Einsteigertips: »Dezentralisierte Sicherheitskopien«

Raubkopieren ist strafbar, das weiß jeder. Wenn wir ein Programm wegen der schnelleren Ladezeiten auf Festplatte kopieren, fertigen wir eine sogenannte Kopie an. Aber handelt es sich dabei gleich um eine Raubkopie?

Spielen wir einmal folgende Situation durch: Wir betreten ein Computerfachgeschäft und lassen uns das brandaktuelle universelle Textverarbeitungssystem »4th Word« vorführen. Das Programm gefällt uns, wir nehmen es dem freundlichen Händler aus der Hand und marschieren zur Kasse. Indem wir bezahlen, kaufen wir allerdings nicht etwa das Programm selbst, sondern lediglich ein Nutzungsrecht an der Software plus einer Kopie des Programms sowie ein Handbuch. Die Kopie des Programms nehmen wir mit nach Hause. Sie bzw. Ihr Datenträger wird von nun an automatisch als »Original« bezeichnet.

Zuhause stören uns bereits nach kurzem die atemberaubenden Ladezeiten von über zwei Minuten für alle RSCund RCS-Dateien. Also kopieren wir »4th Word« auf die Festplatte. Glücklicherweise stellt der Hersteller diesem Vorhaben keinen Kopierschutz entgegen. Die Textverarbeitung läßt sich auch von der Festplatte problemlos starten.

Indem wir »4th Word« auf die Harddisk kopiert haben, haben wir eine sog. Kopie angefertigt. Handelt es sich jetzt um eine illegale Raubkopie? Nein. Wir geben die Kopie ja nicht an einen Freund weiter, sondern arbeiten ausschließlich selbst damit. Der Hersteller gestattet uns, von der Originaldiskette Kopien zum persönlichen Gebrauch anzufertigen. Nur noch wenige Programme (z.B. Spiele) sind heute mit einem Kopierschutz ausgestattet, der den Anwenderkomfort meistens beeinträchtigt.

Nachmittags kommt ein guter Freund zu Besuch. Er hat sich heute einen Atari ST gekauft und ist nun auf der Suche nach einer guten Textverarbeitung. »4th Word« soll angeblich ganz gut sein. »Du brauchst doch nicht teures Geld auszugeben, ich habe das Programm hier. Warte einen Moment, ich ziehe Dir schnell eine Kopie davon.«

Stop! So geht's nicht! Wenn wir unserem Freund das Programm kopieren und ihm die Software mitgeben, machen wir uns strafbar. In diesem Fall haben wir nämlich unbestreitbar einen Raubkopie angefertigt. Kopien sind nur zum persönlichen Gebrauch erlaubt. Wer Kopien weitergibt, macht sich strafbar. Unter Raubkopierern werden Raubkopien manchmal scherzhaft als »dezentralisierte Sicherheitskopien« bezeichnet.

Wie sich legale Kopien in illegale verwandeln

Von Sicherheitskopie (Backup) kann dann allerdings nicht mehr die Rede sein. Eine Sicherheitskopie fertigen wir an, weil wir nicht riskieren wollen, daß unser teures Original durch einen Virus oder dejustierten Schreib-/Lesekopf beschädigt und damit unbrauchbar wird.

»Na, dann kopiere ich mir jetzt das Programm, arbeite mit der Sicherheitskopie und verkaufe mein Original.« So geht's leider auch nicht. Besitzen Sie kein Original mehr, wird die legale Sicherheitskopie automatisch zur illegalen Raubkopie.

Eine andere Situation: Drei Jugendliche besitzen jeder einen Atari ST und möchten sich zusammen das Spiel »Populous« kaufen. Sie gehen zum Computerhändler und erstehen ein Original des Programms, das genau 60 Mark kostet. Jeder Jugendliche zahlt 20 DM. Zuhause wird die Originaldiskette kopiert und jeder erhält eine Kopie. Das Los entscheidet, wer das Original behalten darf. Damit bewegen sie sich auf illegalen Pfaden. Die Tatsache, daß alle drei die Software gemeinsam bezahlt haben, berechtigt noch lange nicht zum Kopieren des Programms. Genaugenommen haben die Jugendlichen das Nutzungsrecht an einem Programm erworben, nicht aber an drei Programmen. Nur wer das Original besitzt, bleibt legal. Die Kopien sind normale Raubkopien.

»Aber die Softwarefirmen zwingen mich ja nahezu zum Kopieren der Programme. Die hohen Preise von 50 bis über 100 Mark bei Spielen und 70 bis über 800 Mark bei Anwendersoftware kann ich mir nicht leisten.« Das ist kein Argument, das für das Raubkopieren spricht. Hauptsächlich Jugendliche greifen gerne auf diese Ausrede zurück, wenn sie beim Raubkopieren erwischt werden. Kein Gericht der Welt akzeptiert dieses Argument. Mit der Software ist es genauso wie mit den restlichen Gütern unserer Wirtschaft: Was man nicht bezahlen kann, kauft man nicht.

Warum sind Originalprogramme so teuer? Eine oder zwei Disketten, ein Handbuch, vielleicht noch ein bunt bedrucktes Poster - der Gesamtwert liegt nicht über 25 Mark. Dabei haben diese Dinge noch längst nichts mit der Hauptsache zu tun - dem Programm selbst. In jedem Programm - egal ob Spiel oder Anwendung - steckt viel Arbeit. Einer oder mehrere Programmierer haben meist wochenlang gearbeitet, um Ihnen ein funktionstüchtiges, leistungsstarkes Programm zu bieten. Auch der Werbeaufwand für das neue Programm kostet Geld.

Diese Programmierer wollen auch leben, sie wollen für ihre Arbeit belohnt werden. Manchmal lebt ein Programmierer sogar ausschließlich vom Erlös seiner Software. Jede Kopie, die von einem Programm in Umlauf gerät, schädigt den Hersteller. Bezahlen muß den Schaden meist der ehrliche Anwender, der einen teuren (Auf)Preis auf den Ladentisch legt.
Softwarefirmen gehen hart gegen ertappte Raubkopierer vor - zu Recht. Nicht selten zahlt ein ehemaliger Raubkopierer jahrelang seine Schulden (den entstandenen Schaden) bei einer Firma ab. Also, Finger weg von unerlaubten Kopien. Unwissenheit schützt nicht vor Strafe. (tb)


Thomas Bosch
Aus: ST-Magazin 01 / 1990, Seite 104

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