Die Kirchenorgel in der Zigarrenkiste: Ein klangstarkes Paar - Roland MT-32 und C-Lab Explorer 32

Wolfgang Fastenrath Wolfgang Klemme

Bit by Bit putting it together«, so beginnt ein Song aus dem berühmten Broadway-Album von Barbra Streisand. Und genauso fühlt sich der begeisterte Klang-»Bastler« bei dem Versuch, einen der modernen kompakten MIDI-Soundexpander, einen Klangerzeuger ohne Keyboard, zu programmieren. Diese Winzlinge zeichnen sich durch eine große Soundvielfalt, gepaart mit ausgefuchsten MIDI-Funktionen, aus. Der große Nachteil solch kleiner Geräte besteht allerdings im häufig sehr kleinen Display und in der Begrenzung auf wenige, zum Teil mit fünf, sechs oder noch mehr Funktionen belegte Bedienungselemente. So geraten Bedienung und Klangwahl zum harten Übungsprogramm für Fingerakrobaten, die eigene Klangprogrammierung am Gerät selbst ist häufig nicht mehr durchführbar.

Dieses Manko gleichen Editorprogramme aus, die neben der totalen »Fernsteuerung« des Expanders auch gleichzeitig für die Soundverwaltung sorgen. Umfangreiche Bibliotheksfunktionen, Suchalgorithmen und die Speicherbarkeit der Klang-»Editionen« garantieren dem geplagten MIDIisten einen klaren Sound-Durchblick.

Als Beispiel für eine wahrhaft glückliche »Zweckehe« zwischen MIDI-Expander und dem Atari ST mit passender Editor-Software stellen wir Ihnen einen preiswerten MIDI-Expander der Firma Roland, das »Multi Timbre Sound Module MT-32«, und das vorzügliche Editor-Programm »Explorer 32« der Firma C-Lab vor.

Zum Preis von 1250 Mark (Preisempfehlung der Firma Roland, im Handel kostet der MT-32 etwa 1000 Mark) erhält der Käufer einen wahren »Soundwolf im Schafspelz«. Der Expander in seinem unscheinbaren schwarzen Kästchen besitzt als Bedienungselemente lediglich ein kleines LC-Display, einen Drehregler und zehn Tasten. Diese bieten trotz Mehrfach-Belegung keinen Zugang zu allen Funktionen. In der Gehäuserückwand verbergen sich die drei MIDI-Anschlüsse »MIDI-IN«, »MIDI-OUT« und »MIDI-THRU« sowie zwei Klinkenbuchsen für den Stereo-Tonausgang. Der MT-32 vereinigt die Funktionen eines Synthesizers, Drum-Computers und Hall-Generators. Der Synthesizer-Teil arbeitet mit zwei Roland-LA-Soundgeneratoren. Die Abkürzung »LA« steht für »Linear-Algorithm-Synthesis«. In 512 KByte ROM sind die Bausteine zur Klangerzeugung untergebracht. Neben klassischen Klängen mit Rechteck- und Sägezahn-Charakteristik stehen 128 Sample-Klänge (PCM-Generatoren) zur Verfügung, die man »Partiale« nennt.

Ein MT-32-Sound setzt sich aus maximal vier Partialen zusammen, die einzeln durch variable Filter und Hüllkurvengeneratoren steuerbar sind. Jeweils zwei Partiale lassen sich nach verschiedenen Algorithmen logisch miteinander verknüpfen (Addition, Ringmodulation, etc.). Der MT-32 bietet in einer breiten Klangpalette 128 fertige Sounds (»Patches«) vom Klavierklang bis zur Telefonklingel.

Acht Patches (Kombinationen von mehreren Sounds) lassen sich als sogenannte »Parts« (Instrumente) in den Spielspeicher (timbre memory) übernehmen und über acht MIDI-Kanäle gleichzeitig spielen. Dabei stehen maximal 32 Stimmen zur Verfügung, die sich dynamisch auf die verwendeten Patches verteilen. Bei Stereowiedergabe sind die Parts individuell im Bereich der Stereobasis zu positionieren. Ein weiterer MIDI-Kanal ist für 30 Drum-Sounds reserviert, die zusammen mit den acht Parts erklingen.

Zusätzlich zu diesen 128 ROM-residenten Klängen stellt der MT-32 im internen RAM Speicherplatz für 64 weitere frei editierbare Patches bereit. Da das RAM leider nicht batteriegepuffert ist, geht diese Belegung jedesmal beim Ausschalten des Gerätes verloren. Der MT-32 ist derzeit der Expander mit der größten Komplexität. Dementsprechend sind auch die Anforderungen an einen Editor bezüglich Übersichtlichkeit und Bedienungsvielfalt sehr groß.

Um es gleich vorweg zu nehmen: Explorer 32 erfüllt diese Anforderungen in hohem Maße. Das Programm, begleitet von einem gut 80 Seiten starken Handbuch in bester C-Lab-Manier, ist frei kopierbar, auch auf eine Festplatte. Bei Aufruf des Programms muß jedoch immer die Originaldiskette im Laufwerk A vorhanden sein. Nach dem Programmstart präsentiert sich der Arbeitsbildschirm mit Bedienungselementen für die Soundverwaltung. Im Fenster auf der rechten Bildschirmseite ist die aktuelle Klangbibliothek eingeblendet, links daneben in der sogenannten »Timbre Temp Area« erscheinen die Namen der maximal acht gleichzeitig aktiven Klänge des MT-32. Das »Timbre Memory«-Fenster zeigt die im RAM des MT-32 gespeicherten Klänge.

