Zeichensatzes ein. Dieser Font kann äquidistant oder proportional sein oder eine so merkwürdige Zeichenbreite wie 13 cpi besitzen: WordPerfect spielt immer mit. Proportionalschrift im Blocksatz ist kein Problem mehr. Auch exotische Anforderungen liegen jetzt im Rahmen des Denkbaren: Die Kursivschrift soll z. B. in einem ganz anderen Font erscheinen, hinterher möge Wordperfect den Ausgangsfont erneut anwählen. Dies alles funktioniert dank einer ungemein flexiblen Druckeransteuerung, die bis zu sechs verschiedene Drucker gleichzeitig anspricht. Einen kleinen Haken gibt es allerdings: Den korrekten rechten Rand muß der Anwender — wie bei 1st Word plus — selbst berechnen. Automatisch geht dies erst mit der Version 5.0 unter MS-DOS. Last not least sei erwähnt, daß WordPerfect auch Postscript-Ausgaben unterstützt und über eine ausgereifte Druckjob-Warteschlangenverwaltung verfügt.

Spaltenverarbeitung par excellence

Zu einem professionellen Textsystem gehört ohne Zweifel der mehrspaltige Satz. WordPerfect hat im Grunde genommen alles, was man dafür braucht. Sie können einen Text nachträglich in Spalten fließen lassen oder den Spaltenmodus einschalten, um sofort den Umbruch zu sehen. Bis zu fünf Spalten, entweder Zeitungsspalten oder parallele Spalten, erlaubt das Programm. In den ersteren fließt der Text von oben nach unten und dann am Seitenende in die nächste Spalte Wie der Name schon sagt, wie bei einer Zeitung. Parallele Spalten Finden hingegen Gebrauch bei Gegenüberstellungen und Drehbüchern. In der linken Spalte steht ein fester Text oder der Name des Sprechers. Rechts davon die zugeordnete Beschreibung oder der zu sprechende Text. Innerhalb eines Dokuments können Sie die Spaltenarten gleichzeitig einsetzen und an jeder Stelle eine neue Spaltendefinition einfügen.

Selbst mit langen Fußnoten kommt WordPerfect spielend zurecht. Bei Bedarf verteilt WordPerfect die FuBnote über mehrere Seiten

Haben Sie schon einmal eine Gliederung für längere Texte verfaßt? Mit wichtigen Obergesichtspunkten und Unterpunkten? Wenn ja, dann wissen Sie, daß dies eine recht unangenehme Angelegenheit ist. Mit WordPerfect geht das Erzeugen eines Inhaltsverzeichnisses oder einer Strukturgliederung unglaublich einfach vonstatten. Um eine Gliederung anzufertigen, schalten Sie den Modus ein und beginnen einfach in der ersten Zeile am linken Rand mit einer Betätigung der Returntaste. Schon erscheint eine römische Eins zur Kennzeichnung des Obergesichtspunktes. Den zugehörigen Text schreiben Sie in die gleiche Zeile und schließen diese mit Return ab. Es folgt ein Untergesichtspunkt zweiter Ordnung. Dazu drücken Sie die Tabulatortaste und dann Return . Eingefügt wird automatisch eine arabische Eins für den ersten Unterpunkt zweiter Ordnung. Dieses Verfahren läuft mit bis zu sechs Ebenen. Am Ende ergibt sich eine hierarchische Ordnung der Themen fast von allein. Doch damit nicht genug. Sie können jeden Punkt innerhalb der Hierarchie verschieben und die Numerierung ändert sich automatisch mit.

Ähnlich funktioniert das automatische Erzeugen eines Inhaltsverzeichnisses. Der Anwender markiert die jeweilige Kapitel- oder Absatzüberschrift als Block und ordnet sie einer Ebene zu. Wenn der Text fertig ist, läßt sich das Inhaltsverzeichnis an beliebiger Stelle auf Knopfdruck erzeugen. Bei beiden Funktionen — Gliederungshilfe und Inhaltsverzeichnis — wählt der Benutzer aus, welchen Numerierungsstil er wünscht. Neben drei Standardformaten ist das Festlegen einer eigenen Buchstaben- und Zahlenhierarchie gestattet.

Ein sinnvoll gestaltetes Register wertet vor allem längere Druckwerke deutlich auf. That’s Write und andere Programme gestatten leider nicht die manuelle Bearbeitung eines Stichworteintrags. Ganz anders WordPerfect: Es ist vorgesehen, den Stichworteintrag zu editieren, um beispielsweise den im vorkommenden Begriff »Fortran« einem Registereintrag »Programmiersprachen« zuzuordnen. Zudem erhält bei Bedarf jeder Eintrag einen Untertitel zugewiesen. Damit lassen sich Ober- und Untergruppen einrichten, also etwa unter dem Stichwort »Programmiersprachen« jeweils einzeln »Fortran«, »Basic« oder »Pascal« aufführen. Das sieht dann im Ausdruck ungefähr so aus:

Programmiersprachen
- Basic ......... S. 45, 60-63
- Fortran ....... S. 12f, 18-20
- Pascal ........ S. 95, 98, 90-110

In die Reihe der Profifunktionen gehören Spelling-Checker und Thesaurus. Das Rechtschreibprüfprogramm sieht einen markierten Block, eine Seite oder den ganzen Text auf falsche Wörter hin durch. Die mitgelieferte Stammdatei umfaßt rund 100000 Wörter. Das Grundwörterbuch hat mit 290 KByte Länge einen gewaltigen Umfang und wird ergänzt durch fachspezifische Lexika, die der Benutzer selbst einrichtet. Diese besitzen das gleiche Format wie die ».SUP«-Dateien von 1st Word plus, so daß ein reibungsloser Übergang von diesem Programm zu WordPerfect gewährleistet ist. Die Wörterbücher lädt Wordperfect nicht in den Arbeitsspeicher, sondern greift zum Korrigieren auf die Festplatte zu. Unbekannte Wörter hebt es durch inverse Schrift hervor und liefert gleichzeitig Alternativen.

