Geld für Schulung und Beratung: Verkaufen Sie Ihr Computerwissen

Eine Altbauwohnung im Münchner Studentenviertel Haidhausen — hier treffen wir Peter und Werner. In einer Zimmerecke, auf zwei Holzböcken und einer Sperrholzplatte stehen ein 1040 ST und ein Nadeldrucker. Auf diesem Schreibtisch berechnete Werner damals das erste Angebot für seine Importfirma mit Taschenrechner, Radiergummi und Bleistift. »Peter überzeugte mich sehr schnell von den Vorteilen eines Computers« erzählt Werner. »Für mein erstes Angebot brauchte ich einen ganzen Abend. Peter hat mir damals empfohlen, einen ST und eine Tabellenkalkulation anzuschaffen. Zusammen suchten wir die Computer-Grundausstattung aus. Dann hat mir Peter gezeigt, wie man ein Arbeitsblatt anlegt. Mit diesem Arbeitsblatt schaffe ich jetzt ein Angebot in einer halben Stunde.«

Danach half Peter seinem Freund bei der Auswahl eines Druckers, er empfahl ihm eine Textverarbeitung und paßte sie an diesen Drucker an, er erfaßte Werners Kundendaten mit einer Dateiverwaltung und zeigte ihm, wie man Serienbriefe druckt.

Nach diesen Erfahrungen beschloß Peter, seine Beratungstätigkeit auszuweiten. Dabei konzentrierte er sich auf die Unterstützung von Studenten, Wissenschaftlern, kleinen Firmen und Selbständigen. »Diese Anwender können sich in der Regel den Beratungsservice großer Büros nicht leisten. Genau in diese Marktlücke stößt mein Angebot.«

EDV-Berater wie Peter helfen Anwendern bei Hardware- und Softwarekauf und zeigen, wie Computer und Software zu bedienen sind. Sie ermitteln das Einsatzspektrum der Software und wählen die richtigen Programme aus. Beispielsweise benötigt ein Schreibbüro ein anderes Textprogramm als das Sekretariat einer mittelständischen Firma. Schließlich müssen Berater in allen kniffligen Fragen weiterhelfen, etwa wenn der Drucker streikt oder das FiBu-System gerade abgestürzt ist. Hier sind sie als Software-und Hardware-Experten gleichermaßen gefragt. Was sind die Voraussetzungen für diesen Job, wo liegen die Einsatzschwerpunkte?

»Die Beratung setzt gründliches Wissen über den Atari ST und seine Standardprogramme voraus. Man muß nicht nur das Betriebssystem und die wichtigsten Peripheriegeräte kennen, sondern auch die meistverwendete Software für Textverarbeitung, Datenverwaltung und Finanzbuchhaltung«, sagt Peter. EDV-Berater verfügen über Spezialkenntnisse, die sie zum einen aus der praktischen Arbeit mit dem Computer gewonnen haben, und zum anderen aus der regelmäßigen Lektüre von Fachbüchern und -Zeitschriften. »Wenn ich meinem Klienten eine Faktura empfehle, muß ich über Vor- und Nachteile dieses Programms Bescheid wissen. Dazu durchforste ich ständig den Markt nach geeigneten Programmen und untersuche, welches davon genau das Einsatzspektrum des Kunden abdeckt.«

An der Hotline

Neben Empfehlungen für den Hard-und Softwarekauf besteht die Beratertätigkeit in der langfristigen Betreuung des Klienten. Hier kommt es zum einen darauf an, die erworbene Software an die Anforderungen des Endanwenders anzupassen. Dazu gehört bei einem Textprogramm das Anfertigen von Druckertreibern, Briefköpfen und Serienbriefroutinen. Die Faktura oder FiBu muß auf die wichtigsten Betriebsdaten eingestellt werden. Dazu Peter: »Der Kunde erwartet, daß ich diese lästigen Aufgaben übernehme. In einigen Fällen war es auch notwendig, für die Anpassung eigene Spezialprogramme und Makroroutinen zu schreiben.«

Außerdem arbeiten Berater als Hotline-Ersatz. Was ist, wenn die Textverarbeitung diese oder jene Fehlermeldung ausgibt? Was ist passiert, wie kann man helfen? Berater lösen über Telefon oder Klientenbesuch Probleme, die im alltäglichen Einsatz fast zwangsläufig auftreten. Ursachen sind Bedienungsfehler oder die »Macken« und Eigenheiten eines Programms. Ein Beispiel aus der Praxis: Der Berater hat einem Anwender das Textprogramm »1st Word Plus« empfohlen und ein bestimmtes Druckformat installiert. Nun ruft der Kunde an und beschwert sich über einen fehlerhaften Ausdruck. Der rechte Rand stimme nicht mehr. »Am Telefon kläre ich, ob der Anwender auf jede neu formatierte Diskette den Format-Ordner überspielt hat. Dies hat er vergessen. Jetzt erkläre ich ihm, wie es weitergeht.« Gewiß, dies war ein einfaches Problem, doch Peter hatte schon Fälle, in denen die Festplatte Lesefehler aufwies oder das FiBu-Programm während des Buchens seinen Dienst aufgab. Nach unseren Erfahrungen, sei es im Bekanntenkreis oder bei Anfragen an die Redaktion, läßt sich ein Großteil der auftauchenden Probleme schnell erledigen. Wenige Fragen beanspruchen jedoch viel Aufmerksamkeit und Arbeit.

