Melody Maker: Der Sound, der aus dem ROM-Port kam

Westentaschensynthi, das war das erste, was uns zu dem kleinen ROM-Port-Modul von Hybrid Arts einfiel. Der »FM Melody Maker ST« ist eine Hard- und Softwarekombination, die aus der FM-Soundcartridge und entsprechender Treibersoftware besteht. Die Hardware stecken Sie zunächst in den ROM-Port des SU und verbinden dann die beiden Chinchbuchsen des Moduls mit Ihrer Stereoanlage oder einem anderen Verstärker.

Die Software läuft sowohl im Schwarzweiß- als auch im Farbmodus und verwandelt den Melody Maker in einen Sequenzer mit integrierter Begleitautomatik, der über die eingebaute Klangerzeugung Musik wiedergibt. Um das Ergebnis vorwegzunehmen: Das Kästchen ist schlicht die Wucht. Ideal für alle, die sich mit Musik beschäftigen wollen, ohne ihre Nerven dem eingebauten Soundchip und den Inhalt ihres Geldbeutels teurem MIDI Equipment zu opfern. Der Melody Maker ist im Prinzip ein Preset-Synthesizer mit insgesamt 78 verschiedenen Sounds, die von Flötenüber Bläser- und Streicherklängen bis zur gelungenen Imitation von Orgel und Baßstimmen reichen. Dazu stehen als Begleitung 16 verschiedene Arrangementtypen zur Verfügung. Vom Pop über den Reggea bis zum Swing oder Bluegrass findet hier jeder etwas nach seinem Geschmack.

Verschiedene Beispielstücke zeigen die Leistungsfähigkeit des Paketes und bieten gleichzeitig einen einfachen Einstieg in die Bedienung der Software. Die Musik ist einfach strukturiert. Melody Maker akzeptiert immer nur eine Melodiestimme und die Angabe entsprechender Akkorde. Dazu wählen Sie aus den vorgegebenen Begleitmustern, »Accompaniments« genannt, das Passende aus. Die Software sorgt nun für ein sinnvolles Arrangement im entsprechenden Musikstil. Dabei stehen entweder neun FM-Kanäle oder sechs FM-Kanäle und fünf Schlagzeugkanäle zur Auswahl. Über jeden FM-Kanal steuern Sie eine Stimme des Expanders an. Dabei dürfen alle Stimmen mit unterschiedlichen Klängen belegt sein. Die entsprechenden Einstellungen nehmen Sie über den Menüpunkt »FM Expander« vor.

Die Einstellungen sind wie auch die gesamte Bedienung des Programms problemlos, da vollständig GEM gesteuert. Das ist in den meisten Fällen praktisch, wird jedoch bei der schnellen Eingabe von Noten lästig. Um die Fähigkeiten des Sequenzerteils zu verdeutlichen, betrachten wir nun einmal eine typische »Aufnahmesitzung«. Nach dem Start des Programms ist der Sequenzer leer. Drücken Sie auf »Play«, so rührt sich nichts. In der Mitte des Bildschirms sehen Sie eine Zeile mit Notenwerten und einem Pausenzeichen ganz rechts. Klicken Sie auf das Pausenzeichen, und das Programm zeigt die erlaubten Pausenwerte anstelle der Noten. Wählen Sie nun das Zeichen für die »Ganze Pause«. Es ist das vierte Zeichen von links. Es erscheint umrandet. Klicken Sie jetzt viermal hintereinander in die Notenlinien, es erscheinen die vier Pausen, abgeteilt durch Taktstriche. Mit dieser Art der Auswahl von Noten-, Pausenzeichen und allen anderen Angaben komponieren Sie Ihre Stücke.

Doch zurück zu unserem Beispiel. Im Feld mit den Notenlinien sehen Sie eine große Klammer über und unter dem Notensystem. An dieser Stelle fügen Sie jeweils ein neues Zeichen ein. Der Rollbalken unter dem Fenster bewegt diese Klammer und damit die aktuelle Eingabeposition. Bewegen Sie die Klammer an den Anfang der vier Takte. Klicken Sie nun auf das Feld mit dem Akkordbuchstaben, links unter der Noten-/Pausenzeile. Dadurch fügen Sie einen C-DurAkkord in den ersten Takt ein; erkennbar am Buchstaben »C« unter der Notenlinie. Bewegen Sie nun die Klammer zum nächsten Takt und geben einen weiteren Akkord ein. Wiederholen Sie diesen Vorgang, bis alle vier Takte mit einem C-Dur-Akkord gefüllt sind. Klicken Sie auf »Play«, und Ihr erster Song ertönt im poppigen Rhythmus.

Leider ist nach vier Takten schon alles vorbei. Um das Stück immer zu wiederholen, sind zwei weitere Angaben erforderlich. Klicken Sie auf das schwarze Feld für die Sonderzeichen. Es befindet sich neben dem Feld für die Akkorde. Daraufhin öffnet das Programm ein Fenster mit dem Namen »Repeater Selector«, also Wiederholungszeichen. Fügen Sie an den Anfang der vier Takte das zweite Zeichen von rechts ein und an das Ende der vier Takte das vierte Zeichen von links. »Exit« schließt jeweils das Fenster und erlaubt den Zugriff auf die Klammer für die aktuelle Position. Stehen die Zeichen richtig, dann wiederholt der Melody Maker die vier Takte immer wieder, bis Sie auf »Stop« klicken.

Diese etwas umständliche Beschreibung ohne musikalisches Fachvokabular soll zeigen, daß nicht unbedingt eine Musikausbildung Voraussetzung zum Bedienen des Programms ist. So bekommen auch Nichtmusiker einen leichten Einstieg in das Reich der Klänge.

