Mit der eigenen Software zu Geld und Ruhm
Sicher haben Sie auch schon von dem einen oder anderen Star-Programmierer gelesen, dem sein Softwarebestseller zu unerwartetem Ruhm und einem wohltuend gut gepolsterten finanziellen Kissen verholfen hat. Wer blickt da nicht sehnsuchtsvoll hinüber zu seinem leicht eingestaubten Computer, dessen Speicherchips kaum mehr als die Bytes der vertrauten Textverarbeitung oder einer Dateiverwaltung kennen.
Ob man nicht auch einmal das Programmierergewand anprobieren sollte? Gerade der Atari ST ist doch aufgrund seines klaren Hard- und Softwarekonzepts einer der am leichtesten zu programmierenden 16-Bit-Computer unserer Zeit. Auf der mitgelieferten Diskette schlummert immer noch ein Basic-Interpreter, das Wissen über diesen verbreiteten und unkomplizierten Dialekt vermittelt ein Basic-Einsteiger-Buch.
Flugs ist also ein nettes Biorhythmusprogramm gestrickt und an den nächsten Verlag geschickt — ein paar Tausender werden da schon herausspringen. Die Ernüchterung kommt postwendend: »Ein wirklich gelungenes Werk, aber leider hatten schon 107 Hobby-Programmierer vor Ihnen dieselbe Idee. ..«
Aus der Traum vom großen Geld mit einem Schuß Ruhm? Nicht unbedingt: Wenn Ihnen das Programmieren Spaß gemacht hat, sollten Sie sich nicht entmutigen lassen und sich sogleich an ein neues Projekt wagen — aber diesmal mit System.
Zunächst müssen Sie bedenken, daß Ihr Programm schon etwas Neuartiges, Besonderes sein muß, um in dem riesigen Software-Ozean nicht unterzugehen — ein Biorhythmus-Algorithmus steht fast schon in jedem zweiten Basic-Buch. Das heißt: Entweder liegt Ihrem Programm eine gute, neue Idee zugrunde oder Sie präsentieren den neuen Vertreter einer bekannten Softwaresparte, der jedoch programmiertechnisch der Konkurrenz eindeutig überlegen ist.
In jedem Fall ist es wichtig, daß Sie sich in Computerfachgeschäften und durch Fachzeitschriften regelmäßig darüber informieren, ob es bereits vergleichbare Produkte auf dem Markt gibt. Wenn das nicht der Fall ist, dann können Sie Ihr Programm ganz nach Ihren Wünschen gestalten. Existieren jedoch schon Konkurrenten, dann sollten Sie sich diese sehr genau ansehen und sich überlegen, was Sie anders und besser realisieren können.
Konkurrenzdruck, persönliche Vorlieben und die Art Ihres Programms bestimmen schließlich auch die Sprache, in der Sie Ihr Programm schreiben. Wenn Sie gerne komfortabel programmieren, immer mal wieder einen Testlauf probieren und Ihr Programm eventuell einmal für einen anderen Computer umschreiben wollen, dann ist ein Basic-Dialekt das Richtige für Sie. In puncto Geschwindigkeit dürfen Sie dann jedoch bei Ihrem Endprodukt keine Sensationen erwarten. Auch ein Basic-Compiler vollbringt keine Wunder, sorgt aber meist für eine akzeptable Gangart und schützt zudem vor unerwünschten Blicken in Ihre Programmstruktur.
Ist eine maximale Ablaufgeschwindigkeit Ihres Programms gefragt — zum Beispiel, um die Konkurrenz zu überholen — dann führt kein Weg an einem Assembler vorbei. Der Preis dafür ist normalerweise ein höherer Programmieraufwand, erschwerte Portabilität auf andere Computersysteme und die Notwendigkeit, sich genaueste Kenntnisse über den Prozessor und das Betriebssystem Ihres Computers anzueignen.
C und Modula sind zwei populäre Alternativen zu Basic und Assembler, die einen guten Kompromiß zwischen Programmier-Komfort, Geschwindigkeit und Übertragbarkeit der Software auf andere Computertypen darstellen. Aber eben nur einen Kompromiß.
Haben Sie sich für eine Programmiersprache entschieden, dann sollte auch sogleich die zu Ihrem Computer und Ihrer Programmkategorie passende Literatur beschafft und gründlich geschmökert werden.
