Dein Freund und Helfer - 1st XTRA: Die universelle Toolbox für 1st Word Plus

1st Word Plus ist seit seinem Erscheinen das meistverwendete Textverarbeitungsprogramm für den Atari ST Es erfreut sich überall dort großer Beliebtheit, wo Anforderungen des kleinen und mittleren Bedarfs schnell und sicher zu erledigen sind. Dazu tragen seine gut durchdachte Konzeption, seine Bedienungssicherheit und seine leichte Erlernbarkeit bei. Fast allen Anwendern reichen Funktionsumfang und Leistungsvermögen von 1st Word Plus für die tägliche Arbeit aus. Allerdings gibt es auch unzufriedene Benutzer, in deren Augen 1st Word Plus nicht leistungsfähig genug ist. Diese Gruppe vermißt zum Beispiel das automatische Anlegen eines Inhalts- und Stichwortverzeichnisses und viele andere angenehme Eigenschaften, die Textverarbeitungsprogramme der MS-DOS-Welt bieten.

Dem Atari wäre sehr geholfen mit mindestens einem Profitextprogramm, das die Anforderungen von Wissenschaftlern und Vielschreibern berücksichtigt. Gespannt warten viele Anwender auf die erste deutsche Version von WordPerfect ST, das vielleicht diese Marktlücke füllt.

Bis dahin gibt es einige Versuche, 1st Word Plus durch eine Reihe zusätzlicher Tools aufzubessern. Dies läßt sich natürlich nur innerhalb gewisser Grenzen realisieren. Die lange Ladezeit für ein Dokument verkürzt auch das beste Hilfsprogramm nicht. Der Fußnotenfehler verschwindet dadurch nicht. Aber oft sind es ja die kleinen Dinge des Schreiberlebens, die das Arbeiten mit 1st Word Plus angenehmer gestalten. Viele dieser Tools haben wir Ihnen in den letzten Monaten vorgestellt. Ein weiteres bietet nun eine ganze Reihe von Funktionen, die die üblichen Konkurrenzprodukte nicht beherrschen. Es heißt »1st XTRA« und stammt von Clemens Weller.

1st XTRA verfügt über so viele Funktionen, daß es unmöglich ist, sie in in einem Satz aufzuzählen: Es legt ein Inhalts- und Stichwortverzeichnis von fertigen Texten an, erleichtert den Mehrspaltensatz, konvertiert Bilder von einem Format in ein anderes und druckt diese bei Bedarf in hoher Qualität ganz oder ausschnittweise aus. Daneben zaubert 1st XTRA Texte im »Ein-Pixel-Format« in Ganzseitendarstellung auf den Bildschirm, sortiert Zeilen, und versieht Texte mit Zeilennummern. Das Programm konvertiert 1st Word Plus-, ASCII- und GEM-Dateien untereinander und rekonstruiert sogar aus einem »*.cfg«-File der Druckeranpassung das ursprüngliche » *.hex«-File. Es versorgt Ihren Drucker mit neuen Zeichensätzen (als Downloadfont) und unterstützt den Datenaustausch von und zu MS-DOS mit einem 5,25-Zoll-Laufwerk. Der Vollständigkeit halber sei gesagt, daß 1st XTRA die Silbentrennung in einem Text rückgängig machen kann und über einen sehr leistungsfähigen Wortfilter verfügt, der mit Hilfe eines Datenbankprogramms lexikalische Analysen erleichtert.

Trotz der reichhaltigen Ausstattung mit vielen Funktionen und Befehlen läßt sich 1st XTRA relativ leicht bedienen, ein kurzer Blick in die Anleitung ist nur in der ersten Einarbeitungsphase notwendig. Zur einfachen und schnellen Handhabung trägt sicherlich die vollständige Einbindung des Programms in die grafische Benutzeroberfläche GEM und die Mausbedienung bei.

