Haar, den 26. 4. 1989, 15 Uhr. Das Telefon klingelt. Der Anrufer fragt, ob wir an einer Vorführung eines Hardware-MS-DOS-Emulators für den Atari ST Interesse hätten. Ich denke mir: »Schon wieder! Hoffentlich arbeitet das Gerät besser, als die beiden letzten. Die kamen ja nie über die Ankündigung hinaus.« Ich vereinbare mit dem Anrufer am 2. Mai einen Termin.
Am Dienstag, dem 2. Mai, erscheint Hans-Jörg Sack kurz nach 10 Uhr in den Redaktionsräumen. Unter dem Arm trägt er eine Diskettenbox und eine Aktentasche mit einem Atari 520 ST. Nachdem der Computer betriebsbereit ist, startet Hans-Jörg Sack ein Installationsprogramm. Wir sind gespannt. Hat dieser Mann das geschafft, was selbst Atari aufgegeben hat: Einen Hardware-MS-DOS-Emulator für den ST zu entwickeln?
Das TOS-Programm »PCSINST« paßt den Emulator an die Hardware des ST an. Hier stellt der Anwender das Tastaturlayout und die Anzahl und Art der Laufwerke ein. Ferner legt man hier fest, ob man mit der CGA- oder Herculesgrafik arbeitet und wie die Farben auf einem Farbmonitor dargestellt werden. Das Programm schreibt die Informationen direkt in die Emulationssoftware »PC-Speed«. Bis jetzt läuft der ST noch unter seinem Betriebssystem.
Jetzt kommt der große Augenblick, die Spannung wächst: Nach dem Starten des Programms PC_Speed bootet der ST klaglos MS-DOS Version 3.30 von Diskette oder Festplatte. Der Prompt erscheint im IBM-Zeichensatz auf dem SM 124. Tatsächlich! Aber wie schnell ist er? Wir testeten zuerst die Geschwindigkeit der Bildschirmausgabe, indem wir das Verzeichnis der Systemdiskette auf dem Monitor ausgeben ließen. Deutlich schlägt er seinen Softwarekonkurrenten »PC Ditto«: Ohne merkliche Verzögerung erscheinen die Dateinamen. Jeder ist beindruckt.
Durch dieses positive Ergebnis mutiger geworden, starten wir »Word« von Microsoft. Wir scrollen mit der Pfeiltaste durch einen etwa 20 KByte langen Text. Dazu benötigt PC-Speed 42 Sekunden. Auf einem Tandon XT benötigte das gleiche Programm 57 Sekunden.
Eins zu Null für den Emulator. Microsoft Word ist die meistverkaufte Textverarbeitung in der MS-DOS-Welt. Allerdings läuft sie auf nahezu jedem Kompatiblen. Nach diesen ersten Kurztests nehmen wir uns die Hardware von PC-Speed unter die Lupe. Die obere Gehäusehälfte klappt nach oben und wir trauen unseren Augen nicht. Wir erblickten eine unscheinbare Platine, die huckepack auf dem MC 68000 steckt. Bei der Leiterplatte handelte es sich noch um eine sauber verarbeitete Entwicklungsplatine. Auf ihr befinden sich neben einem NEC V30-Prozessor noch sechs PALs, die die Logik des Emulators enthalten. PC-Speed nutzt die komplette Hardware des ST und erreicht dadurch diese verblüffend kleinen Ausmaße. Hans-Jörg Sack verzichtete beispielsweise ganz auf teueres eigenes RAM für seinen Emulator, der überdies mit dem ST-RAM auch noch äußerst genügsam umgeht. Bei einem ST mit 1 MByte Arbeitsspeicher meldet das Programm »SI« von Peter Norton 704 KByte freien DOS-Arbeitsspeicher und 64 KByte EMS-Speicher. Doch es kommt noch besser: PC-Speed läuft sogar auf einem 512 KByte-ST ohne Betriebssystem-ROMs.