Sicher, die immer gleichen vier Takte sind auf die Dauer langweilig. Verändern wir daher zunächst das Akkordeinerlei.

Bringen Sie die Klammer auf den zweiten Takt und klicken einmal auf den Papierkorb. Das »C« ist verschwunden. Wählen Sie nun das schwarze Feld für die Akkorde, klicken im Kasten »Notes« auf »A« und im Kasten »Types« auf »m«. Exit schließt wieder die Auswahl. Wählen Sie nun »Am« als Akkordsymbol an. Das Programm ergänzt jetzt im zweiten 'Pakt diesen A: Moll-Akkord. Setzen Sie im dritten Takt ein »F« (Im Feld Types bitte »M« wählen, das steht für DurAkkord) und im vierten 'Pakt ein »G7«. Damit erhalten Sie eine musikalisch sinnvolle Akkordfolge, ein sogenanntes »Turnaround«, wie es auch vielen Liedern und Songs zugrundeliegt.

Jetzt klingt unser Song schon sehr viel besser und abwechslungsreicher als vorher. Richtig spannend wird es, wenn Sie nun die Begleitmuster verändern. Wählen Sie der Reihe nach alle 16 Arrangements an. Sie merken sehr deutlich, wie sich die musikalische Struktur des Songs verändert. Spielen Sie nun auch mit den Klangeinstellungen und mit der Lautstärke. Die Klänge der Begleitung verändern Sie über das Feld mit der Trompete, Gitarre und der Klaviatur. Die Lautstärke wählen Sie über das Feld »Mixer«. Diese Einstellungen sind auch in Realtime erreichbar.

Natürlich fehlt dem Hit noch die Melodie. Da ist Ihrer Fantasie kaum eine Grenze gesetzt. Der Melody Maker besitzt einen großen Tonumfang, die Töne lassen sich in Halbtonschritten oder Oktaven nach oben oder unten transponieren. Auch verschiedene Tonarten und selbstverständlich alle gängigen Taktarten sind darstellbar. Zur Gesamtgliederung sind alle Formen von Wiederholungen und Klammern vorhanden.

Der Melody Maker bietet noch eine Reihe weiterer interessanter Funktionen. Dazu gehört die volle MIDI-Unterstützung über die MIDI-Buchsen des ST Der Expander läßt sich über eine anschlagdynamische 'Iästatur dynamisch spielen. Die Software zeichnet das Spiel auf und bietet somit Realtime Recording. Die Stimmen des Sequenzerteils sind über MIDI auch aus dem ST herausgeführt. Möchten Sie also die Schlagzeugsounds nicht über den Melody Maker, sondern über einen externen Drumcomputer wiedergeben, ist das problemlos zu realisieren. Auch die Begleitstimmen steuern externe MIDI-Geräte an. Der Melodie Maker verliert auch in einem größeren MIDI-System nicht den Sinn, wenn man mit den einfachen Sequenzermitteln auskommt.

Sehr interessant für Rhythmusfreunde ist der eingebaute Drumeditor. Hier arrangieren Sie auch komplizierte. Rhythmen in einer einfachen Matrix und fügen die Pattern zu vollständigen Rhythmusspuren zusammen. Der Melody Maker läßt sich von Programmen ansprechen und ist somit optimal für die Untermalung von Spielen geeignet. Das technische Handbuch und die notwendigen Quellcodes sind auf Anfrage bei Hybrid Arts erhältlich. Die einfache Bedienung macht ein Handbuch eigentlich überflüssig. Wer ein wenig neugierig mit den verschiedenen Befehlen des Programms in des Wortes bester Bedeutung »herumspielt«, findet sich sehr schnell zurecht. Trotzdem gibt es einige Hilfstexte, die im Programm integriert sind. Besonders lobenswert: Die Texte stehen wahlweise auf Deutsch, Englisch oder Französisch zur Verfügung.

Für Einsteiger in die Musikwelt ist der Melody Maker zur Zeit die beste Entscheidung. Die 299 Mark für diesen Mini-Synthi sind vollauf gerechtfertigt. Nach häufiger Benutzung werden zwar einige Wünsche wach wie Tastatureingabe oder Editieren der Expanderklänge. Auch eine Anbindung an weiterführende Sequenzersoftware steht inzwischen auf unserer Wunschliste. Die Hardware ist leistungsfähig genug für solche Erweiterungen, warten wir also gespannt auf einen Melody Maker II. Bis dahin jedoch haben wir noch viel Spaß mit dem Sound, der jetzt schon aus dem ROM-Port kommt. (Wolfgang Klemme)

Hybrid Arts, Eschborner Landstr. 99-101, 6000 Frankfurt a.M. 90

Frequenzmodulation

Frequenzmodulation ist eine Form von Klangsynthese, die in vielen Synthesizern Verwendung findet. Sie beruht auf der Verrechnung mehrerer Schwingungen zu einer Gesamtschwingung. Die unterschiedlichen Frequenzen und Klangfarben der Teilschwingungen mischen sich zu einem sehr komplexen und natürlich klingenden Ergebnis.

Wertung
Name:Melody Maker
Preis:299 Mark
Hersteller:Hybrid Arts

Stärken:
- sehr guter Klang
- einfache Bedienung
- viele-Einstellungen
- gute MIDI-Implementation
Schwächen:
- keine Tastatureingabe
- arbeitet noch nicht mit anderen Sequenzern zusammen
Fazit: Der optimale Einstieg in die Welt der (MIDI-)Musik mit dem ST


Aus: ST-Magazin 12 / 1989, Seite 143

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