Spätestens jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, eine wichtige Entscheidung zu treffen: Wollen Sie erst das Programm schreiben und sich anschließend um den Verkauf kümmern oder umgekehrt? Wenn Sie außer Ihrer Idee und einem vorläufigen Konzept nichts anzubieten haben, lassen sich Computermagazine und Verlage höchstens auf Verträge mit vielen Klauseln ein, doch immerhin haben Sie schon einmal einen Fuß in der Tür. Außerdem können Sie Verbesserungsvorschläge und konzeptionelle Änderungswünsche von seiten der Firma noch ohne große Umstellungen einfließen lassen. Doch um den noch guten Ruf und meist auch um den Vertrag ist’s geschehen, wenn es beim Programmieren unvorhergesehene Probleme und Verzögerungen gibt, die den geplanten Abgabetermin platzen lassen. Wer sein Programm erst nach der Fertigstellung anbietet, bekommt normalerweise sofort definitive Zu- oder Absagen und konkrete Verträge. Pech hat er nur, wenn jemand anders die gleiche Idee hatte und sich früher um einen Vertrieb bemühte.
Ähnlich sieht es aus, wenn Sie Ihr Programm selbst vertreiben wollen: Zu früh geschaltete Anzeigen verärgern kaufwillige Kunden, während Ihnen bei zu spät gestarteten Anzeigen-Kampagnen ein Mitbewerber zuvorkommen kann. Ein relativ sicherer Mittelweg ist es, sein Werk kurz vor der Vollendung anzubieten, wenn keine größeren Rückschläge mehr zu erwarten sind, der Hauptteil des Programms schon zu einer Demonstration bereitsteht und Sie gewünschte Ergänzungen noch schnell berücksichtigen können.
Etwas leichter als die Bestimmung des richtigen Ankündigungs-Zeitpunkts fällt die Wahl der passenden Vertriebsart: Computerzeitschriften, Softwareverlage oder Eigenvertrieb stellen dabei die wichtigsten Kategorien dar.
Fachmagazine empfehlen sich als Forum für kleinere Programme, meist einfache Spiele, Hilfsprogramme, Ergänzungen zu kommerziellen Produkten und spezielle Anwendungen. Sie unterliegen keinem starken Konkurrenzdruck, müssen kein dickes Handbuch verfassen und haben in der Regel nicht mehr als ein bis zwei Monate, manchmal sogar nur ein paar Stunden oder Tage Programmierzeit investiert. Sie erhalten dafür üblicherweise, je nach Größe, Idee und Qualität Ihres Programms, eine einmalige Pauschale von 50 bis 500 Mark, bei besonderen Werken oder im Rahmen von Wettbewerben winkt auch schon mal ein Honorar zwischen 500 und 3000 Mark.
Solange sich die Beträge in erstgenannten Dimensionen bewegen, wird das Finanzamt Ihren Gewinn auch nicht so schnell schmälern. Nicht zu unterschätzen ist neben dem sichtbaren materiellen Erlös auch die Tatsache, daß Ihr Name schlagartig vielen tausend Menschen ein Begriff ist — so manchem diente dies schon als Karriere-Sprungbrett. Für Frank Ostrowski wurde beispielsweise sein in der Zeitschrift »Happy-Computer« veröffentlichtes »Turbo-Basic«, ein leistungsstarker Basic-Interpreter für die 8-Bit-Ataris, zum Sprungbrett in eine steile Computerkarriere. Heute ist der GFA-Basic-Autor Chefprogrammierer bei GFA-Systemtechnik.
Und so bieten Sie Ihr selbstgeschriebenes Programm einem Computermagazin an: Sie speichern es als Quellcode und in ablauffähiger Form (bei verbreiteten Basic-Dialekten nicht notwendig) auf einer Diskette, die Sie zusammen mit einem Begleitschreiben und einer genauen Bedienungsanleitung an eine Zeitschrift schicken. Erst wenn Sie von diesem Magazin eine Absage bekommen (und damit Ihre Diskette mit Anleitung zurück), sollten Sie es bei einer anderen Zeitschrift versuchen, denn sonst kommt es eventuell zu einer Doppelveröffentlichung, die alle Parteien verärgert. Ein Verkauf Ihres Programms an andere Verlage ist nach einer Veröffentlichungs-Zusage und korrekter Bezahlung des Honorars natürlich nicht mehr erlaubt. Mißverständnisse vermeiden Sie auch, wenn Sie deutlich vermerken, daß Sie eine vorherige Honorarabsprache wünschen — dies ist bei vielen Zeitschriften aus Zeitgründen durchaus nicht selbstverständlich.
