Alles inklusive: Digitales Tonstudio für Musikeinsteiger

Das »MIDI-Pack« besitzt alle wichtigen Komponenten für den Musikeinstieg

Der Einstieg in die MIDI- und Musikwelt muß für ST-Besitzer nicht unbedingt teuer sein. Das beweist die Berliner Firma Geerdes Midisystem Software. Wer keine Kompromisse eingehen will, steigt mit dem MIDI-Pack gleich »richtig« ein. Der Preis von 999 Mark erscheint auf den ersten Blick hoch, ist jedoch bei einer genaueren Betrachtung des Lieferumfangs günstig. Der schwarze Plastikkoffer enthält neben dem 24-Spur-Sequenzer »1st Track Version 2.0« noch drei Disketten der MIDI-Mix-Collection (fertige Songs im Sequenzerformat). Für Musik sorgt das leistungsstarke Expandermodul »SAM XP« des Herstellers Dream. Verbindungsprobleme lösen die Cinch-Audiokabel, das Netzteil und das 3 m lange MIDI-Kabel. Im Laufe dieses Artikels gehen wir näher auf die einzelnen Komponenten ein. Uns stand zum Test noch die französische Version zur Verfügung. Bis zum Liefertermin (ca. Februar 1990) wird auch eine deutsche Ausführung erhältlich sein.

Wie bereits erwähnt besteht das MIDI-Pack aus Hard- und Software. Die Hardwareseite besteht neben den Verbindungskabeln und dem Netzteil aus dem Expandermodul »SAM XP«, das für satten Stereosound zuständig ist. Bei dem Modul handelt es sich um einen Synthesizer ohne Tastatur, d.h. lediglich die tonerzeugenden Teile sind vorhanden. In der Regel verfügt ein Expander über mehrere Drucktaster zur Programmierung und zum Auswählen der Sounds. Nicht so der SAM XP. Erstaunlicherweise besteht der einzige Schalter am Gerät aus dem Netzschalter, die Programmierung nimmt man also komplett über MIDI-Befehle vor. Beispielsweise schalten Sie über die sog. »Program-Change«-Befehle zwischen den einzelnen Sounds um. An Anschlüssen zeigt sich SAM nicht kleinlich: Neben den Cinch-Ausgängen für Stereosound (L/R) bietet das Modul eine RS232-Schnittstelle zur schnellen Datenübertragung, beispielsweise vom Expander zu einem Computer. MIDI ist mit dem Triumvirat In, Out und Thru vertreten. Durch die Thru-Buchse eignet sich das Gerät also auch zur Integration in bereits vorhandenes MIDI-Equipment. Weiterhin findet sich der Anschluß für das mitgelieferte 9-V-Netzteil. Sämtliche Anschlüsse sowie der Netzschalter sind auf der Rückseite des braunen Moduls im Halb-19-Zoll-Format (185 x 160 x 45 mm) Auf der Vorderseite befindet sich lediglich eine schwarze lichtdurchlässige Blende mit dem Namen des Herstellers »DREAM«. Dahinter verbergen sich diverse Kontroll-Leuchtdioden (LEDs).

Das Expandermodul »SAM-XP« verfügt neben den MIDI-Buchsen über Stereo-Ausgänge und eine RS232-Schnittstelle

Die Leistungsdaten des kleinen Musikzauberkastens sind im Vergleich zu Synthesizern/Expandern der oberen Preisklasse beeindruckend: SAM-XP ist 10stimmig polyphon, d.h., der Expander spielt bis zu 16 Noten gleichzeitig. Diese 16 Stimmen kann der Anwender auf maximal acht Sounds verteilen, was einem echten Achtfach-Multimode entspricht. Im Extremfall ist also jeder Sound noch zweistimmig spielbar. Dabei ordnet man jedem Sound einen anderen MIDI-Kanal zu. In sog. »Patches« lassen sich beliebige Klangzusammenstellungen ablegen. Natürlich sind die 99 Werksklänge im Single-Modus auch einzeln spielbar.

Das Modul besitzt 99 Werksklänge inklusive drei Drumsets mit 30 Schlaginstrumenten. Diese Presets lassen sich frei auf den MIDI-Kanälen 2 bis 9 verteilen. Die Multi-Patches sprechen Sie über Kanal 1 an. Hier stehen an Presets 32 Split-und Layer-Sounds zur Verfügung. Sie können also sofort nach dem Anschließen Musik machen, ohne erst lange selbst Sounds zu programmieren. Die Werksounds befinden sich in einem ROM-Speicher, d.h. Sie können sie nicht versehentlich löschen. Eigene Klangkreationen legen Sie in vier RAM-Plätzen ab.

Bei den Preset-Sounds handelt es sich größtenteils um Samples (Samplingrate 44,1 kHz), die der eingebaute 2 x 16-Bit-Wandler in ausgezeichneter Klangqualität »in die Lautsprecher« bringt. Den Rauschanteil bezeichnen wir als gering (Rauschabstand > 80 dB). Der Frequenzgang beträgt 10 bis 20 kHz.

Dem MIDI-Pack liegt eine Liste mit den Preset-Klängen bei, ebenso die Notenbelegung der drei Drumsets, die übrigens kompatibel zum Roland MT-32 und D-110 sind. Damit Sie sich selbst von den Fähigkeiten des kleinen Zauberkastens überzeugen können, haben die Entwickler vier Demo-Songs im ROM des SAM-XP gespeichert.

Im MIDI-Pack finden Sie auch zwei Cinch-Verbindungskabel, über die Sie den Expander an eine Hi-Fi-Anlage oder ein Mischpult anschließen. Eine Kopfhörerbuchse besitzt SAM leider nicht.

Für die Verbindung ST - Expander liegt dem MIDI-Pack ein MIDI-Kabel bei.