Der Thesaurus ist eine Art elektronisches Synonym- und Antonymwörterbuch. Bei Bedarf schlägt er zu einem markierten Wort verschiedene Alternativen vor. In unserem Bild sehen Sie Vorschläge zu dem hervorgehobenen Wort »Gegenwart«. Das Prinzip des Thesaurus besteht darin, zunächst eine Gruppe sinnverwandter Wörter anzugeben. In dieser Gruppe befinden sich Oberbegriffe, zu denen weitere Synonyma vorliegen. Ein Mausklick darauf, und schon erscheinen diese.

Viel von dem, was WordPerfect bietet, bleibt bei dieser Übersicht notwendigerweise noch unbehandelt. Etwa die Makros, die nicht nur bestimmte Phrasen auf Knopfdruck in den Text einspielen, sondern auch mit Hilfe von Abfragen, Verzweigungen und Pausen das Programmieren kleiner »Makroprogramme« zulassen. Zu erwähnen wären weiterhin die Mischbefehle, die sich vorzüglich zur Serienbriefschreibung eignen und weitaus reichhaltiger vorhanden sind, als etwa in der Kombination von 1st Word plus und »1st Mail«. Daß Wordperfect im Text rechnen kann, sei ebenfalls nicht verschwiegen.

Abschließend einige Worte der Kritik zur gegenwärtig vorliegenden Version. Am meisten vermißt der normale Anwender eine halbwegs vernünftige Arbeits- und Ausführungsgeschwindigkeit bei allen Operationen. Unter MS-DOS läuft WordPerfect auf einem langsamen XT erheblich schneller als auf dem Atari ST. Wer gar im Büro mit einem AT arbeitet, wird das Wordperfect-ST als »lahme Ente« belächeln. Vor allem beim Löschen und Verschieben von Textblöcken, beim Einrichten von Fußnoten und beim Spaltensatz ist WordPerfect unerträglich langsam. Das liegt natürlich nicht am ST, wie jeder Tempus-Benutzer weiß. Die Firma WordPerfect hat uns in diesen Punkten eine durchgreifende Verbesserung in Aussicht gestellt. Schwierigkeiten scheinen die amerikanischen Programmierer auch mit der GEM-Einbindung zu haben.

So reichhaltig der Funktionsumfang von WordPerfect 4.1 für ein Atari-Textsystem auch sein mag, so ergeben sich dennoch weitere Kritikpunkte, wenn man WordPerfect 5.0 unter MS-DOS kennt. Diese leistungsstärkere Version bietet eine ganze Reihe sinnreicher Erweiterungen, die bei WordPerfect 4.1 noch fehlen. Etwa die Grafikeinbindung, die Fontauswahl oder die Wordperfect-Programmiersprache. Niemand würde unter MS-DOS mit dem »alten« Wordperfect 4.1 oder 4.2 Weiterarbeiten, der bereits die Vorzüge der mächtigen Version 5.0 gesehen hat. Unser Atari-Wordperfect läuft der aktuellen Entwicklung also ein gutes Stück hinterher. Es hängt paradoxerweise von den Verkaufsziffern dieser älteren Version ab, ob es für die ST-Serie auch den Anschluß an die Zukunft gibt. Diese Zukunftsperspektive liegt ohne Zweifel in einem WordPerfect 5.1 für den Atari ST. (uh)

Wertung

Name: WordPerfect für den Atari ST
Preis: 799 Mark
Hersteller: WordPerfect Corporation, USA

Stärken: □ viele Funktionen sinnvoll unter einem Dach vereint □ gut geeignet für Vielschreiber mit professionellen Ansprüchen □ Wordperfect-Textdateien können auf allen Computertypen weiterbearbeitet werden

Schwächen: □ zu langsam □ Suchfunktion findet keine Textstellen in Fuß- und Endnoten □ Konvertierung von 1st-Word-plus-Texten berücksichtigt weder deutsche Umlaute noch Fußnoten

Fazit: Die erste professionelle Textverarbeitung für den Atari ST. Hinter der Konzeption und Benutzerführung steckt das Know-how des viertgrößten Softwarehauses der Welt. Die Geschwindigkeit läßt jedoch noch zu wünschen übrig.

Vertrieb: Atari Computer GmbH, Frankfurter Str. 89-91, 60% Raunheim

Hotline und Kundenbetreuung: WordPerfect GmbH, Frankfurter Straße 33-35, 6236 Eschborn


Michael Spehr
Aus: ST-Magazin 03 / 1990, Seite 50

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