Auch wenn die Beta-Test Version von »Masterscore II« stellenweise noch provisorisch wirkt, ist sie bereits so leistungsfähig, daß wir sie unseren Lesern nicht vorenthalten wollen. Bei diesem Vorbericht interessierte uns vor allem: Ist Masterscore II ein Notendrucksystem, mit dem Sie professionelle Ergebnisse erzielen?
In seiner endgültigen Form erhalten Sie Masterscore II voraussichtlich ab September, dann vielleicht unter anderem Namen (evtl. »Scorebase«). Wie alle neuen Programme aus dem Hause Steinberg läuft auch Masterscore II unter dem MIDI-Betriebssystem M-ROS. Masterscore II verarbeitet sowohl Twenty-Four- und Cubase-Dateien als auch Songs im MIDI-File-Format tadellos. Bis zu sechs verschiedene Dokumente bearbeitet es gleichzeitig.
Nach dem Laden eines Songs findet sich der Anwender zunächst in der Configuration Page wieder. Hier bestimmt er neben der gewünschten Taktzahl auch, welche der belegten Sequenzerspuren er in die Partitur aufnehmen will. Außerdem legt er hier bei Bedarf für jeden Track Splitpunkt und Quantisierung fest. Im »Grandstaff«-Editor bringt er dann die Systeme (in unserer Beta-Version bis zu 13) in die erforderliche Reihenfolge und gestaltet — wenn nötig — Leersysteme.
Im Grandstaff-Editor läßt sich zusätzlich noch jedes System in ein »Drum-System« konvertieren. Anhand einer Drum-Map ordnen Sie jeder Note ihr entsprechendes Drumnoten-Symbol zu. Auch das Zusammenfassen einzelner Systeme durch Klammern oder das Erzeugen von Akkoladen (geschweiften Klammern) geschieht im Grandstaff-Editor. Wenn Sie häufig mit einem festen MIDI-Setup arbeiten, speichern Sie einfach einen einmal editierten Grandstaff ab und haben so für spätere Sitzungen viel Arbeit gespart.
Für die Bearbeitung der erzeugten Partitur stehen zwei über die Menüleiste anwählbare Ebenen zur Verfügung: die Edit- und die Layout-Page. Im Edit Modus stellt Masterscore II die Partitur auf einer Art »unendlicher Rolle« dar. Er ist in erster Linie zur Eingabe von musikalischen Informationen gedacht. Die Layout-Page hingegen arbeitet seitenorientiert. Hier sieht jede Notenseite so aus, wie sie später im Druck erscheint. In jeder der beiden Pages scrollen Sie entweder wie gewohnt mit den Rollbalken oder aber mit den Cursortasten durch das Fenster. Die Größe der Bildschirmdarstellung ist fünfstufig einstellbar. Neben dem Normalmodus stehen für pixelgenaues Arbeiten die Formate HIGH1, HIGH2 und HIGH3 zur Verfügung. Wollen Sie Ihr Werk allerdings im Überblick betrachten, schalten Sie in die Mini-Auflösung.
Für die Arbeit am Notentext hat der Anwender die Wahl zwischen drei Eingabehilfen: Maus, MTDI-Keyboard oder aber ASCII-Tastatur. Die uns vorliegende Version nimmt Eingaben von Noten lediglich über die Tastatur an. Masterscore Programmierer Karl Feichtinger teilte aber mit, die Maus und MIDI-Input-Funktionen seien bereits in Vorbereitung. Die Korrektur per Atari-Keyboard erwies sich als ausgefeilt. Nach
Anwahl des ASCII-Editors öffnet sich am linken Bildschirmrand ein schmales Fenster, in dem Sie den gewünschten »Notentext« eingeben. Das Editieren der Noten selbst ist denkbar einfach: cl 4 erzeugt z.B ein eingestrichenes C als Viertelnote, p8 läßt eine Achtelpause auf dem Bildschirm erscheinen. Sogar beliebig verschachtelte n-Tolen entwerfen Sie so mühelos. Leider ist aufgrund der Komplexität dieser Funktion eine sofortige Überprüfung der Eingabe nicht möglich. Erst nach Verlassen des Editors berechnet Masterscore II das Notenbild neu.
Durch Betätigung der rechten Maustaste gibt die Toolbox ihre zahlreichen Utilities preis, von denen wir Ihnen die wichtigsten kurz vorstellen.
Unter »Specials« verbergen sich alle musikalischen Sonderzeichen wie z.B. Haltepedal an/aus, Crescendo/Decrescendo, Pfeile, Fermaten etc. Auch Notenschlüssel, Vorzeichnung und Taktart wählen Sie aus der Toolbox und fügen Sie mit der Maus in die Noten ein. Der Masterscore II-bewehrte Anwender ist bestens für umfangreiche Orchester-Arrangements gerüstet: Alle erdenklichen Schlüssel, Takt- und Tonarten sind vorgesehen. Unverständlich ist nur, warum man die Transpositionsfunktion in die Menüleiste verbannt hat. Effektiver wäre sie in jedem Fall in der Toolbox zu nutzen. Vermißt haben wir außerdem in dem ansonsten vollständigen Sortiment die doch häufig benötigten Vorschläge. Sie sollen jedoch in der Verkaufsversion implementiert sein. Wem die mitgelieferten Symbole nicht gefallen, wird sich über den als Accessory mitgelieferte Icon-Editor freuen. Mit ihm paßt er alle Zeichen dem eigenen Geschmack an.