Die Kommandozentrale: So meldet sich 1st XTRA (oben links)
Einen guten Überblick bietet die 10-Seiten-Darstellung (oben rechts)
Die Einträge im Stichwortverzeichnis (links)

Nach dem Laden von 1st XTRA erscheint ein GEM-Bildschirm mit insgesamt sechs logisch gut gegliederten Pull-Down-Menüs und einer Anzeige auf dem Desktop-Hintergrund, die im ersten Moment an die Kommandozentrale von Raumschiff Enterprise erinnert. Sie zeigt Ihnen jederzeit, was das Programm gerade mit der aktiven Datei macht. In der oberen linken Ecke findet sich ein Statusbericht über den geladenen 1st Word Plus-Text. Er enthält die Angabe des Seiten- und Fußnotenformats. Im gegenüberliegenden rechten Kästchen sehen Sie den freien Speicherplatz im RAM und auf Diskette. Das mittlere Fenster zeigt die laufenden Aktionen an. Schließlich gibt der linke untere Fensterausschnitt die Einstellung des Textfilters für das Stichwort- und Inhaltsverzeichnis wieder. Der Blick auf einige Funktionen im Detail zeigt, wie das Ganze funktioniert.

Zunächst zum Stichwort- und Inhaltsverzeichnis. Es soll vor allem bei Büchern den schnellen Zugriff auf einzelne Textpassagen bieten. Die beste Lösung besteht ohne Zweifel darin, beim Schreiben des Textes jedem Stichwort einen frei gestaltbaren Registereintrag zuzuordnen.

So würde man etwa in einem Buch über Computer den im Text stehenden Begriff »Pascal« im Index unter den Oberbegriff »Programmiersprachen« einordnen. Diese sinnvolle Gestaltung des Registers gestattet 1st Word Plus von Hause aus nicht. Viele Tools erlauben die Indizierung eines Textes mit Hilfe von bestimmten Textattributen. Das Schlagwort wird etwa in heller Schrift geschrieben und erscheint mit den zugehörigen Seitennummern im Stichwortverzeichnis. Dieses Verfahren erfordert allerdings ein mühseliges Nachbearbeiten des Textes.

1st XTRA schlägt einen anderen Weg ein. Das Programm filtert alle Worte heraus, die einem (frei wählbaren) Kriterium gehorchen. Sie nehmen zum Beispiel diejenigen Begriffe in den Index auf, die mindestens acht Buchstaben lang sind und mit Großbuchstaben beginnen. Ein »Ausnahmefilter« entfernt danach auf Wunsch alle Worte, die in einem Ausnahmelexikon stehen: zum Beispiel »Andererseits«. Daneben existiert als Selektionskriterium auch ein Attributfilter, der wiederum nur für Worte durchlässig ist, die ein bestimmtes Textattribut besitzen. Hat man sich für die eine oder andere Einstellung entschieden, geht die Indexerstellung unglaublich schnell vonstatten. Um die Nachbearbeitung kommt man allerdings nicht herum.

Unsere Tests zeigten, daß die von 1st XTRA verwendete Filtermethode besonders für einfache Texte geeignet ist, in denen die längeren Worte tatsächlich zentrale und für das Stichwortverzeichnis relevante Begriffe darstellen. Ist Ihr Text komplexer und anspruchsvoller, dann sollten Sie in jedem Fall auf den Attributfilter zurückgreifen. Wie anwenderfreundlich das fertige Stichwortverzeichnis tatsächlich ist, hängt letztlich von der Nachbearbeitung per Hand ab.

Das Anlegen des Inhaltsverzeichnisses verläuft in gleicher Weise. Das Programm registriert als Überschrift die Zeilen, in denen alle Wörter mit festen Leerzeichen getrennt sind. Im Gegensatz zu vergleichbaren Programmen gibt es damit keinerlei Restriktionen in der Gestaltung der Überschriften. Auch hier überzeugte 1st XTRA durch eine außergewöhnlich hohe Arbeitsgeschwindigkeit.

Dies gilt auch für alle anderen Befehle, die mit der Textverarbeitung im weitesten Sinne Zusammenhängen. Auf Knopfdruck stellt 1st XTRA ein Dokument im »Ein-Pixel-Modus« dar. Zehn Seiten sind immer gleichzeitig angezeigt: Diese Darstellung erlaubt eine Kontrolle der Absatzgestaltung und Seitenumbrüche.

