Diskus, ein Diskettenmonitor der besonderen Art

Schon lange, bevor die erste Textverarbeitung auf dem Atari ST Briefe schrieb oder die erste Tabellenkalkulation Bilanzen zog, rückten Diskettenmonitore den externen Datenspeichern des ST auf den Leib. Schon wenige Wochen nach Erscheinen des neuen Atari ST boten verschiedene Softwarehersteller mehr oder weniger gute Produkte an, mit denen man seinen Disketten auf die Spur kommen konnte.

Leider erreichten diese Programme nie den Standard, den entsprechende Tools auf anderen Betriebssystemen längst innehatten. Kein Wunder also, daß das angegraute Michtron-Programm »Mutil« auch heute noch zu den beliebtesten Diskmonitoren gehört.

Mit »Diskus« der Firma CCD schickt sich jetzt ein neuer Kandidat an, die Disketten- und Festplatten-Welt des ST gründlich umzukrempeln. Zum 'Ist stand uns eine Vorabversion zur Verfügung, die bereits über den kompletten Funktionsumfang der Endversion verfügte, jedoch noch mit geringfügigen Mängeln behaftet war.

Komfortabel und bedienerfreundlich

Zum Lieferumfang gehört ein ausführliches Handbuch, das umfassend in die gewaltige Funktionsvielfalt des Programmes einführt. Darüber hinaus informiert der zweite Teil des Handbuches den DiskusBenutzer kompetent über die Grundzüge der Dateiverwaltung des ST Betriebssystems TOS und über die Aktionen von Diskus bei »Reparaturarbeiten« im Störungsfalle.

Eine Besonderheit stellt das auf der Programmdiskette mitgelieferte Installationsprogramm dar, das die einzelnen Diskus-Funktionen wahlweise aus- oder einschaltet: Mit seiner Hilfe lassen sich spezielle Programm Versionen für verschiedene Anwendungen komponieren und auf Datenträger speichern.

Nach Starten von Diskus erscheint ein Desktop mit einem Fenster und einer Menüleiste. Das Fenster zeigt den logischen Sektor 0 des aktuellen Laufwerks an. Unter und neben dem Fenster befinden sich mehrere Wahlknöpfe zur Auswahl verschiedener Programmfunktionen. So lassen sich beispielsweise Bootsektor, FAT 1, FAT 2 und Directory direkt anspringen.

Diskmonitore der herkömmlichen Art kennen gewöhnlich zwei verschiedene Bearbeitungsmodi. Im ersten Modus greift der Diskettenforscher sektorweise entsprechend der physikalischen Sektorfolge auf das Dateisystem zu. Der zweite Modus erlaubt das Editieren von Dateien im Binärmodus. Auch im Binärmodus greift der Monitor auf die Sektoren zu, folgt dabei jedoch der logischen Sektorfolge einer Datei.

Diskus geht darüber hinaus. Das Programm erkennt unmittelbar, ob der im Fenster angezeigte Sektor Bestandteil einer Datei oder eines Unterverzeichnisses ist. Diskus speichert nämlich die FAT (File Allocation Table) des aktiven Laufwerkes im RAM. Der Benutzer hat jederzeit die Wahl, zum nächsten physikalischen Sektor des Mediums (Festplatte, Diskette oder RAM-Disk) oder zum nächsten logischen Sektor der zugehörigen Datei zu springen. Das Programm benötigt dank dieses Verfahrens keine separaten Datei- und Sektorzugriffe, sondern bietet eine sehr komfortable Symbiose zwischen beiden Modi.

Zu den Alpträumen eines jeden Computeranwenders gehört die Angst vor dem Datenverlust. Wer stand nicht schon einmal vor dem Desaster, seine wichtigste Diskette zumindest teilweise gelöscht zu haben. Oft sind in solchen Fällen lediglich die Daten des Bootsektors oder der FAT ins Computer-Nirwana übergetreten. Diskus kann viele solcher Unfälle einem Happy-End zuführen.

