Gespräch mit Atari-Geschäftsführer Alwin Stumpf

Deutschland - Ataris größter und professionellster Markt

ST Magazin: CeBIT '89 das ist in jedem Jahr ein guter Indikator für den geschäftlichen Erfolg. Wie beurteilen Sie den allgemeinen Messeverlauf für Atari?

Alwin Stumpf: Die CeBIT '89 ist eine gute Messe gewesen. Es war die ganze Zeit sehr voll auf dem Atari-Stand. Das Publikum bewies immer wieder ein hohes Niveau. Auch die Mischung von privatem Anwender und professionellem Kunden war vorhanden, so wie wir es uns wünschen. So gesehen sind wir mit der Messe sehr zufrieden.

ST Magazin: Sie haben den Atari PC 5 auf der Messe gezeigt. Wann kommt er in den Vertrieb?

Alwin Stumpf: Der PC 5 ist bereits im Vertrieb. Er wurde zur Messe besser ausgestattet und besitzt jetzt neben neuen Schnittstellen auch eine eingebaute VGA-Karte. Trotz dieser besseren Ausstattung ist der Preis gleich geblieben.

ST Magazin: Der Taschen-PC »Folio« kommt gut an.

Alwin Stumpf: Der kommt sehr gut an. Es ist ein völlig klassenloses Produkt und sowohl für die Großfirma als auch für den privaten Anwender interessant. Dadurch hat er natürlich auf dieser Messe den größten Aufmerksamkeitsgrad erzielt. Alle Rundfunk- und Fernsehstationen haben ihn als Messeneuheit gezeigt. Es ist ja auch ein tolles Ding, einen PC auf so kleinem Raum zu bauen.

ST Magazin: Als weitere Neuheit war der Laptop zu bewundern. Wie ist die Akzeptanz, vor allem angesichts des relativ hohen Preises?

Alwin Stumpf: Die Akzeptanz des Laptop ist nicht euphorisch. Das war weder geplant noch erwartet. Solange die CMOS-Preise so hoch sind, ist da preislich nichts möglich. Wir haben dieses Gerät für ganz bestimmte Zielgruppen entwickelt, die mobil sein müssen. Wie Sie wissen, sind wir im Musikmarkt sehr stark vertreten und richten uns an diese speziellen Zielgruppen. Es ist nicht geplant, mit dem Laptop den 1040 oder den Mega 1 abzulösen obwohl das Gerät sowohl vom Design als auch von der Ausstattung sehr gut ankommt. Wir haben hier ein sehr hochwertiges Gerät gebaut. Ich glaube schon, daß wir damit Erfolg haben, nicht in den Stückzahlen, die wir von den anderen Geräten gewohnt sind, aber das ist auch nicht geplant.

ST Magazin: Besonders positiv wird der am Laptop herausgeführte Mega-Bus beurteilt. Man hat die Anregungen der Vergangenheit berücksichtigt.

Alwin Stumpf: Auch wir dürfen dazulernen.

ST Magazin: Wo ist der TT?

Alwin Stumpf: Wir stellen den TT in Deutschland auf der Atari-Messe in Düsseldorf vor.

ST Magazin: Welche Zielgruppe spricht der TT an?

Alwin Stumpf: Es wird zwei Versionen geben, den TT und den TT/X. Den TT/X lassen wir einmal außen vor. Die TT Maschine ist für Leute, die aus dem ST herausgewachsen sind und für den technologischen Anschluß etwas mehr Geld investieren wollen, wenn sie also mehr Auflösung, mehr Geschwindigkeit, mehr Rechnerleistung benötigen. Es ist im Prinzip die gleiche Zielgruppe, die wir 1985 angesprochen haben. Auch damals zu einem relativ hohen Preis. Diese Zielgruppe projizieren wir nach oben in eine deutlich höhere Preisklasse und erreichen sie jetzt wieder. Wenn wir technologisch stehenbleiben, gehen uns diese Leute verloren. Es ist nicht geplant, mit dem TT den 1040er oder den 520er abzulösen. Ganz sicher nicht.

ST Magazin: Wie definiert sich dann die Zielgruppe der Mega ST Käufer?

Alwin Stumpf: Es gibt mit Sicherheit Überschneidungen. Es ist aber normal, daß man bei Einführung einer neuen Technologie die Spitzen der alten Linie neu überdenken muß. So wie ich die Sache sehe, wird der TT in den nächsten 12 Monaten preislich deutlich über dem Mega ST liegen. Die Aussage »deutlich unter 10000 Mark« gilt selbstverständlich, aber der Preis hängt auch sehr stark von der Ausstattung, etwa des Monitors, ab.

ST Magazin: Auf der Messe entwickelten einige Softwarehäuser und Programmierer Bestrebungen, für die unterschiedlichen Softwarebereiche in Zukunft einheitliche Dateiformate zu verwenden, um den Datenaustausch zwischen einzelnen Programmen verschiedener Firmen zu vereinfachen. Wie steht Atari zu diesen Bestrebungen?

