Herbst-Comdex ’89 in Las Vegas: Die größte Computermesse in den USA

Bild 1. Der Atari-Laptop Stacy zierte auf der Comdex die Stände der MIDI- und Musikanbieter

Millionen bunter Lampen und Lichter, ein unüberschaubares Heer von Spielautomaten und die bekanntesten und größten Showstars aus aller Welt: So stellt man sich gemeinhin das Spielerparadies Las Vegas vor. Kaum zu glauben, daß dieses Treiben alljährlich im Herbst noch gesteigert wird. Vom 13. bis 17. November öffnete die Comdex als größte amerikanische Computermesse die Tore und verwandelte die Spielerstadt in ein Computer-Eldorado.

Atari zeigte in Las Vegas an Hardware neben dem TT und dem Stacy auch den Portfolio und die Wechselplatte Megafile 44. Als echte Neuheit wurde die endgültige TT-Tastatur dem breiten Publikum vorgestellt. Diese ist nun im Design, auf das TT-Gehäuse abgestimmt. Sie verfügt über einen festen Anschlag und die Tasten sind stärker abgeschrägt. Dadurch entspricht das Keyboard mehr einer PC- als einer ST-Tastatur. Auch sind die typischen ST-Funktionstasten verschwunden. Diese Sondertasten befinden sich oberhalb des Tastenfeldes und sind nun etwa doppelt so breit, aber nur halb so tief wie die normalen Tasten. Die neue TT-Tastatur sehen Sie in Bild 5.

Bild 2. Auf dem Atari-Stand herrschte reges Treiben

Um weitere Anteile am DTP-Markt zu gewinnen, bietet Atari ein komplettes postscriptfähiges Desktop-Publishing-System für weniger als 4400 Dollar an. Das Komplettsystem umfaßt einen Mega ST 4, den Atari-Laser SLM804 inklusive Ultrascript, einen Postscript-Interpreter und die 30-MByte-Festplatte »Megafile 30«.

Soft- und Hardwareentwickler konnten auch in Las Vegas ihre Produkte auf dem Atari-Stand präsentieren. Eigens aus Deutschland reiste die Firma Biodata an, um ihr Netzwerk in den fernen USA vorzuführen. IBP Gerätebau führte das seit der Düsseldorfer Atari-Messe bereits mehrfach sehr erfolgreich installierte Meßwerterfassungssystem auf der Basis des 190 ST vor. Auch die Firma Sack Elektronik war auf der Comdex mit ihrem PC-Speed vertreten. Die neue Treibersoftware spricht nun die ST-Maus als Microsoft-kompatible Maus an. Damit steht die Maus auch bei diesem MS-DOS-Emulator als Eingabemedium bei allen PC-Pro-grammen zur Verfügung, die die Microsoft-Maus unterstützen. Die neue Treibersoftware liegt ab sofort jeden PC-Speed bei.

Als weiteren Emulator zeigte Dave Small seinen Spectre GCR. Dieser Macintosh-Emulator liest und beschreibt im Gegensatz zu seinem Vorgänger auch original Mac-Disketten. Wir stellten den Spectre GCR bereits in der Ausgabe 1/90 des ST-Magazins ausführlich vor.

Desktop Publishing mit dem Atari ST war auf der Comdex überhaupt das Thema schlechthin. Michtron zeigte den »Fleet Street Pubhsher« in der Version 3.0. Dieses Programm kostet 399.95 Dollar. Als »Fleet Street Publisher Deluxe« wird das Programm mit »Ultrascript« ausgeliefert.

Die Weiterentwicklung des Publishing Partners, »Page Stream«, war am Stand der Soft Logic Publishing Corporation zu bewundern. Das amerikanische Softwarehaus Blue Chip International zeigte das Programm »Wordflair«. Dieser Dokument-Prozessor kostet 99.95 Dollar und vereinigt eine Textverarbeitung mit einer umfangreichen Datenbank. Doch damit nicht genug: Wordflair beherrscht auch das Rechnen im Text, und die Ergebnisse lassen sich in ansprechende Grafiken umsetzen. Mit Zeichenprogrammen entworfene Bilder oder gescannte Vorlagen stellen für Wordflair auch kein Hindernis dar. Durch die Kombination Textverarbeitung/Datenbank eignet sich dieses Programm besonders für Anwender, die häufig Serienbriefe verfassen.

Bild 4. Der MIDI-Sequenzer »Tiger Cub« bietet eine Auflösung von 1/384stel Noten und grafische Darstellung

»Touch-Up« nennt sich ein neues Pixel-Zeichenprogramm der Firma Migraph. Mit dieser einfach zu bedienenden GEM Applikation bearbeiten Sie Bilder und gescannte Vorlagen, die auch größer als ein physikalischer Bildschirm sein dürfen. Touch-Up-Bilder lassen sich als IMG-, IFF/ILBM-, TIFF-, GIF-, MacPaint-, Printmaster-, Degas- oder PCX-Format speichern. Weiterverarbeitet werden von diesem Zeichenprogramm neben den eben genannten Formaten auch Bilder im GEM-, Neochrome- und TNY-Format. Touch-Up unterstützt direkt den Migraph Handyscanner, auf Wunsch ist auch ein Treiber für den Canon IX12F-Scanner erhältlich.