Falls Sie mit den vom Programm unterbreiteten »Behalsungsvorschlägen« nicht einverstanden sind, nehmen Sie über die Toolbox die nötigen Änderungen vor. Zunächst markieren Sie in den Noten die korrekturbedürftigen Passagen als Block. Nun klicken Sie einfach auf das entsprechende Symbol in der Werkzeugkiste und entscheiden anhand einer Auswahlbox, ob Sie auf- oder abwärts behalsen wollen. Hier legen Sie auch fest, ob sie Balken oder Einzelnoten wünschen. Per Doppelklick bringen Sie den Block in die gewünschte Form.
Möchten Sie Ihrem Musikstück einen gehaltvollen Text unterlegen, bedienen Sie sich der Lyrics-Funktion. Als erstes positionieren Sie hierzu mit einem bildschirmfüllenden Fadenkreuz den Cursor unter dem zu vertextenden System. Bei der anschließenden Texteingabe sorgt Masterscore automatisch für die passende Text-Noten-Zuordnung. Einzelne Silben markieren Sie einfach durch einen Trennstrich.
Selbstverständlich erlaubt es Masterscore II auch, Text an beliebiger Stelle in der Partitur einzufügen. Häufig benötigte Textbausteine rufen Sie mit den fünffach belegbaren Funktionstasten auf. Leider lassen sich diese Makros nicht über die Toolbox ändern. Zu diesem Zweck müssen Sie die entsprechende Funktion aus der Menüleiste aufrufen. Positiv ist hingegen, daß für alle Texteingaben sowohl Zeichensatz als auch Zeichengröße und Attribute frei wählbar sind. In der Testversion steht neben dem Systemfont der Zeichensatz »Swiss« zur Verfügung, in der Verkaufsversion darf man auf mehr Auswahl hoffen.
Im Layout-Modus sind — wie der Name schon sagt — zusätzlich noch einige Funktionen zur Seitengestaltung aktiv. Wie auch bei objektorientierten Zeichenprogrammen lassen sich hier beliebige Bildschirmausschnitte als Block definieren und frei verschieben. Die endgültige Programmversion soll auch Bilder in den Notentext integrieren können.
Ist der Notentext den eigenen Wünschen entsprechend gestaltet, wollen Sie sich vermutlich das Ergebnis Ihrer Arbeit anhören. Zu diesem Zweck läßt sich jedes Notensystem einem MIDI-Kanal zuordnen und über »Schieberegler« abmischen. Leider nutzte unsere Testversion noch nicht alle M-ROS-Routinen, so daß wir bei der Play-Funktion auf die praktischen M-ROS-Kommandos wie z.B. Voroder Zurückspulen verzichten mußten. Karl Feichtinger arbeitet zur Zeit an einer vollständigen Implementation.
Ebenso wichtig wie gute, musikalisch sinnvolle Editierfunktionen ist natürlich auch die Qualität der Druckerausgaben. Schon die vorliegende Beta-Version erzielt auf diesem Gebiet exzellente Ergebnisse: Mit einem 24-Nadel-Drucker erhalten Sie sowohl mit 360 x 360 dpi als auch mit 180 x 180 dpi Ausdrucke, die den Vergleich mit kommerziellen Notenpublikationen nicht zu scheuen brauchen. Allerdings hat diese Qualität ihren Preis: ca. 20 Minuten braucht ein 24-Nadel-Drucker für eine DIN-A4-Seite in höchster Auflösung. Glücklicherweise gibt es auch den sogenannten »Test«-Druckmodus, in dem Sie sich mit geringerer Auflösung schneller einen Überblick verschaffen. Auf unserer Testdiskette befanden sich neben 24-Nadeltreiber auch noch Treiber für den Atari-Laserdrucker. Die Verkaufsversion soll alle handelsüblichen Drucker unterstützen, der HP-Laserjet-Treiber wurde während dieses Tests gerade fertiggestellt. Karl Feichtinger kündigte ferner an, daß die Druckerausgabe in der Endversion über M-ROS im Hintergrund abläuft; bei den oben genannten Druckzeiten sicherlich eine höchst sinnvolle Erweiterung.
Für ein abschließendes Fazit ist es an dieser Stelle noch zu früh. Es bleibt abzuwarten, ob die Endversion von allen »Haken und Ösen« befreit ist, und ob die geplanten Ergänzungen auch tatsächlich ihren Weg in das Programm finden. Angekündigt sind unter anderem eine komfortablere Seitenformatierung, ein »Enharmonic Tool«, schnellere Bildschirmausgaben, verbesserte Lyrics-Funktion sowie die Verarbeitung und Darstellung von Polyphonie innerhalb eines Systems. Doch schon die Beta-Version von Masterscore II hinterläßt einen vielversprechenden Eindruck und entscheidet zumindest in der Rubrik »Druckqualität« die eingangs gestellte Frage nach Professionalität für sich. Sollte Masterscore II die gesteckten Erwartungen erfüllen, gehört es zur Creme der Notendruck-Software. (tb)
Info bei: TSI GmbH, Neustr. 9 - 12,5488 Waldorf