An komplexeren Programmen wie Textverarbeitungen, Grafik- oder Musiksoftware, sind Zeitschriften weniger interessiert. Die Programmlänge und das meist zur Bedienung erforderliche Handbuch erschweren die Veröffentlichung. Selbstgeschriebene Programme dieser Art sind am besten bei Softwareoder Buchverlagen aufgehoben, die daraus ein eigenständiges Produkt mit professionellem Handbuch zaubern.
Schicken Sie Ihrem Lieblingsverlag möglichst frühzeitig eine aussagekräftige Demo-Version Ihres Programms. Wie bei den Zeitschriften gilt auch hier: Vermeiden Sie es, Ihr Angebot gleichzeitig an mehrere Verlage zu senden. Achten Sie schon bei der ersten Kontaktaufnahme auf seriöses Auftreten und zuverlässige Aussagen: In professionellen Software-Produkten stecken hohe Vorinvestitionen in Form von Druck- und Kopierkosten sowie Werbung. Auch wird später eine regelmäßige Produktpflege — Fehlerbeseitigung und Verbesserungen — erwartet.
Findet die Firma Gefallen an Ihrem Programm, liegt bald ein mehrseitiger Vertrag in Ihrem Briefkasten. Im Normalfall erhalten Sie eine prozentuale Umsatzbeteiligung, »Tantieme« genannt. Je nach Verlag und Ihrem Verhandlungsgeschick sind das rund 10 bis 20 Prozent vom Netto-Verkaufspreis. Bei Vertragsabschluß oder Ablieferung des Werks winkt zudem ein kleiner Vorschuß auf die zu erwartenden Tantiemen, die Ihnen ab dem Verkaufsbeginn in festen Zeitabschnitten (monatlich, viertel-, halb- oder ganzjährlich) zustehen.
Aber eines ist gewiß: Wenn sich Ihr Programm zum Bestseller entwickelt, profitieren Sie und der Verlag gleichermaßen davon, während im Falle eines Flops nur der Verlag wegen seiner Vorinvestitionen Verlust macht — Sie haben in diesem unwahrscheinlichen Fall lediglich Zeit verloren.
Ihren Gerätepark müssen Sie während der Entwicklungsphase nicht unbedingt kostspielig erweitern. Bei Bedarf stellen die meisten Vertriebe Drucker, Plotter, Festplatten, Großbildschirme und dergleichen für Programmanpassungen leihweise zur Verfügung.
Der Zeitaufwand für ein derartiges Profi-Produkt ist hoch. Mit sechs Monaten bis zwei Jahren Entwicklungszeit müssen Sie ebenso rechnen wie mit vielen weiteren Arbeitsstunden, in denen Sie sich mit Fragen von Kunden, Verbesserungen, Anpassungen und Fehlerbeseitigungen zu beschäftigen haben. Doch der Lohn für die Mühe ist — neben den angenehmen Tantiemen — auch der Stolz auf das eigene Werk.
Als dritte und letzte Vertriebsart für selbstgeschriebene Programme bietet sich der Eigenvertrieb an. Ihr Gewinn pro verkauftem Produkt liegt dabei höher als beim Vertrieb über einen anderen Verlag, Sie können verkaufspolitische Entscheidungen selbst fällen und die Werbung ganz nach Ihrem Geschmack schalten und gestalten. Doch dafür müssen Sie sich auch um die Kundenbetreuung, das Kopieren des Programms, das Drucken des Handbuchs, die Werbung, den Versand, die Abrechnungen, das Versenden von Rezensionsexemplaren und vieles mehr kümmern. Wenn Sie diese kaufmännischen Aufgaben beherrschen und nicht als zusätzliche Belastung empfinden, dann ist nichts dagegen einzuwenden.
Doch als reiner Programmierkünstler sind Sie besser damit beraten, wenn Sie diese kniffligen Arbeiten ausgebildeten Verlagskaufmännern und -frauen überlassen und die gesparte Zeit zum Schreiben weiterer Programme verwenden. Sogar große Softwarehäuser haben nicht selten den Vertrieb anderen Firmen mit den Worten überlassen: »Wir konzentrieren uns lieber auf das, was wir am besten können — nämlich programmieren.«
(tb)