Wenn Sie die hier aufgeführten Voraussetzungen für eine Beratertätigkeit erfüllen, interessiert Sie sicherlich, wie groß der potentielle Kundenkreis ist, und wie Sie die ersten Kunden finden. Wie bereits erwähnt, besteht vor allem im privaten Bereich eine Marktlücke für fundierte und solide Computerberatung, weil die meisten professionellen EDV-Berater für Privatleute schlichtweg zu teuer sind. Sie können mit Kleinanzeigen in der lokalen Tageszeitung und mit »Mundpropaganda« unter Freunden und Bekannten anfangen. Erfolgversprechend sind auch gute Kontakte zu den Computerläden in Ihrer näheren und weiteren Umgebung. Mit ein wenig Glück und Überredungskunst verweisen die Verkäufer hilfsbedürftige Einsteiger auf Ihr Serviceangebot. Am Anfang ist bei der Suche nach neuen Kunden in jedem Fall Eigeninitiative notwendig. Nach den ersten erfolgreichen Beratungsstunden geht alles andere meist sehr schnell: »Über Werner fand ich bald neue Kunden«, erzählt Peter, »Einige von denen haben mich wieder weitervermittelt. Wichtig ist, daß man vielseitig ist, sich mit vielen verschiedenen Anwendungen und Programmen auskennt. Und daß die Kunden denken, das Geld hat sich gelohnt, das sie für meinen Service ausgegeben haben.« Wieviel Geld müssen sie denn für die Beratung bezahlen? Nach etwas Zögern antwortet Peter: »Nun, professionelle EDV-Berater verlangen pro Stunde über 150 Mark. Kaum ein Privatanwender kann sich ein Honorar in dieser Höhe leisten. Meine Stundensätze lagen am Anfang zwischen 30 und 50 Mark. Mein bisheriges Spitzenhonorar erhielt ich von einem selbständigen Handelsvertreter. Er bot mir 100 Mark pro Stunde.«

Am Lehrerpult

Hatten Sie vielleicht seit Ihrer Schulzeit den Wunsch, von der Schulbank an die Tafel zu wechseln? Dann geben Sie doch in Schulungen Ihr Computerwissen weiter. Hier weisen Experten Anfänger in den Umgang mit Hard- und Software ein: theoretisch und am Computer, so wie Fahrschulen ihren Kunden das Autofahren beibringen. Die Nachfrage nach solchen Kursen ist hoch. Privatanwender, Behörden und Verwaltungen kommen als Kunden in Betracht. Als Anbieter von Schulungen sollten Sie über ein bestimmtes Angebot an Einführungsthemen verfügen. Abhängig von Ihren Fähigkeiten und Interessen sind denkbare Angebote zum Beispiel »Vermittlung von Computergrundwissen«, »Programmieren in Basic« oder »Einführung in Textverarbeitung,1 Datenverwaltung und Tabellenkalkulation«. Ein Tip: Bemühen Sie sich darum, daß das Arbeitsamt Ihren Kurs als berufliche Weiterbildung anerkennt.

Es versteht sich von selbst, daß Sie über die Kursthemen gründlich Bescheid wissen müssen. Hinzu kommt ein gewisses Maß an pädagogischem Geschick und eine gehörige Portion Organisationstalent. Am einfachsten ist es, in einem Betrieb oder einer Verwaltung die Mitarbeiter an den neuen Geräten zu schulen. Schwieriger wird es, wenn Sie selbst als Veranstalter auftreten und deshalb die Geräte stellen müssen. Dies ist sehr risikoreich und setzt ein hohes Startkapital voraus.

Für den Anfang empfehlen wir, dem Beispiel Monikas zu folgen. In Bielefeld gibt sie Einführungen in Programmiersprachen. Ein Händler stellt ihr abends seine Geschäftsräume und die Computer zur Verfügung — daß er dies ganz umsonst macht, führt sie auf ihr Verhandlungsgeschick zurück. Wieviel verdient sie dabei? Auch sie antwortet etwas umständlich: »Der Seminarleiter einer betrieblichen EDV-Weiterbildung erhält je nach Firma und Umfang des Schulungsprogramms bis zu 1000 Mark pro Tag. In meinem Fall ist die Gewinnspanne nicht so einfach vorherzusagen. Sie hängt hauptsächlich von der Teilnehmerzahl ab. Zum Beispiel zahlt jeder Teilnehmer für drei Abende 250 Mark. Natürlich muß ich bei meiner Kalkulation neben der reinen Kurszeit auch die Zeit für Vorbereitungen und den Aufwand für Werbung berücksichtigen.«

Computerberatung und -Schulung sind Branchen, die noch wachsen. Auch künftig wird dieser Wirtschaftszweig expandieren, denn immer mehr Menschen müssen oder wollen den Umgang mit dem Computer erlernen. Viele lassen sich die komplizierte Technik durch Experten vermitteln. Dies verlangt von den Beratern oder Dozenten neben umfassendem Computerwissen auch pädagogisches Talent.

Wer diese beiden Voraussetzungen erfüllt, übt laut Monika eine Tätigkeit aus, »die interessant ist, bei der man unter Umständen ganz gut verdient, und die Zukunft hat«. (ps)


Michael Spehr
Aus: ST-Magazin 04 / 1989, Seite 46

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