Nach diesem Exkurs in die Hardware versuchten wir unser Glück mit diversen Benchmarktests. Wir wollten der Sache auf den Grund gehen. Dabei stießen wir auf eine Besonderheit des Emulators. Da diese Programme häufig Hardware-Timer in einem PC direkt ansprechen, mußte PC-Speed hier eigene Wege gehen, da er nicht über diese Hardware verfügt. Der Emulator bildet die Timer per Software nach, was bei den meisten Benchmarks zu verfälschten Ergebnissen führte. Der bekannteste PC-Benchmark, der Norton-Faktor, ließ sich aber korrekt ermitteln. Dieser Faktor gibt an, wie schnell ein PC im Vergleich zu einem original IBM-PC ist. Bei PC-Speed beträgt er 4, bei einem IBM-PC 1. Der PC-Tools-Benchmark liefert eine relative Geschwindigkeit von 240 Prozent (IBM-PC 100 Prozent).
Jeder in der Runde ist überzeugt: Das kleine unscheinbare Gerät ist eine Sensation. Das müssen wir unseren Lesern in der kommenden Ausgabe ausführlich präsentieren.
Selbst kritische, speicherresidente Programme wie DOS-Edit und Sidekick Plus vertrugen sich während unseres Tests ausgezeichnet mit den Anwendungsprogrammen. Wir stellten dabei keine Inkompatibilität fest. Dies ist bemerkenswert, weil Sidekick Plus in den Textmodus schaltet, wenn es von einem Programm aus, das im Grafikmodus läuft, aufgerufen wird. Diese Umschaltung geschieht nicht über das BIOS, sondern direkt über den Videochip, über den PC-Speed natürlich nicht verfügt. Hieraus lassen sich direkt Schlüsse auf die Kompatibilität von PC-Speed ziehen.
Schwierigkeiten traten nur bei kopiergeschützten Programmen auf. So ließ sich eine ältere Version des Flugsimulators nicht starten, weil das Programm während des Ladens nach der Originaldiskette verlangte, obwohl sich diese in Laufwerk A befand.
Bei unserem ersten Test fanden wir aber doch noch eine kleine Inkompatibilität: PC-Speed akzeptiert nur Festplatten, die mit dem Atari-Treiber AHDI oder einem zu diesem kompatiblen arbeiten. Dies könnte bei allen Platten zu Problemen führen, die nach dem c’t-Projekt aufgebaut sind. Hans-Jörg Sack versicherte uns, daß er die Software schnellstmöglich an die verschiedenen Festplattentreiber anpassen wolle.
Der erste Eindruck war sehr vielversprechend. PC-Speed zeigte sich bei den meisten Tests als ein beachtenswertes Produkt, das bei uns einen ausgezeichneten Eindruck hinterließ. Mit einem Preis von nur 498 Mark liegt er deutlich unter dem eines PC-kompatiblen Zweitcomputers. (uh/uw)
Hans Sack, Meßgeräte- und Reglerbau, Bleichstr. 49, 4792 Bad Lippspringe
Der heute 22jährige Hans-Jörg Sack studiert zur Zeit Elektrotechnik in Paderborn. Seinen PC-Speed wollte er ursprünglich gar nicht vermarkten, denn ihn interessierte nur, ob ein artfremder Prozessor die Peripherie des Atari ST nutzen kann.
Im Juli oder August letzten Jahres stieß Hans-Jörg Sack auf seiner Suche nach einem MS-DOS-Emulator für den ST auf die Berichte über den »Supercharger«.
Am Konzept dieses Gerätes störte ihn vor allem, daß es hauptsächlich aus RAM-Bausteinen besteht. Da die Preise dieser Chips gerade deutlich stiegen, überlegte sich Hans-Jörg Sack, daß es doch möglich sein müßte, das ST-eigene RAM für einen Emulator zu nutzen. Dies würde den Preis für ein derartiges Gerät in einem erschwinglichen Rahmen halten.
Kurzentschlossen begann Hans-Jörg Sack mit ersten Experimenten. Er versuchte den Intel- beziehungsweise NEC-Prozessor hinsichtlich seiner Busstruktur an den ST anzupassen. Die Ergebnisse waren bereits in überraschend kurzer Zeit sehr vielversprechend, wenngleich sein ST oft einem wahren IC-Grab glich, da er die Schaltung mit einzelnen Logikbausteinen aufbaute. Nachdem klar war, daß sich sein Konzept realisieren läßt, baute er seine Schaltung mit PALs, das heißt mit einer programmierbaren Logik, auf, um sie auf einer relativ kleinen Platine unterzubringen. Betrachtet man die Maße des Emulators, so ist dies im Vergleich zu beispielsweise dem Supercharger hervorragend gelungen.
