Hier piepst’s: Soundmachine ST bringt Ihrem Atari die Flötentöne bei

Sound auf dem Atari ST, das ist, von MIDI-Instrumenten einmal abgesehen, immer eine heikle Angelegenheit. Der interne Soundchip mit seinen drei Stimmen und einer gemeinsamen Hüllkurve überzeugt nur selten durch das klangliche Ergebnis. Die eigene Programmierung gerät zu einem Hindernislauf ersten Ranges durch verborgene Chip-Register und verschlungene Interrupt-Traps. Einige Programme gestatten die Eingabe traditioneller Noten, um Tonhöhen und in begrenztem Umfang auch den Klang des Soundchips auf einfache Weise zu verändern. Automatisch erzeugen Sie damit auch Strings zur Einbindung in eigene Programme.

Die Berliner Firma Tommy Software besitzt bereits einige Erfahrung in puncto Soundprogramme. Mit Musix32 stand schon ein sehr leistungsfähiger Musikeditor für den Atari ST zur Verfügung, der auch den Programmcode zur Steuerung des Soundchips in eigenen Programmen lieferte. Mit der »Soundmachine ST« geht Tommy Software nun einen neuen Weg, der seit einiger Zeit die Programmiergemüter erhitzt. »Sound-Sampling« heißt das Zauberwort, das endlich den ST aus dem musikalischen Dornröschenschlaf wecken soll.

Bild 1. Die Hauptarbeitsseite mit allen Eingabewerten übersichtlich sortiert

Digitale Sounds

Soundmachine ST verwendet im Gegensatz zu allen bisherigen Programmen digitalisierte Klänge und Geräusche anstelle der drei üblichen Tongeneratoren. Dabei stehen nach wie vor drei Tonkanäle zur Verfügung. Besonders interessant ist die Einbindung der mit Soundmachine erzeugten Musikstücke in eigene Programme. Die Abspielroutine sorgt dafür, daß die Musik im Hintergrund dieser Programme läuft. Das Hauptprogramm behält dabei, je nach Komplexität der Musik und Anzahl der verwendeten Samples (digitalisierten Klänge), zwischen 6 bis 98 Prozent der CPU-Zeit.

Nach dem Programmstart erscheint die Hauptseite von Soundmachine ST (Bild 1) mit einem dreizeiligen Notenbild für die drei Tonkanäle. Der Mauspfeil steuert eine Leiste von drei Kreuzen, mit deren Hilfe Sie die Noten im Liniensystem plazieren. Durch die Kreuzreihe ist es relativ einfach, dabei auch ein optisch ansprechendes Notenbild zu produzieren. Der einfache Klick mit der linken Maustaste setzt eine Note an die durch das Kreuz markierte Stelle, ein Druck auf die rechte Maustaste entfernt die Note wieder. Im unteren Bildschirmdrittel befinden sich alle Funktionen, die Sie mit der Maus setzen. Die inverse Darstellung zeigt die gerade aktive Funktion an. Über die Tastatur schalten Sie zwischen den Notenwerten, Pausen und übrigen Zeichen um. Neben den Notensymbolen stehen auch noch Steuercodes in Form von Buchstaben und Zahlenwerten zur Verfügung, die etwa für die Synchronisation der Musik mit anderen Programmen oder für bestimmte musikalische Effekte wie Portamento vorgesehen sind. Auch die Ablaufsteuerung eines Musikstückes kontrollieren Sie über Steuercodes. Der »:« markiert beispielsweise ein Label, das Ihnen im späteren Verlauf des Stückes immer wieder über Sprungbefehle zur Verfügung steht. Die Konstruktion der Musikstücke besitzt also eine gewisse Ähnlichkeit mit strukturiertem Programmieren. Zunächst komponieren Sie kleine Teilstücke, die immer wiederkehren, dann rufen Sie diese »Unterprogramme« über die Labels auf und setzen so ein vollständiges Musikstück zusammen.

