Megapaint II: Der Grafikgigant Teil 2

Nachdem wir Ihnen im letzten ST-Magazin einen Überblick über die Features von »Megapaint II« gaben, geht es heute in die Vollen: Der neue Thronanwärter für den Titel des Grafikkönigs unterzieht sich einem gründlichen Detailtest.

Das Besondere bei »Megapaint II« ist die Verwaltung der Zeichenfläche. Deren Auflösung beschränkt sich nicht nur auf die üblichen 640 x 400 Pixel, sondern entspricht der des angeschlossenen Druckers; ein Pixel repräsentiert genau einen Druckpunkt. Dabei stehen die Formate DIN A5 bis DIN A2 zur Verfügung, auch beliebige Zwischengrößen sind zulässig.

Dieses System hat für den Anwender zwei Vorteile: Zum einen steht beim Arbeiten eine ungewöhnlich große Fläche zur Verfügung, die nicht an den Grenzen des Bildschirms haltmacht, sondern sich erheblich darüber hinaus erstreckt (im Format DIN A4 bei einem 9-Nadel-Drucker mit 240 x 216 dpi z.B. auf 2240 x 1920 Punkte). Auf dem Monitor ist davon natürlich immer nur ein Ausschnitt zu sehen, den Sie mittels Rollpfeilen frei positionieren. Für den schnellen Gesamtüberblick blenden Sie eine verkleinerte Übersicht des Bildes ein.

Zum anderen sind die Druckdokumente von hervorragender Qualität und absolut vorlagengetreu — ein Muß bei der Herstellung technischer Zeichnungen. Da Sie schon am Bildschirm in der Druckerauflösung arbeiten, erkennen Sie bereits beim Zeichnen das Aussehen des späteren Druckdokuments. Megapaint II unterstützt 9-Nadel-, 24-Nadel-und Laserdrucker. Leicht passen Sie die entsprechenden Druckertreiber den eigenen Bedürfnissen an.

Einen Haken hat diese Methode natürlich auch. Die Bilder verschlingen enormen Speicherplatz; das obige Beispiel bereits 537 KByte, was knapp 17 normalen Bildschirmseiten entspricht. 1 MByte RAM sind daher das absolute Überlebensminimum. Für den Betrieb einer einigermaßen großen Zeichenfläche und einen ordentlichen Drucker (24-Nadler mit 360 dpi oder Laser) sollten es aber schon 2 bis 3 MByte sein. Bis zu vier Bilder stehen gleichzeitig im Speicher. Dazu kommt noch ein Puffer für verschiedene Blockoperationen. Der benötigt im günstigsten Fall die gleiche Größe wie das Bild.

Kommen wir zu dem, woran sich jedes Zeichenprogramm messen lassen muß: den Arbeitsfunktionen. Die sind bei Megapaint II in großer Anzahl vorhanden. Die Auswahl berücksichtigt besonders die Bedürfnisse technischer Zeichner. So findet man hier zum Beispiel Dreiecke, Parallelogramme oder N-Ecken sowie Kreise und Ellipsen inklusive ihrer Bögen, Tore und Sektoren. Sogar Bezier-Kurven bietet das Programm.

Ähnlich große Auswahl und Leistungsfähigkeit herrscht bei den Blockoperationen, wobei besonders die Befehle zum stufenlosen Drehen und Vergrößern/Verkleinern lobende Erwähnung verdienen. Das übliche Standard-Repertoire (Verschieben, Spiegeln...) ist natürlich auch vorhanden. Alle Operationen laufen mit flotter Geschwindigkeit ab. Einzig die Undo-Funktion überzeugt nicht. Sie beschränkt sich auf die Zurücknahme eines einzigen Schrittes, und das auch nur solange, bis Sie die nächste Operation ausführen oder im Menü eine andere Funktion wählen.

