Lazy Paint

Schon wieder ein Malprogramm für den ST? Mitnichten, »Lazy Paint« ist für die Zusammenarbeit mit Scannern ausgelegt. Unterschiedliche Auflösungen, komfortable Bearbeitungsroutinen und raffinierte Befehle heben das Programm aus dem Kreis der Konkurrenten hervor.

Das Wort »Scanner« entwickelte sich für die ST-Gemeinde innerhalb eines Jahres zu einem neuen Schlagwort. Sinkende Preise und niedrige Unterhaltskosten machen solche Geräte auch für den Atari ST-Besitzer attraktiv.

Allerdings nützt der beste Scanner, die beste Hardware nichts ohne die entsprechend leistungsfähige Software. Aus Frankreich stammt ein Produkt, das mit einigen ungewöhnlichen und nützlichen Eigenschaften aufwartet. Allerdings steht zumindest vorerst ein Minuspunkt aller Euphorie entgegen: Dokumentation und Software sind nur in Englisch und Französisch lieferbar.

Zum Lieferumfang von Lazy Paint gehört eine Diskette mit dem Programm und einigen Beispielen, eine gebundene, zirka 100 Seiten starke Dokumentation sowie eine Tastaturschablone mit Angabe der über Tasten erreichbaren Funktionen.

Auf den ersten Blick scheint Lazy Paint ein gewöhnliches Malprogramm zu sein. Nach dem Start zeigt das Programm am linken Bildschirmrand sämtliche Funktionen, mit denen sich Bilder zeichnen oder bearbeiten lassen.

Für die freie Zeichenarbeit stehen ein breiter und ein dünner Strich in Form eines Pinsels oder Bleistifts zur Verfügung. Die einzelnen Befehle rufen Sie durch anklicken mit der Maus oder betätigen der entsprechenden Tastenkombination auf. Durch doppeltes Anklicken einer Zeichenfunktion gelangen Sie in ein Zusatzmenü. Hier legen Sie die jeweiligen Zusatzparameter fest. Für Stift oder Pinsel lassen sich deren Dicke sowie eine Vollinien- oder Transparentdarstellung einstellen. Bei anderen Funktionen sind diese Einstellungen umfangreicher.

Zwei weitere Linienfunktionen erleichtern die Arbeit. Zum einen lassen sich einfache Geraden zeichnen. Während des Zeichnens muß die linke Maustaste gedrückt bleiben, was zumindest einiger Umgewöhnungszeit bedarf. Besser ist eine Aktiv-Schaltung der Funktion, die ein nochmaliges Betätigen der linken Maustaste wieder beendet. Zehn unterschiedliche Strichstärken sowie sechs Linientypen decken alle Einsatzbereiche ab. Da Lazy Paint sämtliche Bilder farblich invertieren kann, wählen Sie auch noch zwischen weißen und schwarzen Linien. Drei verschiedene Linienformen sorgen für schnelles Anbringen von Pfeilen, runden Enden oder rechteckigen Abschlüssen. Die letzten Einstellungen beziehen sich auf den Zeichenmodus, Vollinie und Transparent. Im Transparentmodus überlagern Sie einzelne Elemente, ohne diese zu verdecken.

Die zweite Linienfunktion gestattet Ihnen die Anlage jeder denkbaren Kontur. Im Prinzip arbeitet sie wie eine Polygonfunktion. Über beliebig viele Stützpunkte zeichnen Sie eine Kontur, bis das so entstandene Gebilde einen geschlossenen Linienzug ergibt. Sofort beginnt Lazy Paint, mit Hilfe der gegebenen Stützpunkte, eine Linie mit der eingestellten Pinsel- beziehungsweise Strichstärke zu zeichnen. Auf diese Weise legen Sie jeden gewünschten Umriß an.

Ein »Farbeimer« dient zum Füllen beliebiger Flächen. Durch einfaches Anklicken der entsprechenden Fläche füllt sich diese mit einem vorher zu bestimmenden Raster. Dieses Raster wählen Sie aus einer am unteren Bildschirmrand sichtbaren Skala aus. Ebenfalls zum Füllen oder Zeichnen dient die Spraydose. Durch einen Doppelklick erscheint auch hier ein umfangreiches Zusatzmenü. In einem Sichtfeld überprüfen Sie dabei die Auswirkungen jeder Änderung. Über Rollpfeile stellen Sie die Strichbreite und -dichte ein. In einem Sichtfenster erfolgen diese Änderungen sofort. Damit ist eine direkte Kontrolle gewährleistet, und der Anwender erspart sich das Probezeichnen innerhalb der Grafik. Wie bei den anderen Funktionen läßt sich auch hier von Vollinie auf Transparentpapier umschalten.

Generell stehen drei Bildformate zur Verfügung, die sich ohne Probleme in das Zeichenprogramm einlesen lassen: IMG, ICN, IFF. Damit ist der Anwender von Lazy Paint für alle Fälle gewappnet.