Vor die erste Note haben die Götter der Musiktheorie und die Programmierer noch einige wichtige Angaben gesetzt. Als erstes wählen Sie in jeder Zeile den Notenschlüssel für die Tonlage der Stimme, das Gesamttempo sowie alle notwendigen Steuerbefehle (z. B. Labelmarke). Danach geben Sie die Noten, Vorzeichen und Pausen ein. Bei den Vorzeichen ist zu beachten, daß Soundmachine ST die traditionellen Vorzeichenregeln beherrscht. Die Vorzeichen am Anfang eines Musikstücks gelten also in jedem Takt und nur das Auflösungszeichen hebt ihre Wirkung innerhalb eines Taktes auf. Alle anderen lokalen Vorzeichen gelten nur für den jeweiligen Takt, in dem sie stehen. Dementsprechend wichtig sind also auch die Taktstriche. Sie begrenzen den Wirkungsraum der lokalen Vorzeichen. Außerdem stellen die Taktstriche eine Endemarkierung für die Labels und Sprungbefehle dar. Sie entsprechen damit nicht der herkömmlichen Aufgabe des Taktes, sondern erlauben in diesem Programm eine relativ freie Gestaltung von Abschnitten. Innerhalb eines solchen Taktes ist es sogar denkbar, daß die Stimmen unterschiedliche Tondauern verwenden (Stimme 1 insgesamt 6/4tel, Stimme 2 nur 5/4tel).

Bild 2. Samples In Listen und viele Bearbeitungsformen

Die Länge der Musikstücke ist begrenzt auf maximal 14000 Noten, das dürfte selbst für anspruchsvollere Musikwerke reichen. Eine Bewegung in den drei endlosen Notenzeilen ist auf dreierlei Art vorgesehen. Die Pfeiltasten verschieben den Bildschirmausschnitt nach links oder rechts, < Shift Pfeil > blättert entsprechend. Bewegen Sie die Maus an den Bildschirmrand und drücken die rechte Maustaste, dann scrollt der Bildschirm ebenfalls seitlich. Zuletzt gibt es im Menü »Selection« den Befehl »Goto... «, mit dem Sie an eine beliebige Position im Stück springen.

Notendruck

Wünschen Sie nun das fertige Musikstück nicht nur auf Diskette oder Bildschirm, sondern auf dem Papier zu bewundern, so ist dies kein Problem. Es stehen zwei Druckertreiber für die gängigen Drucker (9- und 24-Nadler) zur Verfügung. Mit der im Handbuch gegebenen Beschreibung der Druckeransteuerung schreiben Sie leicht einen speziellen Treiber für Ihren Drucker.

Soweit ist an der Soundmachine noch nichts außergewöhnlich Neues. Betrachten wir nun die Soundsteuerung etwas genauer. Um Ihre Komposition abzuspielen, benötigen Sie Samples (digitalisierte Klänge), die sich in großer Auswahl auf der Programmdiskette befinden. Die benötigten Sounds laden Sie in die »Sampleliste«. Insgesamt stehen 16 Plätze für Samples zur Verfügung. Diese Samples sind in einer »Shapeliste«, einer Ablaufliste zusammengefaßt. Durch die Organisation in Ablauftabellen stehen Ihnen weitreichende Manipulationen zur Verfügung.

Es gibt zunächst einmal zwei verschiedene Arten von Samples, die mit »ONCE (OC)« und »HOLD (HD)« bezeichnet sind. Die Once-Samples laufen nach dem Anspielen nur einmal ab und enden dann (Drums). Die Hold-Samples klingen bis zu einem Stoppbefehl weiter. Dabei wiederholt das Programm den letzten Teil des Samples immer wieder, so daß der Eindruck eines endlosen Klangs entsteht (Flöten, Streicher). Diese Steuerbefehle sowie die mittlere Tonhöhe des Samples, Frequenzabweichungen für einen Vibratoeffekt, Legatoangaben und Lautstärkenwerte geben Sie in der Shapeliste ein. Dabei stehen maximal 128 Positionen pro Liste zur Verfügung.

