Chambers of Shaolin - Nahkampf unterm Weihnachtsbaum

Hang Foy Qua sieht keine Chance. Sein Heimatdorf leidet unter japanischer Besatzung, Bewohner landen wahllos im Kerker, auch seine Schwester kämpft in den dunklen Verliesen der kaiserlichen Armee um ihr Überleben. Es wäre ein ungleicher Kampf geworden: Hang Foy Qua, jung und unerfahren, gegen eine ganze Armee. Doch Hang ist nicht allein. Monatelang zieht er durch Tibets unwirtliche Bergwelt, nimmt Hunger, Kälte und Strapazen auf sich, bis er das entlegene Ziel seiner Suche erreicht:

Die Pagode der Erkenntnis. Und tatsächlich kennt der weise Priester die Lösung, mit der Hang Foy Qua seine Schwester aus den Fängen der Japaner rettet: Shaolin!

Alles Böse wendet sich zum Guten, und Frieden kehrt in Hangs zerrütteter Heimat ein, sobald ein Mensch die Kammern von Shaolin bezwungen hat und eine Reihe ausgesuchter Kämpfer besiegt.

Training für Körper und Geist

Klar doch, daß in diesem Drama kein anderer die Hauptrolle übernimmt als Sie. In sechs fernöstlichen Disziplinen stählen Sie die körperlichen und spirituellen Fähigkeiten Ihres Helden. Erst nach dem Ende des Kammerspuks muß sich Ihr auf diese Weise qualifizierter Charakter den gefährlichen japanischen Kämpfern stellen.
Auch wenn die Idee eines Karatespiels kaum mehr originell ist: Sorgfältiges Spiele-Design, brillante technische Umsetzung sowie Grafik-Animation in Trickfilm-Qualität machen die »Chambers of Shaolin« der Gütersloher Newcomer Thalion Software zu unserem Spiel des Monats.

Im Gegensatz zu anderen Prügelspielen heißt es bei Shaolin nicht gleich draufschlagen. Denn vor der eigentlichen Konfrontation mit den japanischen Kämpfern liegt es an Ihnen, in sechs Etappen überlebenswichtige Kampftechniken zu erlernen. In jeder Lektion kommt es nicht auf Joystick-Akrobatik in Form zahlloser Schlagvarianten an, vielmehr stehen schnelle Reaktion und ein gutes Auge auf der Probe. So weichen Sie in der »Kammer des Bo« im letzten Moment dem gezielten Lattenschlag Ihres Trainers aus, springen in der »Kammer der Balance« im rechten Augenblick von schwankenden Pfählen oder versuchen, in der »Kammer des Feuers« heranfliegende brennende Gefäße von einer Brücke zu treten. Ihr Geschick in jeder der sechs Disziplinen summiert sich zu einer Gesamtwertung, von der Ihre Kampfstärke in der anschließenden Hauptrunde abhängt. Nur wer gut trainiert, hat eine Überlebenschance.

Denn jetzt geht der Kampf erst richtig los. Und obwohl zwölf verschiedene Manöver erlaubt sind, macht Ihr Kämpfer dank des überlegten SpieleDesigns dann tatsächlich das, was Sie wollen. Ein wenig Übung gehört aber schon dazu. Auch beim Kammertraining wird so manche Stunde verstreichen, bis Sie sich eine halbwegs aussichtsreiche Konstitution antrainiert haben. Dafür belohnen Sie audiovisuelle Leckerbissen und technische Zaubertricks in allen Phasen des Spieles. Dazu gehören die fließende Animation ebenso wie die liebevoll gezeichneten Hintergründe, die lupenrein digitalisierte Titelmusik mit Ohrwurm-Charakter sowie vier unterschiedliche Soundtracks, teilweise mit digitalisierten Instrumenten.

Nur am Rande seien technische Delikatessen erwähnt wie die durchgehend flackerfreie Grafik, die nie mit RasterInterrupts geizt. Oder 56 Bildschirmzeilen mehr als die, die der ST normalerweise erlaubt, oder das neuartige »Sync-Scrolling«. Damit haben die Thalion-Programmierer eine Methode gefunden, die beliebiges Scrolling nahezu ohne Verlust von Rechenzeit erlaubt. Eine Fähigkeit, die bisher dem Amiga vorbehalten war.

»Chambers of Shaolin« ist in jeder Hinsicht wohlkonzipiert und auf maximale Kurzweil programmiert. Wer »Summer Games« unterhaltsam fand und auch sonst vor einer Art »China Olympics ohne Ecken« nicht zurückschreckt, sollte sich zum Fest diese »schöne Bescherung« gönnen. (tb)

Chambers of Shaolin
Preis:ca. 70 DM
Hersteller:Thalion Software
Funktioniert mit:
Monochrom:nein
Farbe:ja
Blitter-TOS:ja
Stärken: Spielbarkeit, Grafik und Animation, technische Umsetzung, Musik
Schwächen: Spielidee nur mäßig originell
Fazit: sehr unterhaltsames Karate-Spiel für lange Winterabende

Tarik Ahmia



Aus: ST-Magazin 01 / 1990, Seite

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