Hat man erst einmal die Datensektoren auf Diskette oder Festplatte lokalisiert, läßt sich mit Diskus der logische Sektorpfad wiederfinden und in die FAT eintragen. Anschließend erzeugt man einen leeren Directoryeintrag und läßt diesen auf den ersten gefundenen Datensektor zeigen. Zugegeben, es gehört eine gute Portion Fachkenntnis dazu, komplexe Restaurationen erfolgreich durchzuführen. Einfacher als nach der »Zu Fuß«Methode der Superexperten geht es aber mit Diskus allemal.

Wer auf seinen Disketten nur ein wenig »schnüffeln« möchte, ist mit Diskus ebenfalls bestens bedient. Auf Tastendruck erhalten Sie zum Beispiel eine Übersicht über die FAT Befindet sich im Arbeitsfenster ein FAT oder ein Directory-Sektor, so zeigt Diskus nach Klick mit der rechten Maustaste die Informationen im Klartext an.

Startsektor sowie Uhrzeit und Datum der Dateierzeugung brauchen Sie dank dieser Funktion nicht mehr selbst zu berechnen. Bei jedem FAT Eintrag sagt Ihnen Diskus, zu welchem Cluster er gehört und welcher Cluster - sofern vorhanden - folgt.

Diskus schafft HDX 30-Sektoren

Mit einem Doppelklick auf einen solchen FAT Eintrag lädt Diskus den entsprechenden Cluster und zeigt ihn im Arbeitsfenster an. Ein Doppelklick mit der rechten Maustaste veranlaßt Diskus, den Cursor auf den nächsten FAT Eintrag zu positionieren. So arbeiten Sie sich durch den »Datenwüst« einer FAT, ohne mit Taschenrechner und Papier herumrechnen zu müssen.

Für die normale Arbeit mit Disketten bietet Diskus weitere Schmankerl an. So lassen sich beim Formatieren neben den üblichen Parametern wie Anzahl der Tracks, Sektoren pro 'ack und Interleave-Faktor zusätzliche Einstellungen vornehmen.

Große Bedeutung hat der sogenannte Spiralisierungs-Faktor, den auch der Desktop des neuen TOS 1.4 einsetzt. Eine Spur beginnt nun nicht mehr stets an derselben Stelle auf der Diskette, sondern ist um einen Wert - normalerweise 3 - versetzt. Bei einem Spurwechsel befindet sich der Lesekopf genau über dem Spuranfang der nächsten Spur. Dadurch läßt sich ein Geschwindigkeitszuwachs im Datenaustausch mit Disketten von bis zu 80 Prozent erreichen.

Reichen diese Parameter nicht, bietet Diskus dem Anwender die (fast) vollständige Kontrolle über die Formatierung. Spezielle Werte, wie Größe der Sektoren, Füllbytes oder GAPBytes sind einstellbar. Umfangreichen Experimenten mit den »geliebten Scheiben« steht also nichts mehr im Wege. Zur Kontrolle der Resultate zeigt Diskus komplette Spuren mit allen Zwischenräumen an.

Natürlich kennt sich Diskus bestens mit Festplattenstationen aus, dem wichtigsten Massenspeichermedium der STs. Nach Initialisierung eines eigenen Festplatten-Treibers legt Diskus die Sektoren der Festplatte auf den Operationstisch des fähigen »Festplatten-Chirurgen«.

Das Programm unterstützt dabei nicht nur Atari-kompatible Geräte, sondern auch Lösungen mit einem OMTI-Controller. Da man die notwendigen Kommandos vordefinieren kann, lassen sich die meisten auf dem Markt erhältlichen Festplatten-Laufwerke ansteuern. Wohlgemerkt, hier geht es ausschließlich um die direkte physikalische Ansteuerung. Logisch verwaltet Diskus jedes Speichermedium, das der ST über ins Betriebssystem eingebundene Treiber anspricht.

In der direkten Ansteuerung lassen sich der Rootsektor bearbeiten, beliebige Sektoren lesen und schreiben, Informationen des Speichermediums abfragen, die Platte parken und sie partitionieren. Die Partitionierungs-Funktionen besitzen eine besondere Fähigkeit. Mit Hilfe von Diskus bleiben bei einer Umpartitionierung die Daten auf den unveränderten Partitionen erhalten. Daten auf veränderten Partitionen gehen natürlich auch mit Diskus verloren.