In einer Shapeliste ist selbstverständlich Platz für mehrere Samples, so daß dichte Klangstrukturen problemlos zu realisieren sind. Pro Kanal erklingt allerdings gleichzeitig immer nur ein Sample. Es sind jedoch einige interessante Effekte denkbar. Spielen Sie zunächst einen kurzen perkussiven Sample und sofort danach einen lang klingenden, so erhalten Sie den Eindruck eines harten Anschlags. Mit einem weiteren Trick erreichen Sie vor allem bei sehr kurzen Samples gute Ergebnisse. Manchmal fällt es beim Hören nicht auf, wenn perkussive Klänge wie zum Beispiel die »BigDrum-2« mit 0,05 s Dauer um diese Zeitspanne verschoben erklingen. So fassen Sie leicht zwei oder sogar drei Schlagzeugstimmen auf einem Kanal zusammen. Einer der vier mitgelieferten Beispielsongs (Country.sng) nutzt diesen Trick in beeindruckender Weise.

Drei Stimmen sind für komplexere Musikformen häufig zu wenig. Es stehen deshalb auf der Diskette einige Samples zur Verfügung, die bereits vollständige Dur- und Moll-Dreiklänge spielen. So erreichen Sie mit einer Stimme die Akkordbegleitung. Stimme 2 bleibt für die Melodie, und die dritte Stimme übernimmt den Schlagzeugpart — das Arrangement ist komplett.

Um diese Schlagzeugparts komfortabel zu bearbeiten, finden Sie auf der Diskette ein weiteres Programm mit dem bezeichnenden Namen »Beatmachine« (Bild 3). Hier stehen Ihnen bis zu sieben Samples zur Verfügung, die jeweils zu einer Sampleliste (Kit) zusammengefaßt sind. Beatmachine verwaltet bis zu sieben solcher Kits gleichzeitig. Ein solches Samplekit stellt gewissermaßen einen »Übersample« dar. Das Programm berechnet die Positionen der einzelnen Samples zueinander und verrechnet sie zu einem neuen Gesamtklang, den die Soundmachine wiederum als einzelnen Sample betrachtet. Die Positionierung der einzelnen Samples im Zeitraster geschieht sehr einfach und komfortabel in einem Raster. Sie klicken mit der Maus einfach auf den gewünschten Schnittpunkt zwischen Taktschlag und Instrument, dann markiert das Programm die entsprechende Stelle im Raster mit einem kleinen Kästchen (siehe Bild 3). Diese Methode ist seit längerer Zeit schon von Drumcomputern bekannt, wo sie viele Anhänger gefunden hat.

Jeder Sample ist in der Lautstärke veränderbar. Die einzelnen Kits besitzen ebenfalls einige Parameter. Hier wählen Sie die Zahl der Taktschläge (NBEATS), also im Prinzip die Taktart und das Spieltempo (BPM, beats per minute). Um die Konstruktionsarbeit mit den Samplekits etwas zu vereinfachen, spendierten die Programmierer einige Kopierkommandos, mit denen Sie sehr schnell und einfach neue Kits zusammensetzen.

Bild 3. Beatmachine, die ideale Ergänzung für Rhythmusprogrammierung

Programmierung

Mit all diesen Funktionen und der Klangqualität der Samples erreicht die Soundmachine ST bereits den ersten Platz der nicht MIDIfizierten Musikprogramme. Doch nicht genug damit, es geht noch weiter. Die wichtigste Funktion für alle Sound-hungrigen Programmierer ist der Befehl »Compile Song« im »File«-Menü. Nach diesem Aufruf wandelt das Programm das aktuelle Musikstück in eine »Precode-Datei« um, die für Ihre eigenen Programme zur Verfü-, gung steht. Das GEMDOS enthält eine Funktion, die eigenständige Programme als Unterprozesse aufruft, sofern nur genügend Speicher zur Verfügung steht (Funktion »Pexec()«). Mit diesem Befehl Pexec() rufen Sie das Hilfsprogramm »SMSOUND.EXE« auf, das dann die Musikdaten lädt und für das Abspielen sorgt. Bei einigen Interpretersprachen gibt es Schwierigkeiten mit diesem Aufruf, da die Interpreter den gesamten verfügbaren RAM-Speicher belegen. Hier sollten Sie den verfügbaren Speicherplatz für den Interpreter so begrenzen, daß genügend Speicher frei bleibt.