Alwin Stumpf: Eine Abstimmung ist sicherlich notwendig. Wären die Aktivitäten nicht von dort ausgegangen, dann sicherlich von uns. Man muß berücksichtigen, daß wir 1985 in einem desolaten Zustand in den Markt gegangen sind und keine Möglichkeit hatten, diesen Markt zu steuern. Wir wollten das auch gar nicht, denn für uns stand die Kreativität im Vordergrund. Natürlich ist es im Nachhinein relativ schwer, den Markt wieder zu regulieren.

ST Magazin: An einigen Äußerungen von Ausstellern und Besuchern der Messe konnte man ablesen, daß Atari offensichtlich noch mit gewissen Akzeptanzproblemen im professionellen Bereich zu kämpfen hat. Wird es eine Profi-Linie geben, die sich deutlich von den bisherigen Modellen abhebt?

Alwin Stumpf: Wir sind intern bereits in zwei Sektoren aufgeteilt, den Consumerbereich und den Profibereich. Eine direkte, auch äußerliche Trennung halte ich für gefährlich. Wir setzen darauf, daß die Intelligenz des Marktes ständig zunimmt. Das passiert zweifellos mit jeder Maschine, die zusätzlich verkauft wird. Nicht nur von uns, sondern auch von unseren Mitbewerbern. Ich glaube, daß es in absehbarer Zeit nicht mehr diese Unterteilung, sondern nur noch Preisklassen gibt. Es wird den privaten Entertainment-Sektor unter 1000 Mark geben, der auch bleiben muß, und den professionellen Einsatz. Sie können heute kaum noch unterscheiden zwischen einem professionellen privaten und einem professionellen gewerblichen Einsatz. Die Grenzen sind fließend. Eine solche Einteilung gab es nur solange, wie völlig überteuerte leistungsschwache Produkte mit einem riesigen Supportaufwand verkauft wurden. Aus diesem Zeitalter sind wir längst heraus. Ich sehe nicht ein, warum beispielsweise die Textverarbeitung eines freien Autors, der zu Hause arbeitet, schlechter sein muß, als die, die bei Daimler Benz eingesetzt wird, wenn sie zum gleichen Preis zu verwirklichen ist - darauf setzen wir.

Natürlich gibt es Image-Probleme, sowohl im privaten als auch im Großkundenbereich. Nur, ich muß Ihnen ganz ehrlich sagen, wir leben mit unseren Image-Problemen eigentlich nicht schlecht. Entscheidend ist eine vernünftige Qualität zu vernünftigen Preisen. Wir sind ja heute fast in allen Großfirmen vertreten und über die privaten Nutzer in die Großfirmen und Institute hineingekommen. Ich finde diesen Weg gar nicht schlecht, er ist Atari-typisch. Natürlich wollen wir uns ein professionelles Image geben. Auch eine Consumerfirma muß heute sehr professionell arbeiten und steht unter großem Kostendruck. Wir können nicht einfach sagen »es ist professionell und damit ist es teuer«. Die Zeiten sind vorbei. Das Problem der großen etablierten EDV-Firmen ist, daß der Markt immer intelligenter wird. Natürlich muß man ständig an seinem Image arbeiten, und das tun wir, aber wir wollen nicht die Nähe zum Konsumenten verlieren. Ich glaube kaum, daß derjenige, der heute einen 1040er zu Hause,hat, in seiner Firma mit Image-Problemen kämpft.

ST Magazin: Viele Akzeptanz-Schwierigkeiten sind sicherlich begründet in der für professionelle Anwender ungewohnten Support- und Händlerstruktur von Atari.

Alwin Stumpf: Wir haben das beim Thema DTP berücksichtigt. Hier haben wir eine ausgewählte Zahl von Händlern in ganz speziellen Schulungen und Kursen auf die Vertriebsaufgabe im DTP-Bereich vorbereitet. Wir hoffen damit, die besonderen Gegebenheiten dieses speziellen Marktes zu berücksichtigen. So können wir dem Kunden garantieren, daß er in diesen DTP-Zentren jede qualifizierte Beratung erhält, die er benötigt. Dieses Konzept ist nicht nur auf den DTP-Bereich beschränkt, sondern für alle Support- und beratungsintensiven Hard- und Softwarelösungen vorgesehen.

ST Magazin: Welche konkreten Bereiche sind das in der nächsten Zukunft?

Alwin Stumpf: Wir werden »Coherent-DOS« auf dem ST bringen, ein Unix-ähnliches Betriebssystem. Diese Software ist im Unix-Bereich sehr bekannt. Eine spezielle Gruppe bei Atari wird diese Software nach dem gleichen Konzept wie DTP in den Markt bringen.

ST Magazin: Wie sieht die Zukunft des Atari ST aus?

Alwin Stumpf: Es wird in den Jahren '89 und '90 zu einer Teilung des Marktes kommen. Neben dem bisherigen ST mit 68000er-Prozessor wird der TT mit 68030er-Prozessor wichtige Aufgaben im Bereich der professionellen und industriellen Anwendungen übernehmen. Die langsam sinkenden DRAM-Preise schaffen die Voraussetzung, den ST mit weiteren Leistungsmerkmalen auszustatten und trotzdem seinen Preis zu halten. Vor allem im Universitätsbereich sind da noch viele Wege offen.