Bei Arbeitsbeginn enthält dieses Fenster zunächst keine Einträge, da der MT-32-Expander wegen der fehlenden Pufferung RAM-residente Klänge beim Abschalten verliert. Der Explorer übernimmt jedoch die High- und Low-Patches, das heißt die 128 ROM-Klangspeicherplätze in das Timbre Memory. Zusätzlich lassen sich über zwei Wahlknöpfe die Edit-Fenster zur Systemeinstellung und zum Beeinflussen der Rhythmussektion aktivieren.

Eine GEM-Menüleiste steuert die Such- und Sortieralgorithmen für die Klangbibliotheken sowie einige Grundeinstellungen des Programms. So integrierten die Programmierer zum Beispiel eine Auto-Play-Funktion, die eine vorgegebene oder neu aufgenommene Melodie bei jeder Parameteränderung an den Expander sendet. Mit Hilfe dieser Funktion lassen sich Einstellungen direkt überprüfen, ohne daß ein MIDI-Keyboard angeschlossen ist. Selbstverständlich kann man die Klänge sehr komfortabel (einzeln oder in Gruppen) kopieren, verschieben oder löschen. Auf Wunsch speichert Explorer alle Klangeinstellungen auf Diskette, die die C-Lab-Sequenzer-Programme »Creator« beziehungsweise »Notator« lesen und als »SysEx«-Block mitten im Song an den MT-32 übertragen.

Explorer 32: alle Sounds auf einen Blick
Die Edit-Seite zeigt übersichtlich alle Klangparameter

Von besonderem Interesse bei einem Soundeditor-Programm sind natürlich die Funktionen zur Klangveränderung. Zu diesem Zweck wechselt das Programm auf Mausklick in ein eigenes Editor-Fenster, das die Einstellungen aller acht Parts (die aktiven Klänge) gleichzeitig zugänglich macht. Bei der Arbeit an den Klängen erweist es sich als außerordentlich vorteilhaft, zwischen den Parts umzuschalten und Klänge oder auch Klangbereiche durch einfache Mausoperationen zusammenzukopieren.

Die maximal vier Partiale eines jeden Parts sind in vier untereinanderliegenden Streifen dargestellt. Alle Parameter ändern Sie durch Anklicken mit der Maus oder über die »+/-«-Tasten. Etwas mühsam gestaltet sich das Lesen der vielen, sehr dicht gedrängten Parameterwerte. Es erfordert einige Übung, alle Werte sofort zu erkennen. Die kompakte Darstellung ist jedoch wegen der großen Zahl an Parametern unumgänglich. Der daraus resultierende Vorteil, alle Einstellungen direkt vergleichen zu können, entschädigt für die leicht eingeschränkte Lesbarkeit.

Komfortable Fernsteuerung der wichtigsten MIDI-Parameter

Etwas großzügiger fällt die Darstellung der beiden Sondergruppen Rhythmus und Systemparameter aus. Da beide Gruppen ohnehin von den übrigen Klangeinstellungen völlig getrennt sind, steht für die vergleichsweise wenigen Parameter ausreichender Platz auf dem Bildschirm zur Verfügung.

Zwei kleine Schmankerl sollen zum Schluß nicht unerwähnt bleiben. Viele Editoren bieten zusätzlich eine sogenannte »Random-Funktion« an. Damit erzeugt der Anwender in der Regel neue Klänge aus einem vorgegebenen Klangrepertoire. Explorer 32 bietet gleich vier verschiedene Random-Funktionen, die neue Klänge durch vorgegebene Prozentabweichungen, durch Start- und Stop-klänge oder durch reine Zufälligkeit erzeugen. Vor allem beim Modifizieren existierender Klänge schafft der Benutzer neue Klangfarben, ohne sich über die genaue Programmierung im klaren sein zu müssen. Gerade weniger geübte »Sound-Ingenieure« wissen diese Hilfe sehr zu schätzen.

Für besonders Sound-Hungrige ist eine Konverter-Funktion gedacht, die die in großer Zahl verfügbaren Sounds des Roland-D-50-Synthesizers in MT-32-Sounds umwandelt. Da beide Synthesizertypen den gleichen LA-Chip zur Tonerzeugung verwenden, erzielt diese Funktion trotz einiger Unterschiede in der Hardware gute Ergebnisse.

Moderne Expander wie der Roland-MT-32 kommen erst im Bunde mit einem leistungsstarken Editorprogramm als vollwertiges Musikinstrument zur Geltung. Das im Explorer 32 verwirklichte Konzept macht die ganze Bandbreite der MT-32-Klanggestaltung auf einfache und bequeme Weise nutzbar. (wk)

Vertrieb: Fa. Roland, Postfach 1905, 2000 Norderstedt C-Lab GmbH, Postfach 700303, 2000 Hamburg 70

Wertung

Name: MIDI-Expander Roland MT-32
Preis: 1250 Mark
Hersteller: Roland Elektronische Musikinstrumente GmbH

Stärken:

□ große Soundbibliothek □ guter Stereoklang □ eingebauter Drum-Computer

Schwächen:

□ fehlende Batterie-Pufferung der RAM-Sounds □ kleines Display □ Vielfachbelegung der Tasten

Fazit:

in seiner Preisklasse der vielseitigste MIDI-Expander auf dem Markt

Wertung

Name: Explorer 32
Preis: etwa 250 Mark
Hersteller: C-Lab Software GmbH

Stärken:

□ einfacher Zugriff auf alle Funktionen des MT-32 □ Soundwandler für D-50-Sounds □ Soundbank-Verwaltung mit Mauskomfort

Schwächen:

□ Editor-Seiten schwer zu lesen

Fazit:

Durch die einfache Bedienung für jeden geeignet, der seine MIDI-Anlage voll nutzen möchte. Allerdings ist ein zusätzlicher Editor notwendig.



Aus: ST-Magazin 03 / 1989, Seite 36

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