Leider müssen wir Diskus als einziges Manko Mängel bezüglich der Bedienung von Festplatten ankreiden. Die sonst so komfortable Benutzer-Oberfläche unterstützt den absoluten Modus nur unzureichend. Zum absoluten Lesen oder Schreiben eines Sektors ist jedesmal zunächst der betreffende Menüeintrag im Pull-Down-Menü anzuwählen.

Festplatten-Profis vermissen eventuell eine »Spielwiese« für den DMA Bus. Es ist wünschenswert, zur Diagnose von Festplatten-Laufwerken SCSI-Kommandos an die Festplatte zu schicken. Dafür wartet Diskus mit anderen Fähigkeiten auf. So muß man lange nach einem Diskmonitor suchen, der die großen Sektoren des neuen Atari-Festplatten-Formates seit HDX 3.0 verarbeitet. Wahre Superwerkzeuge von Diskus verbergen sich im Pull-Down-Menü »Spezial«. Hier stehen Befehle zur Restauration von Dateien und Directories. Sogar ein zerstörter Rootsektor der Festplatte läßt sich automatisch wieder rekonstruieren, wenn man zuvor die Bootsektoren der einzelnen Partitionen mit Diskus markiert.

Ein weiterer Menüpunkt beschäftigt sich mit dem Test der gespeicherten Daten. Bei einer Überprüfung des Dateisystems der Festplatte sucht Diskus nach Fehlern oder defekten Sektoren.

Besondere Stärken legt das Programm beim Optimieren von Dateisystemen an den Tag. So fügen Sie Directories zusammen, indem Diskus die sogenannten »Dateileichen«, die gelöschten Einträge, entfernt. Die Directory-Anzeige im Desktop beschleunigt sich merklich.

Programme zur Optimierung von Datenclustern auf Diskette oder Festplatte sind auf dem ST Softwaremarkt noch sehr spärlich vertreten. Eine Optimierungs-Software, die mit logischen Sektoren von mehr als 512 Byte Länge arbeitet, findet man außer in Diskus' nirgendwo. Die Clusteroptimierung sorgt dafür, daß sich die logische Sektorfolge in den Dateien lückenlos an die physikalische Sektorfolge des Speichermediums hält.

Durch regelmäßige Anwendung der Optimierung vermeiden Sie zuverlässig die Zersplitterung von Dateien auf weit entfernte Sektoren oder Spuren. Vor allem bei alten TOS Versionen ist nach der Optimierung ein deutlicher Zuwachs der Verarbeitungsgeschwindigkeit zu vermerken. Wer nicht sicher ist, ob sein Medium eine solche Auffrischung nötig hat, läßt sich von Diskus den Grad der Zersplitterung berechnen und anzeigen.

Als letzten Diskus-Menüpunkt stellen wir Ihnen die Funktion »Medium kopieren« vor. Sie kopiert sektorweise ein beliebiges Medium auf ein anderes Medium. Bei unterschiedlichen Kapazitäten von Quell- und Ziel-Partition paßt Diskus die Directories und FAT's an.

Wir konnten hier nur einen kleinen Ausschnitt aus dem komplexen Funktionsangebot von Diskus aufzeigen. Mit Diskus ist endlich ein professionelles Disktool für den ST erhältlich, das sich nahezu jeder Situation gewachsen zeigt. Dank einer einfach zu bedienenden Oberfläche, die trotz der Fülle an Funktionen nicht überladen und unübersichtlich wirkt, ist das Programm auch für weniger erfahrene Anwender geeignet.

Michael Bernards, W. Fastenrath/wk

CCD, Burgstr. 9, 6228 Eltville, Tel. 06123/1638

Name: Diskus
Hersteller: CCD
Preis: 149 Mark

Stärken: * sehr gute Verbindung zwischen Sektor- und Dateizugriffen * große Funktionsvielfalt * komfortable Bedienung * Festplatten-Backup und Optimierung enthalten universelles Kopieren von beliebigen Medien * komfortable Eingriffe in die FAT .

Schwächen: absolute Zugriffe auf Festplatte * unkomfortabel zu bedienen

Fazit: Universelles Disketten- und Festplattentool mit sehr großem Funktionsumfang und professioneller Leistung



Aus: ST-Magazin 12 / 1989, Seite 28

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