ST Magazin: Wie steht Atari zu dem Thema »ST in der universitären und allgemeinen Ausbildung«?

Alwin Stumpf: Gerade der universitäre Markt ist einer unserer Keimzellen. Die Studenten haben den Atari ST zuerst akzeptiert. Hier wird der Laptop und mittelfristig der TT die Rolle des ST übernehmen, wenn es uns gelingt, das Preisgefüge wieder in vergleichbare Regionen zu bringen. Für viele Anwendungen reicht irgendwann die Leistung einer Maschine nicht mehr aus, und man muß aufsteigen.

ST Magazin: Sind diese Entwicklungen eine typisch deutsche Situation, oder spielt Atari Deutschland hier, auch gegenüber den Amerikanern, eine gewisse Vorreiterrolle?

Alwin Stumpf: Der deutsche Markt ist der größte und professionellste Markt für Atari. Daß von diesem Markt die meisten Impulse ausgehen, ist völlig klar.

ST Magazin: Man gewinnt manchmal den Eindruck, Sie sind mit einigen Entscheidungen der Amerikaner nicht ganz glücklich.

Alwin Stumpf: Das ist nicht. richtig. Diese Entscheidungen treffe ich ja mit. Wenn ich nicht glücklich bin, dann über eine Konzessionsentscheidung, die nicht anders darstellbar ist. Womit ich häufig ungeduldig bin, das ist der Fortgang. Aber das 3 liegt in der Natur der Sache, die Entwickler sind häufig langsamer als die Marketing-Leute. Aber da ich an allen wichtigen Entscheidungen maßgeblich beteiligt bin, trage ich diese Entscheidungen natürlich auch mit.

ST Magazin: Dann ist der deutsche Markt der wichtigste für Atari?

Alwin Stumpf: Für den ST Bereich sicherlich.

ST Magazin: Wird das für den TT genauso sein?

Alwin Stumpf: Ich hoffe es. Die Amerikaner haben zu Beginn des ST ihre Marktchance vertan. Aber wir sind heute vier Jahre weiter und ich bin sicher, daß wir nicht zweimal denselben Fehler machen.

ST Magazin: Wir danken Ihnen für das Gespräch.

Wolfgang Klemme

Stimmen zur CeBIT '89

Auf Messen ergeben sich immer Gelegenheiten zu einem Meinungsaustausch. Hier vier Stimmen von Kennern der ST Szene, die schildern, wie sie die größte Computermesse der Welt erlebten.

Dr. Achim Becker, Data Becker:
Wir sind in diesem Jahr sehr zufrieden, sowohl was die Qualität des Publikums als auch was Data Becker im
Besonderen angeht. Natürlich sind wir hocherfreut über die große Akzeptanz hier in Hannover.
Ein kleines Beispiel hierfür: Wir haben etwa das Dreifache an Katalogen gegenüber dem Vorjahr verteilt. Das zeigt, daß wir mit unseren Produkten richtig im Markt liegen, daß Interesse da ist.
Der ST wird sicher noch eine sehr langfristige Zukunft haben, wenn Atari keine allzu groben Fehler begeht. Das Gerät liegt aus meiner ganz persönlichen Sicht deutlich vor einem PC, denn der PC ist für mich »Steinzeit-EDV« im Vergleich zu einem ST.

Norbert Ederer, Bavaria Soft:
Der Besuch der CeBIT '89 und der Messeverlauf sind durchaus als gut zu bezeichnen. Die Entwicklung unserer Programme der BSS Plus-Serie ist im wesentlichen abgeschlossen. Wir warten jetzt auf die offizielle Einführung des Atari TT, da BSS Plus für den Multiuser und Netzwerk-Betrieb konzipiert ist. Zur Standaufteilung ist anzumerken, daß mir eine bessere Aufteilung in Laut-/Leisezonen mehr zugesagt hätte.

Thomas Maier, Tommy Soft:
Der Verlauf der Messe war äußerst positiv, die Besucher auf einem sehr hohen Wissensniveau. Viele Reaktionen auf unsere Produkte waren sehr positiv.
Daß sich bei den Softwarehäusern etwas tut bezüglich der Formate, die ein Programm lesen und schreiben können sollte, begrüße ich sehr. So könnte ein Standard geschaffen werden, der nicht nur auf den ST beschränkt ist.

Werner Pfingstmann, IBP Gerätebau:
Im großen und ganzen bin ich mit dem Messeverlauf zufrieden, jedoch ist beispielsweise die Düsseldorfer Atari-Messe derartigen Großveranstaltungen vorzuziehen, da in Düsseldorf AtariBesitzer und -Interessenten anzutreffen sind. In Zukunft wird IBP nur noch auf speziellen Fachmessen vertreten sein. (uh)



Aus: ST-Magazin 05 / 1989, Seite 7

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