Das Pop-Up-Menü bietet die 40 wichtigsten Funktionen auf einen Blick
FormatDrucker (dpi)Bildgröße (Punkte)Speicherbedarf (Bytes)Ausbau (MByte)
DIN A5 180 1024 x 1344 172.032 1
240 1376 x 1632 280.704 1
300 1696 x 2240 474.880 1
360 2048 x 2720 696.320 1.5
DIN A4 180 1440 x1856 34.080 1
240 920 x 2240 537.600 1.5
300 2336 x 3360 988.712 1.5
3602880 x 37121336.3202
DIN A31802048 x 2720696.3201.5
2402752 x 32641122.8162
3003392 x 44801899.5202.5
3604096 x 54402785.2803.5
DIN A21802880 x 37121336.3202
2403840 x 44802150.4003
3004672 x 67203924.4804.5
3605760 x 74245345.2806
Die Funktionspalette von »Megapaint II« läßt kaum Wünsche offen

Einige Funktionen orientieren sich deutlich an CAD-Programmen. Dazu gehört das Errichten von Winkeln ebenso wie das Fällen von Loten oder das Körnen. Wichtigstes Feature ist jedoch die Bemaßung. Mit dieser Funktion messen Sie nachträglich eine Zeichnung aus und versehen sie mit den jeweiligen Werten. Die Maßlinien und Zahlen trägt der Computer unter Berücksichtigung der entsprechenden DIN-Norm ein. Damit auch sonst alles maßstabsgetreu vor sich geht, sind am Fensterrand Skaleneinteilungen vorhanden, die die Position des Cursors in Zentimetern oder Zoll wiedergeben.

Eine nützliche Hilfe ist der »Spot«. Er zeigt in einer Vergrößerung ständig den Bereich von 7x7 Punkten unter der Cursorposition. Somit positionieren Sie das Fadenkreuz immer auf den Punkt genau. Zusätzlich zeigt eine Anzeigezeile die aktuellen Punktkoordinaten und wenn nötig, eventuelle Hilfsinformationen wie Winkel oder Streckenlängen. Sollten beim Benutzer einmal Unklarheiten über eine Funktion bestehen, hilft ein Druck auf die Help-Taste. Sie öffnet ein Textfenster mit einer kurzen Information über den gewünschten Menüpunkt.

Die Bildübersicht verschafft einen Gesamteindruck der Zeichnung

Ausgefeilt ist bei Megapaint II die Texteinbindung. Diese beschränkt sich nicht auf den Standard-Zeichensatz; vielmehr ist das Laden beliebiger Fonts in verschiedenen Größen vorgesehen. Ein Helvetica-Zeichensatz sowie eine DIN-Schrift gehören zur Grundausstattung. Wer es etwas variationsreicher mag, muß sich für 79 Mark eine der beiden bisher erschienenen Fontdisketten zulegen, die je etwa 20 Schriften von sehr guter Qualität enthalten. Billiger ist es, wenn Sie sich Ihre Schriften selbst definieren. Dazu benutzen Sie die normalen Zeichenfunktionen und übernehmen dann die fertigen Buchstaben direkt aus dem Bild in die Zeichentabelle. Danach sind sie über die Tastatur anzusprechen. Für die ansprechende Plazierung in der Grafik bietet Megapaint II einen komfortablen Texteditor, der dem Schriftbild den letzten Schliff verleiht. Er zentriert den Text innerhalb eines Begrenzungsrechtecks oder richtet ihn links- beziehungsweise rechtsbündig aus. Sogar für proportionalen Blocksatz sorgt das Programm. Wer auf noch mehr Komfort Wert legt, tippt den Text mit seiner bevorzugten Textverarbeitung und lädt ihn dann als ASCII-File in Megapaint II.

Kommunikationsfreudig gibt sich das Programm, wenn es um die Übernahme fremder Zeichnungen geht: Dateien aus »Degas«, »Stad« sowie Bilder im 32K-Format verarbeitet Megapaint II. Auch das IMG-Format unterstützt es. Eine Ausgabe in diesen Formaten ist ebenfalls vorgesehen. Um die ganze Zeichenfläche zu sichern, verwendet Megapaint II ein eigenes Spezial-Format, das mit einem sehr effektiven Kompressions-Algorithmus ausgestattet ist. Erstreckt sich die Datei über mehr als 700 KByte, spaltet das Programm die Daten auf und verteilt sie auf mehreren Disketten. Daneben unterstützt Megapaint II die Verwaltung von Symbolbibliotheken. Eine Bibliothek für Elektronikbauteile ist im Lieferumfang bereits enthalten.