Der Aufruf von SMSOUND.EXE ist unkompliziert. Das Handbuch gibt genaue Anleitungen für Omikron- und GFA-Basic, Pascal und C, so daß die Einbindung in eigene Programme nicht schwer fällt. SMSOUND.EXE besitzt darüber hinaus einige Werte als Übergabeparameter, die eine komfortable Steuerung zulassen.

Eigene Samples

Wem die umfangreiche Samplebibliothek auf den gelieferten zwei Disketten nicht genügt, der kann auch eigene Sounds samplen. Sie benötigen einen Sampler, der seine Daten im Byte-Format ablegt, wie zum Beispiel den G-DATA-Sampler. Außerdem ist ein Konvertierungsprogramm notwendig, das ebenfalls bei Tommy Software im Angebot ist. Wem die eigenen Samples zu umständlich sind oder wer keinen Sampler zur Verfügung hat, braucht nicht zu verzagen, sein Soundhunger kann mit zwei weiteren Soundbibliotheken gestillt werden. Vom Baß über Bongos, Gitarren und Telefone bis zum Xylophon ist hier alles vertreten, was Rang und Namen, pardon, Klang und Stimme hat. Sollte Ihnen bei so viel Soundvielfalt der Klang des Atari-Monitors zu schlecht sein, gibt es als Alternative den Soundextender mit oder ohne Hi-Fi-Box zum Anschluß an eine Stereoanlage. Hier erleben Sie endlich die volle 8-Bit-Sampleleistung, die der ebenfalls bei Tommy Software erhältliche Sampler bietet.

Bild 4. Eigene Samples für die Soundmachine

Neben soviel positiven Seiten der Soundmachine ST gibt es noch einige kleine Schönheitsfehler. Das Handbuch, Leidensthema Nummer eins bei Computern, ist auch hier kein Grund zur überschäumenden Freude. In typischem Programmierer-Schreibstil findet sich der Leser zwar mit allen relevanten Informationen versorgt, aber der Charakter eines Nachschlagewerkes erfüllt dieses Handbuch ohne Seitenzahlen leider nicht. Auch die Tatsache, daß Soundmachine ST den Tastaturbuffer nicht leert, erweist sich manchmal als störend. So dauert das Blättern über mehrere Seiten immer etwas länger als geplant. Die Tastatureingabe ist gespeichert, und deshalb blättert das Programm immer zu weit, wenn man die Tasten länger festhält. Die Aufteilung zwischen Tastatureingabe und Maussteuerung ist zunächst gewöhnungsbedürftig, aber nicht so tragisch. Problematischer ist die Tatsache, daß ein Song immer von Anfang an gespielt wird. Es ist daher ratsam, einzelne kurze Teilstücke zu komponieren und dann mit den komfortablen Steuerbefehlen und Labelmarken zu arrangieren.

Das sind jedoch alles nur kleine Schönheitsfehler, die den absolut positiven Gesamteindruck kaum einschränken. Sollte einmal ein Update vorliegen, sind sicherlich diese kleinen Kritikpunkte leicht zu beseitigen. Zur Zeit ist das Programm das Beste, was es in dieser Richtung gibt, und für alle, die sich mit Musikprogrammierung auf dem Atari ST beschäftigen, uneingeschränkt zu empfehlen. (wk)

Vertrieb: Tommy Software, Selchower Str. 32, 1000 Berlin 44

Wertung

Name: Soundmachine ST
Preis: 148 Mark
Hersteller: Tommy Software

Stärken:

□ Sample-Sounds □ viele Hilfsprogramme □ komfortable Eingabe □ viele Sounds beigefügt □ auch für den Notendruck brauchbar □ in eigene Programme einzubinden

Schwächen:

□ Handbuch □ Tastaturbuffer nicht gelöscht □ Song spielt nur vom Anfang

Fazit:

Das beste Programm für alle, die mit wenig Mitteln guten Sound auf dem Atari ST erreichen wollen


Wolfgang Klemme
Aus: ST-Magazin 03 / 1989, Seite 44

Links

Copyright-Bestimmungen: siehe Über diese Seite