Als die Hardware soweit stand, tauchte ein Software-Problem auf. Es mußten Programme entwickelt werden, die den Emulator MS-DOS-kompatibel machen.
Hans-Jörg Sack schrieb kurzerhand sein eigenes BIOS für den NEC-Prozessor, der bei seinem Gerät unter anderem die komplette Bildschirmausgabe übernimmt, da er dies schneller erledigt als der MC 68000. Dieses BIOS ist nicht so kompliziert wie das BIOS des Atari ST.
Trotzdem ist bemerkenswert, daß sich Hans-Jörg Sack erst zu diesem Zeitpunkt in die Maschinensprache des NEC V30 einarbeitete. Nachdem das BIOS ebenfalls sehr schnell fertiggestellt war, begann eine Testphase. In dieser Zeit wurden die Fehler aufgespürt und aus dem Programm verbannt. Als letztes fiel ein Fehler in der Cursorsteuerung und einer in der Festplattenroutine dem Debugging zum Opfer. Auf letzteren stießen wir während der Vorführung in der Redaktion. Er äußerte sich darin, daß sich Sidekick Plus nicht auf der Festplatte installieren ließ.
Die Entwicklung seiner Software betrachtet Herr Sack aber noch nicht als abgeschlossen. So sind noch Utilities wie beispielsweise ein Maustreiber, der die ST-Maus korrekt unterstützt, zu programmieren. Auch wird sicher noch nicht jedes MS-DOS-Programm auf dem Emulator klaglos seine Dienste verrichten. Soweit dies möglich ist, wird Hans-Jörg Sack seine Software schnellstens an solche Programme anpassen. Unsere Frage, wie es kommt, daß er praktisch im Alleingang einen Emulator entwickelte, an dem sich andere Firmen, unter anderem auch Atari selbst, die Zähne ausbissen, beantwortete Hans-Jörg Sack folgendermaßen: »Vielleicht kommt es daher, daß bereits mein Großvater etwa 20 Patente besitzt.
Es könnte also durchaus sein, daß ich etwas Erfindergeist von ihm geerbt habe.« (uh)
Folgende Programme testeten wir in der Redaktion unter PC-Speed. Darüber, wie sich der Hardware-Emulator in einem wesentlich härteren Dauertest verhält, können wir zu diesem Zeitpunkt noch keine Angaben machen. Wir setzen aber eines der Seriengeräte künftig in der Redaktion ein, um seine Funktionsfähigkeit in der harten Alltagspraxis ausführlich zu testen.
Word 4.0
PC Write
Side Kick
Side Kick Plus
Turbo-Pascal 3.0
Turbo-Pascal 4.0
Flugsimulator III
Dr. Halo
Multiplan
Microsoft Chart
PC-Tools
Norton Commander
Der NEC V30 teilt sich mit dem MC 68000 den Datenbus und übernimmt die Bildschirmsteuerung. In diesem Bereich ist der NEC-Chip dem Motorola sogar überlegen: Er erreicht die volle Blittergeschwindigkeit. Damit übertrifft PC-Speed in der Bildschirmausgabe nicht nur den Software-Emulator »PC Ditto«, dessen größtes Handicap die langsame Ausgabe auf den Monitor ist, sondern auch einen kompatiblen Tandon XT.
Zur kompletten Bildschirmdarstellung gehören das Scrollen, das Darstellen der einzelnen Buchstaben und das Emulieren einer CGA- oder Herculeskarte. Letzteres wird hardwaremäßig insofern unterstützt, als daß die Logik auf der Platine jedesmal einen Interrupt auslöst, wenn in den Speicherbereich, in dem sich der Bildschirmspeicher befindet, geschrieben wird. Aus diesem Grund muß der Prozessor nicht ständig diesen Speicherbereich überwachen. Der V30 kopiert mit seinen schnellen Blockbefehlen also nur dann, wenn sich im Bildspeicher etwas geändert hat, Daten aus dem MS-DOS-Bildschirmbereich in den ST-Bildschirmbereich.
Im Grafikmodus der CGA- und Herculeskarte überträgt das Programm die Daten ohne Änderungen. Dies funktioniert, da die Bildspeicher ähnlich organisiert sind. Nur bei der Farbdarstellung sind die Daten etwas umzurechnen.
Da aber nur umgerechnet wird, was sich tatsächlich geändert hat, leidet die Geschwindigkeit der Bildschirmausgabe kaum unter diesem Verfahren.
(uh)