Benutzer, die künstlerisch weniger begabt sind, greifen zu einem anderen Hilfsmittel. Megapaint II erlaubt die Ansteuerung von Scannern. So lesen Sie Vorlagen mühelos in den Computer ein — die entsprechende Hardware vorausgesetzt. Das Programm nutzt beim Scannen seine volle Auflösung. Daraus ergibt sich ein weiteres interessantes Anwendungsgebiet: das sogenannte »intelligente Fotokopieren«. Sie scannen ein Bild, bearbeiten es im Computer und drucken cs anschließend wieder aus. Bei der Verwendung entsprechend hochauflösender Geräte (300- oder 400-dpi-Scanner) und dem Ausdruck auf Laserdrucker kommt die Qualität des Ausdrucks dem Original meist sehr nahe. Momentan unterstützt das Programm Scanner von Print Technik, Panasonic und Hawk. Bei soviel Funktionen ist es kein Wunder, daß die Pull-Down-Menüs aus allen Nähten platzen. Um überhaupt alle Befehle sinnvoll zu erreichen, bietet Megapaint II ein zusätzliches Untermenü-System. Sind bei einer Funktion mehrere Unterteilungen vorgesehen (z.B. Drehen um 90, 180, 270 Grad oder stufenlos), erscheint eine weitere Menüleiste, die diese Befehle anbietet. Nicht ganz glücklich ist dabei die GEM-untypische und daher ungewohnte Aufteilung der Pull-Downs: So findet sich beispielsweise der Befehl zum Verlassen des Programmes nicht wie üblich auf der linken Seite, sondern ganz rechts außen im System-Menü. Der Aufruf von Accessories ist nicht vorgesehen.

Auf Tastatur-Shortcuts wurde leider verzichtet, dafür wartet das Programm mit einer anderen sinnvollen Neuerung auf: dem sogenannten Pop-Up-Menü. Auf Mausknopfdruck erscheint an der Cursorposition eine Iconleiste, die die 40 wichtigsten Kommandos enthält. Sie erspart lange Wege durch überfüllte Menüleisten. Der Clou: Wenn Ihnen Belegung oder Aussehen der Symbole nicht passen, ändern Sie diese einfach um.

Ein knapp 250 Seiten starkes Handbuch begleitet Megapaint II. Es ist reich bebildert und erklärt in gefälliger Aufmachung ausführlich alle Funktionen. Es führt den Neuling sinnvoll in das Programm ein, erfahrenere Benutzer finden beim Nachschlagen mit Hilfe des Stichwortverzeichnisses schnell das Gesuchte.

Insgesamt erweist sich Megapaint II als leistungsfähiges und durchdachtes Grafikprogramm. Die große Flexibilität sowie die hohe Bedienerfreundlichkeit des Systems sorgen dafür, daß trotz aller Funktionsvielfalt der Durchblick erhalten bleibt. Technisch versierte Anwender schätzen sicherlich die hohe Genauigkeit der Funktionen sowie die Maßstabstreue der Druckdokumente. Im Preis ist ein Update-Service des Herstellers enthalten.

Wer nicht ganz so viel Geld ausgeben mag, kann zum Reinschnuppern für 99 Mark die stark abgespeckte Juniorversion erwerben. Bei ihr fehlen unter anderem der Texteditor, Symboleinbindungen und Laseransteuerung. Separat erhältlich sind Versionen für Ganzseiten-Bildschirme sowie Netzwerke. Eine Kommando-Sprache, Unterstützung von Farbmonitoren und eine Überarbeitung der Undo-Funktion sind bereits in Planung. Man darf gespannt sein! (wk)

Tommy Software, Selchower Straße 32, 1000 Berlin 44

Wertung

Name: Megapaint II V2.12
Preis: 399 Mark
Hersteller: Tommysoft

Stärken:

□ fast beliebig große Zeichenfläche □ großer Funktionsumfang □ flexibel in allen Bereichen □ gute Druckqualität □ gelungenes Handbuch

Schwächen:

□ äußerst speicherintensiv □ ungewohnte Aufteilung der Pull-Down-Menüs □ magere Undo-Funktion □ noch keine Tastatur-Shortcuts

Fazit:
durchdachtes Zeichenprogramm der Oberklasse, hauptsächlich für professionelle Anwendung im Bereich technischer Entwürfe geeignet


Marc Kowalsky
Aus: ST-Magazin 07 / 1989, Seite 32

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