Mozart aus dem Mega: Professioneller Notensatz bei »Amadeus«

Es ist Freitag, kurz vor 11 Uhr. Während für andere bereits das Wochenende in greifbare Nähe rückt, sind Redakteur Wolfgang Klemme und Volontär Thomas Bosch auf dem Weg von Haar nach München in die Rorauerstraße. Nach einer dreiviertel Stunde Autofahrt durch quälenden Stadtverkehr erreichen wir schließlich die Hausnummer 50. Ein unscheinbares Reihenhaus im Münchner Westen.

Im unteren Teil des Gebäudes ist ein kleiner Laden untergebracht, der einfallslosen Musikern auf die Sprünge hilft. Hier gibt’s Noten und Songtexte für jedes Instrument, vom Schlagzeug bis zur Mundharmonika.

Wir interessieren uns mehr für das obere Stockwerk. Hier hat, auf sechs Räume verteilt, die dreiköpfige Firma »Amadeus« ihren Sitz. Wir klopfen an die Glastür, ein Mann mittleren Alters öffnet uns. Wir sind telefonisch angemeldet, der fröhlich dreinblickende Herr begrüßt uns herzlich und macht uns mit seinen zwei Kollegen bekannt, die eifrig an Computer und Keyboard arbeiten.

Notensatz mit dem Atari ST, einem Laserdrucker und dem Musiker-Modell der Firma Amadeus
Wolfgang Harmann (links) und Kurt Maas mit einem belichteten Notenblatt

Kurt Maas (allerdings nicht verwandt mit dem Musiker Hubertus Maas) bietet uns Kaffee an, wir akzeptieren dankend. »Der muß aber noch erstellt werden«, meint er im Computer jargon und schickt einen seiner Kollegen in die Küche.

Wir nehmen in Kurt Mass’ Arbeitszimmer Platz. Maas erzählt von der Geschichte seiner Firma. Auch der kleine Laden im unteren Teil des Gebäudes gehörte einmal dazu. Maas legt uns Bücher vor, Choräle, Messen, Bibelgesänge aus verschiedenen Verlagen. »Die Noten dazu stammen von uns. Wir haben schon für viele Verlage gedruckt. In Fachkreisen sind wir bekannt. Bloß unter den ’normalen’ Musikern hat Amadeus noch keinen Namen. Aber das kommt noch.«

Die Notenbilder entstehen auf einem Mega ST4. Über ein selbstentwickeltes Interface werden die Noten auf einer Linotype belichtet. Die so entstandenen Filme gehen dann an die Druckerei.

Derzeit arbeitet die Firma Amadeus an ihrem ersten größeren Projekt für den breiteren Markt: dem »Musiker-Modell«. Diese Software gestattet es, mittels einer eigenen Programmiersprache schnell und komfortabel komplette Songs einzugeben, sowohl Noten als auch Texte. Weiterhin beherrscht das Musiker-Modell sämtliche Sonderzeichen, Pausenzeichen und Bögen. Der Ausdruck erfolgt über einen Laserdrucker oder — per Interface — auf einer Linotype. Alle Fähigkeiten des Musiker-Modells aufzuzählen, würde den Rahmen des Artikels sprengen.

Das Modell kostet ca. 8500 Mark. »Sicher hört sich das nach sehr viel Geld an, aber das ist die Software auch wert. Außerdem zielen wir nicht auf den Hobbymarkt, sondern in den professionellen Musikbereich. Studios, Komponisten usw. Bislang gibt es nichts Vergleichbares, das soviel leistet wie unser System«, erklärt uns Kurt Maas.

Maas’ Partner Wolfgang Harmann demonstriert uns die Grundfunktionen des Musiker-Modells. Er komponiert einen Zwei-Zeilen-Song und verdeutlicht daran die einzelnen Funktionen wie Noten ändern, setzen, transponieren oder einfügen. Wir sind begeistert.

Die Begeisterung weicht der Enttäuschung, als wir auf die Uhr sehen. Wir müssen aufbrechen, der nächste Termin steht in einer halben Stunde auf dem Programm. Wir schießen noch einige Fotos und machen uns dann wieder auf den Weg nach Haar. Auf der Heimfahrt komponieren wir in Gedanken den Song von Wolfgang Harmann fertig. (tb)

Für weitere Fragen zum Musiker-Modell oder der noch umfangreicheren Verlagsversion wenden Sie sich bitte direkt an Amadeus Software, Rorauerstr. 50, 8000 München 71


Thomas Bosch
Aus: ST-Magazin 10 / 1989, Seite 106

Links

Copyright-Bestimmungen: siehe Über diese Seite