Praktische Details: die automatische Zeilennumerierung für ASCII-Dateien, besonders natürlich für Programmcodes. Sinnvoll für Adressenlisten und Bibliographien ist der Modus »Zeilen sortieren«, der bis zu 5000 Einträge in je einer Zeile alphabetisch sortiert. Wahlweise entfernt das Programm sogar Leerzeichen am Zeilenanfang, die etwa durch eine Einrückung entstanden sind. Zum Weiterverarbeiten von 1st Word Plus-Textdateien in einem anderen Programm ist in der Regel das Entfernen aller Silbentrennungen erforderlich. Auch dies gestattet 1st XTRA. Leider muß dazu der Text erst im ASCII-Format vorliegen. Obwohl in einem ASCII-Text Trennstriche und Gedankenstriche über einen identischen Code verfügen, hält das Programm diese dennoch auseinander. Die Filterroutine entfernt tatsächlich nur die reinen Silbentrennungszeichen.

Geradezu verblüffend einfach verläuft die Text- und Bildkonvertierung in unterschiedliche Aufzeichnungsformate. 1st XTRA erkennt automatisch die Herkunft einer eingelesenen Textdatei, sei es 1st Word Plus, ASCII oder GEM. Beim Konvertieren eines 1st Word Plus-Textes in das ASCII-Format berücksichtigt das Programm sogar die Fußnoten. Gleiches gilt für die Umwandlung von Bildern. Ob die Grafik aus den Programmen Degas, Neochrome, Doodle, STAD oder Snapshot stammt, ist einerlei. 1st XTRA handhabt die unterschiedlichen Dateitypen ausgesprochen zuverlässig und wandelt sogar Degas-Bilder der niedrigen und mittleren Auflösung in die hohe Auflösung um.

Weniger gelungen erscheint uns die Funktion »Umwandlung einspaltiger 1st Word Plus-Texte in mehrspaltige«. Zunächst formatieren Sie den Text unter 1st Word Plus auf die Breite einer Spalte. Anschließend setzt 1st XTRA nach Abfrage der Spaltenzahl die einzelnen Spalten in einem neuen Dokument zusammen. Gegenüber der Lösung, die 1st Mail verwendet, ergibt sich als Vorteil, daß man schon vor dem Ausdruck den endgültigen Spaltensatz begutachten und gegebenenfalls ändern kann. Dies geht allerdings auf Kosten der Textattribute, die 1st XTRA ohne ersichtlichen Grund komplett aus der Textdatei entfernt.

Zu den besonders positiven Seiten zählen wir hingegen die Druckeransteue-rung durch 1st XTRA. Neben dem Ausdruck von 1st Word Plus- und ASCII-Texten im laufenden Programm ist auch die Ausgabe von Grafiken in allen Formaten mit frei wählbarer Qualität vorgesehen. Mit Hilfe eines weiteren Menüs lassen sich sogar selbstgestaltete Zeichensätze an den Drucker schicken und unter 1st Word Plus nutzen.

Insgesamt gesehen arbeitete 1st XTRA in unserem Testlabor ausgesprochen zuverlässig und schnell. Ungeachtet des großen Funktionsumfanges ist es relativ leicht zu bedienen. Das (noch vorläufige) Handbuch machte einen etwas konfusen Eindruck, eine Überarbeitung schadet hier sicher nicht. 1st XTRA ist in jedem Fall eine sinnvolle und empfehlenswerte Ergänzung zu 1st Word Plus.

(wk)

Vertrieb: Atari Deutschland, Frankfurter Str. 89-91, 6096 Raunheim

Bei Bedarf auch mehrspaltig: ein von 1st XTRA montierter Spaltensatz
Automatische Zeilennumerierung eines ASCII-Textes

Wertung

Name: 1st XTRA
Preis: auf Anfrage
Hersteller: Clemens Weller

Stärken:

□ sehr viele sinnvolle Funktionen □ sehr schnell □ einfach zu bedienen

Schwächen:

□ Mehrspaltensatz unzureichend

Fazit: ein universelles Werkzeug für 1st Word Plus, das für jeden Anwender einen Gewinn darstellt


Michael Spehr
Aus: ST-Magazin 04 / 1989, Seite 22

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