Seine wahren Stärken zeigt Lazy Paint jedoch erst in Verbindung mit einem Scanner. Um ein Bild in das Programm einzulesen, sind nur wenige Einstellungen notwendig. In dem Pull-Down-Menü »Peripherie« ist zunächst unter »Scanner« der Punkt »Scalierung« anzuwählen. Hier geben Sie die gewünschte Auflösung des Bildes in Stufen von 75, 150, 200 und 300 DPI an. Weiterhin arbeitet die Software in zwei Modi. Der normale Betrieb ist die Stufe »Monochrom«, in der Sie Texte oder Zeichnungen abtasten. Der Punkt »Halbe Dichte« dient zum Scannen von Farbvorlagen oder Fotos. Mit diesen Einstellungen tastet der Scanner die gesamte Vorlage ab. Nicht immer ist die ganze Vorlage gefragt, häufig genügen einzelne Details zur Weiterverarbeitung. In diesem Fall stellen Sie die Funktion »Numerieren« ein. Daraufhin veranlaßt die Software das Gerät, die Vorlage in einzelne Einheiten zu unterteilen, die sich, jede für sich, bearbeiten lassen. Den jeweiligen Ausschnitt legen Sie durch ein Fenster fest. Ist das Bild eingelesen, steht es auf dem Bildschirm zur Nachbearbeitung bereit. Neben den Zeichenfunktionen bietet Lazy Paint noch einiges mehr. Über veränderbare Filter läßt sich ein Bild nachträglich so verändern, daß es für jedes Ausgabe- oder Reproduktionsgerät die geeigneten Eigenschaften besitzt. Wollen Sie zum Beispiel eine kontrastreiche Grafik kopieren, so verliert sie in der Regel an Schärfe und Einzelheiten gehen verloren. Durch die Filter korrigieren Sie das Bild in bezug auf Helligkeit und Graustufenverteilung soweit, daß es weichere Übergänge erhält. So bleiben alle Details und Konturen zwar erhalten, sind aber so korrigiert, daß der Kopierer die Vorlage ohne Schwierigkeiten originalgetreu reproduzieren kann. Besonders für Dokumentationen oder die grafische Unterstützung von Texten ergeben sich phantastische neue Hilfsmittel.

Sind an einer bestimmten Stelle Korrekturen oder Änderungen nötig, ergeben sich zwei Probleme. Einerseits muß der Bereich vergrößert werden, andererseits ist die richtige Graustufe herauszufinden. Lazy Paint leistet in beiden Bereichen Hilfe. Innerhalb der Pull-Down-Menüs finden Sie die Einstellung »Finde Farbschattierung«. Sobald diese aktiv ist, wandelt sich das Fadenkreuz in ein Fragezeichen. Bewegen Sie dieses an die Stelle, von der Sie den jeweiligen Farbwert benötigen. Nach Betätigen der linken Maustaste springt der Farbwahlschalter am unteren Bildrand zu der entsprechenden Stelle. Damit messen Sie nicht nur die aktuelle Schattierung, sondern das Programm aktiviert sie gleichzeitig für sofortiges Weiterarbeiten.

Über Rollpfeile links und rechts der Skala lesen Sie weitere Farbbänder ein. Diese sind unterschiedlich grob, das heißt, sie weisen andere Rasterstufen auf. Damit stehen Ihnen in den verschiedenen Auflösungen die entsprechenden Farbskalen zur Verfügung, was die Arbeit entscheidend erleichtert.

In der linken unteren Bildschirmecke befindet sich eine kleine Lupe, die ständig eingeblendet und aktiv ist. Sobald Sie eine Linie anfahren, erscheint diese in einer Pixeldarstellung innerhalb des Lupenfensters. Für den Entwurf einer Zeichnung reicht das zwar aus, ist allerdings bei der Korrektur fertiger Bildteile nicht zu gebrauchen. Hierzu steht eine spezielle Funktion zur Verfügung, welche die Zeichenfläche in zwei Hälften teilt. In dem linken Fenster befindet sich die Originalzeichnung und im rechten Fenster stellt Lazy Paint den gleichen Ausschnitt wesentlich vergrößert dar. Gleich in welchem Fenster Sie nun zeichnen — sämtliche Änderungen erfolgen sofort in beiden Darstellungen. Dabei scrollt das Bild automatisch weiter, sobald Sie sich außerhalb des sichtbaren Bereichs befinden.

Zu jeder Zeit verschieben Sie mit der rechten Maustaste das Bild in allen Bedienungsarten. Das Fadenkreuz wechselt in ein Handsymbol, und bei gedrückter rechter Maustaste verschieben Sie das Bild. Durch Druck auf die Leertaste nutzen Sie den gesamten Bildschirmbereich zur Darstellung der aktuellen Zeichnung. Eine erneute Betätigung der Leertaste ruft die Menüs wieder auf.

Lazy Paint ist ein erstklassiges Programm, wenn es um das Scannen und die weitere Bearbeitung der gescannten Bilder geht. Nicht zuletzt die PostScript-Ausgabe und damit der Anschluß an Laserbelichter machen das Programm zum vielseitigen, komfortablen Werkzeug. Obwohl auch als reines Malprogramm ohne Scannerfunktion erhältlich, sind seine Stärken mit Sicherheit in der Zusammenarbeit mit Scannern zu suchen. Für den Betrieb des Cannon-Scanner IX 12 F wird Lazy Paint mit dem passenden ROM-Modul ausgeliefert. (wk)

Wertung
Name:Lazy Paint
Preis:zirka 300 Mark ohne Scanner-Modul
Vertrieb:Human Technologies
Stärken: □ komfortable Zeichenroutinen □ alle Menüfunktionen über Tastatur erreichbar □ variable Filter zum Modifizieren eines Bildes □ Postscriptfähig □ liest und speichert die wichtigsten Grafikstandards □ an unterschiedliche Auflösungen angepaßte Farbskalen □ Kabel zum Anschluß des Moduls im Lieferumfang enthalten
Schwächen: * lange Interaktionszeiten □ als reines Malprogramm zu wenig Funktionen
Fazit: ein ausgezeichnetes Programm in Verbindung mit einem Scanner, besitzt als reines Grafikprogramm jedoch wenig Funktionen

Bernhard Hermann
Aus: ST-Magazin 05 / 1989, Seite 32

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