Dr. T’s, nicht nur in den Staaten bekannt für hochwertige MIDI-Software, präsentierte die neue Version von »Tiger Cub«, einer Einsteigerversion des alten Tiger-Sequenzers. Zum Preis von knapp 200 Mark bietet er allen Einsteigern in die MIDI-Welt umfangreiche Bearbeitungsfunktionen. Tiger Cub bietet Real- und Steptime-Aufnahmen mit einer Auflösung von '^stel Noten. Selbstverständlich stellt es alle Standardfunktionen wie Conductortrack, Aufnahmen in Schleifen, Speichern von Instrumentengruppen, Solo, Stummschaltung und Gruppenbildung von einzelnen Tracks zur Verfügung. Besonders hervorzuheben sind sowohl die grafische Darstellung aller MIDI-Events als auch die traditionelle Notendarstellung.

Bild 3. »Dr. T« präsentierte den neuen Einsteiger-Sequenzer »Tiger Cub«

Bemerkenswert bei der grafischen Darstellung ist die Bildung von Notengruppen, die sich gemeinsam in einem musikalischen Parameter, z.B. die Tonhöhe, verändern lassen. Zusätzlich beeinflussen Sie die Geschwindigkeit oder die Lautstärke durch Zeichnen einer Gesamthüllkurve. Dabei fällt die volle Interaktionsfähigkeit des Programms auf.

Die meisten Veränderungen nehmen Sie bei laufendem Sequenzer vor. In Verbindung mit dem Dr. T’s-eigenen Multitaskingsystem MPE ist auch der parallele Betrieb mit Editor-Software vorgesehen. Über MIDI-Standardfile erlaubt Tiger Cub den Datenaustausch mit anderen Sequenzern nicht nur auf dem ST. Eine nahezu identische Programmversion ist auch für den Amiga erhältlich. Das Interesse an dem Programm war sehr groß. Wie uns Al Hospers, Geschäftsführer von Dr. T’s, mitteilte, spricht dieses Programm vor allem Einsteiger an. Durch Upgrades auf die größeren Sequenzersysteme wie Tiger oder KCS hält sich jeder den Aufstieg in die Profiklasse offen. Die Entscheidung der Firmen Dr. T’s, Atari USA und Roland, zukünftig auf amerikanischen Computer- oder Musikmessen gemeinsam aufzutreten, zeigte bereits auf der Comdex große Wirkung.

Der Musikcomputer-Trend geht in den USA eindeutig in Richtung Stacy. Auf jedem Stand, der sich mit Midi & Musik beschäftigte, waren ausschließlich Atari-Laptops zu sehen. Ob der Stacy auch auf dem deutschen Musikmarkt einschlägt, wird sich auf der CeBIT ’90 in Hannover zeigen.

Seymor/Radix führte in Las Vegas DVT, ein VCR Festplatten Backupsystem, vor. Über ein ROM-Modul wird der ST mit dem Videorecorder verbunden. Auf ein Band passen 360 MByte Daten, die mit 8 MBit pro Minute übertragen werden. DVT kostet 249,95 Dollar.

Das »View Touch«-Farbgrafik-Interface verspricht die Wende in der Gastronomie: Per ST-Monitor und Lichtgriffel stellen Sie sich Ihr individuelles Menü direkt am Computer zusammen. Die Gastronomie ist selbstverständlich nur ein Einsatzgebiet des View Touch. Die gleichnamige Firma entwickelt nämlich für alle nur möglichen Märkte Applikationen und bietet für Entwickler umfangreiche Sourcecode-Bibliotheken an.

Auch Aufrüstsätze für »normale« STs waren auf der Comdex zu sehen. »Turbol6« von Fast Technology ist eine Platine mit einem 16-MHz-Prozessor und einem 32-KByte-Hoch-geschwindigkeits-Cache-RAM. Die Beschleunigungskarte läßt sich über einen Schalter oder über ein Accessory an- und abschalten. Der Hersteller verspricht eine Geschwindigkeitssteigerung von bis zu 100 Prozent. Turbo 16 kostet 299,99 Dollar.

Bild 5. Die endgültige Tastatur des Atari TT ist im Design auf das TT-Gehäuse abgestimmt

99,95 Dollar kostet das Beschleunigungsboard »J.A.T.O.« der Firma John Russell Innovations, das ebenfalls einen mit 16 MHz getakteten MC 68000 läuft. Neben J.A.T.O. zeigte diese Firma auch zwei Genlock-Systeme. Das erste wird direkt in einen Mega ST eingebaut und benötigt deshalb keine eigene Stellfläche. Es ist für 650 Dollar erhältlich, die VHS-Version kostet 100 Dollar mehr. Beim zweiten Modell handelt es sich um ein eigenständiges Gerät für den neuen STE, das über den Monitorstecker mit dem Computer verbunden wird. (uh)


Ulrich Hofner
Aus: ST-Magazin 02 / 1990, Seite 6

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