Wem diese Demonstration durch die ROM-Songs nicht genügt, der startet am besten das Sequenzerprogramm »Ist Track« und lädt einen Song von den drei beiliegenden Disketten der MIDI-Mix-Collection. SAM-XP gibt die Songs eindrucksvoll wieder. In unserem Test-Paket befanden sich ein Klassik-Stück, einmal Ragtime sowie einmal Lambada, der aktuelle Tanzrhythmus aus Südamerika. Bei der MIDI-Mix-Collection handelt es sich um vollständige Songs im Sequenzer-Format, inklusive Schlagzeug und Melodiestimme. Sämtliche Arrangements wurden von Profimusikern eingespielt. Die Songs liegen auf jeder Diskette sowohl im Twenty-Four- als auch im Notator- und MIDI-Standardfile-Format vor.

Der Expander erweist sich als leistungsfähiges Werkzeug für Musiker und solche, die es noch werden wollen. Doch was nützt der beste Synthesizer-Expander, wenn der Musiker seinen Ideen nicht völlig freien Lauf lassen kann? Diesem Manko hilft das Sequenzerprogramm Ist Track ab, das dem MIDI-Pack in der brandaktuellen Version 2.0 beiliegt. Ist Track dient hier nicht ausschließlich als reiner Sequenzer, sondern auch als Kompositionshilfe.

1st Track ist das erste Sequenzerprogramm der Firma Geerdes und zielt vom Einzelverkaufspreis und der Ausstattung her eindeutig in den Hobby- und Amateurbereich. Dennoch bietet Ist Track vielversprechende Features wie beispielsweise die hervorragende Auflösung von 1/i536tel Noten, Locatorbetrieb, Cycle-Modus und verschiedene Quantisierungsstufen. Zur Nachbearbeitung — und Komposition — besitzt das Programm einen Noten- und MIDI-Event-Editor. Auf der übersichtlichen Hauptarbeitsseite sind alle Bedienungselemente in sinnvoller und einprägsamer Weise geordnet. Auf der linken Bildschirmhälfte befinden sich die 24 Spuren, jeweils mit den zugehörigen (änderbaren) Parametern wie z.B. Kanalnummer, Bezeichnung, Quantisierungswert, Anschlagstärke, Transposition und Schleife. Alle Einstellungen nehmen Sie für jede Spur getrennt vor. Unter den Spuren befinden sich zwei Zahlwerke, eine Echtzeituhr und ein Bandzählwerk in Taktangaben.

Die rechte Bildschirmhälfte dient als Bedienungsseite des Sequenzers. Neben den üblichen Tasten für die Tönbandsimulation (Start, Stop etc.) finden Sie hier auch die Nachbearbeitungsfunktionen. Zum Ändern der Werte klicken Sie die entsprechende Zahl an und tippen über die Zifferntasten den neuen Wert ein. Die »Bandsteuerung« ist auch über die Tastatur zu erreichen.

Der Sequenzer »1st-Track« liegt dem MIDI-Pack in der Version 2.0 bei

Per Knopfdruck gelangt man in den Noten- und MIDI-Event-Editor. Hier listet Ist Track sämtliche MIDI-Daten (Noten, Controller etc.) auf, allerdings nicht in grafischer Form, sondern als Text bzw. in Zahlenform. Dies scheint auf den ersten Blick etwas umständlich, mit der Zeit gewöhnt man sich jedoch daran. Hier können Sie nun schalten und walten, d.h. Werte ausfiltern, ersetzen, löschen, deaktivieren oder ändern.

Wollen Sie ein eigenes Musikstück entwerfen, so müssen Sie Ihre Musik über die ST-Tastatur eingeben — in Zahlen- und Buchstabenform. Sicher nicht der Idealfall. Hier empfiehlt sich die Anschaffung eines MIDI-Keyboards. Für erste Versuche oder Musik-Unkundige genügt diese Vorgehensweise jedoch durchaus. Nach dem Kauf des MIDI-Packs sind Sie in der Lage, eigene Musikideen zu verwirklichen bzw. andere Musikstücke auf Ihren Geschmack abzuändern.

Einen ausführlichen Testbericht über Ist Track lesen Sie im ST-Magazin, Ausgabe 6/89 auf Seite 140.

Was ist sonst noch mit von der »MIDI-Partie«? ln dem schwarzen Plastikkoffer finden sich noch einige Informationsblätter sowie eine genaue Bedienungsanleitung des Expanders. Und sonst ist man auch wunschlos glücklich. Das Konzept des MIDI-Packs von Geerdes ist ausgereift. Natürlich wendet sich das MIDI-Pack in erster Linie an Computeranwender und nicht an (Profi-)Musiker. Trotzdem ist es auch für Leute interessant, die ein MIDI-fähiges Keyboard (oder ein anderes MIDI-Instrument) zu Hause haben. Der Preis von knapp 1000 Mark ist wegen der reichlichen »Zutaten« akzeptabel. Haben Sie Lust bekommen, in die MIDI- und Musikwelt einzusteigen? Mehr als das MIDI-Pack brauchen Sie dazu nicht. (tb)

Wertung

Name: MIDI-Pack
Vertrieb: Geerdes
Preis: 999 Mark

Stärken: □ ausgereiftes Konzept □ alles Notwendige im Preis inbegriffen □ leistungsstarker Expander □ leicht bedienbarer Sequenzer mit vielen Funktionen

Schwächen: □ ungewohnte Noteneingabe beim Sequenzer — hier vermißt man ein MIDI-Keyboard

Fazit: Komplettpaket für MIDI- und Musikeinsteiger mit sehr gutem Preis-/ Leistungs-Verhältnis


Thomas Bosch
Aus: ST-Magazin 03 / 1990, Seite 142

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