Zahlenbilder: Präsentations-Grafik leichtgemacht mit K-Graph 3.0

Übersichtliche Präsentation: K-Graph auf einem Matrix-Großmonitor

Großes Gähnen auf der Jahreshauptversammlung des Kleingarten-Vereins. Wie jedes Jahr Jahr gibt Kassenwart Willibald Wiesenklee Rechenschaft über die Finanzlage der diversen von ihm gewissenhaft verwalteten Vereinskonten. Unverdrossen liest er Zahlenkolonne für Zahlenkolonne von seinem Manuskript ab. Am Vorstandstisch ist Alterspräsident Berthold Bierblume bereits sanft eingeschlummert. Wie jedes Jahr...

Dabei könnte sich der wackere Willibald mit ein wenig moderner Technik der ungeteilten Aufmerksamkeit seiner Mitgärtner sicher sein. Seit jeher besitzt nämlich der Grundsatz »Ein Bild sagt mehr als tausend Zahlen!« Gültigkeit. Ungezählte Berichterstatter in den unterschiedlichsten Institutionen vom kleinen Verein bis hin zum Großkonzern konzentrieren tagtäglich wahre Datenmassen in aussagekräftigen grafischen Darstellungen. Für diese wichtige Aufgabe setzen sie heutzutage immer häufiger leistungsstarke Grafik-Computer ein.

Die grafische Aufbereitung der gesammelten Datenfülle durch den Computer liegt auf der Hand, da alle Welt ohnehin Daten mit Hilfe von Computern speichert und verwaltet. Die Industrie bietet zu diesem Zweck entsprechende Anwendungsprogramme unter der Bezeichnung »Geschäfts- und Präsentations-Software« an.

Lassen Sie sich jedoch von dem nach reiner Büro-Anwendung klingenden Namen nicht täuschen! Auch im privaten Bereich finden solche Programmpakete sinnvolle Einsatzbereiche. Denken Sie zum Beispiel an den Schüler, der mit grafischen Darstellungen bei schriftlichen Hausaufgaben seinen Lehrer zu Höchstleistungen in der Notengebung anspornt. Oder denken Sie an den Lehrer, der das altmodische »Pauker-Image« durch computergestaltete Grafiken auf Arbeitsblättern und bei Klassenarbeitsaufgaben in den Augen der staunenden Schülerschar zu revidieren vermag.

Um so erstaunlicher, daß gerade auf einem so grafikstarken Computer wie dem Atari ST die Präsentationsgrafiksoftware noch immer an zwei Fingern abzuzählen ist. Neben den wenigen ST-Tabellenkalkulationen mit einfachen (Lotus-)Grafik-Anhängseln bieten die ST-Softwarehersteller lediglich eineinhalb Präsentationsgrafik-Spezialisten. Mit dem halben Programm meinen wir »GEM-Graph« von ABC-Software, das nur unter GEM 2.2 arbeitet. Allein auf weiter ST-GEM-Flur steht nach wie vor »K-Graph« von Kuma-Computers aus England, das die Dortmunder Vertriebsfirma Knupe GmbH als deutsche Version 3.0 auf den Markt bringt.

Zum Preise von 195 Mark liefert Knupe eine nicht kopiergeschützte Programm-Diskette und ein knapp 90seitiges Bedienungshandbuch in deutscher Sprache als Ringordner. Bei der deutschen Anpassung der Programmtexte hat der Übersetzer nicht immer die notwendige Sorgfalt walten lassen. Ärgerliche Tippfehler und Formatüberschreitungen in Dialog- und Warnboxen beeinträchtigen die ansonsten makellose Benutzeroberfläche des Programms. Im Gegensatz zu den Handbuchübersetzungen früherer Kuma-Produkte fällt eine deutliche sprachliche Verbesserung auf, geblieben ist die Kuma-typische inhaltliche Raffung, die im vorliegenden K-Graph-Handbuch die Bedienung zweier wichtiger neuer Programmfunktionen zu einem Ratespiel macht. Wir gehen später auf diese Punkte genauer ein. Demgegenüber fällt der fehlende alphabetische Index nur unwesentlich ins Gewicht.

Die gelungene grafische Benutzeroberfläche des Programmes macht jedoch das Handbuchstudium weitgehend überflüssig. K-Graph besitzt ein eigenes Desktop mit sieben Pull-Down-Menüs und verschiedenen frei verschiebbaren Icons zur Auswahl der Grafik-Typen. Selbstverständlich fehlt auch der unvermeidliche Abfalleimer nicht.

K-Graph stellt insgesamt sieben Grafik-Typen zur Verfügung, darunter vier verschiedene 2D-Säulendiagramme, ein 3D-Säulendiagramm sowie je ein Flächen- und Liniendiagramm. Diese sechs Diagramme verarbeiten bei Bedarf mehrere Datenreihen gleichzeitig. Das XY-Diagramm nimmt Datenpaare auf, die Tortengrafik dagegen naturgemäß nur eine einzige Datenreihe.

Dem Datentransfer aus anderen Programmen steht nichts im Wege
Mathematik inklusive: einfache statistische Auswertung von Datenreihen

Die Auswahl an Diagramm-Typen könnte reichhaltiger sein. Der (halbe) Konkurrent GEM-Graph bietet eine deutlich größere Vielfalt, besonders im Bereich der dreidimensionalen Darstellung. Dennoch reicht das Grafik-Angebot von K-Graph für fast alle Anforderungen aus.

Als Darstellungsflächen dienen vier GEM-Fenster, die sich gleichzeitig auf dem Bildschirm befinden dürfen. Da K-Graph uneingeschränkt den Matrix-Großmonitor unterstützt (selbst das Desktop läßt sich auf der gesamten Großbildschirm-Fläche frei einrichten), hat diese Tatsache mehr als nur theoretischen Wert. Die Hardcopy eines K-Graph-Desktop auf dem Matrix-Monitor zeigt klar die Vorteile eines solchen Systems.

Doppelklicken auf eines der Diagramm-Icons öffnet ein zunächst leeres Fenster, das jedoch bereits auf den entsprechenden Diagramm-Typ fixiert ist. K-Graph-Diagramme bestehen aus mehreren unabhängig voneinander verwalteten Elementen, nämlich den Datenreihen, den Labeln für die X-Achse der Diagramme und den je acht editierbaren Linien- und Füllmustern für Linienoder Säulengrafiken. Dazu kommen frei zu gestaltende Beschriftungen mit oder ohne Hinweispfeilen. Zusätzlich erklären Legenden die Beziehungen zwischen der Datenreihenbezeichnung und Fülloder Linienmustern. Daten, Label und Muster sind getrennt Speicher- und ladbar, Legenden und Beschriftungen sinnvollerweise nur als Komplett-Grafik.

Diese auf den ersten Blick unnötig kompliziert erscheinende Grafikverwaltung verschafft dem K-Graph-Paket große Flexibilität beim Entwurf von Präsentationen. Aus den oben genannten Einzelelementen stellt der »Präsentations-Grafiker« im aktiven Fenster das fertige Diagramm zusammen. Einfachklicken auf eines der Diagramm-Icons verändert die Darstellungsart. Datenreihen-Auswahl, Beschriftung, Label und Legende bleiben jedoch erhalten. Auf diese Weise beurteilt man schnell die grafische Wirkung der verschiedenen Diagrammtypen und ermittelt die geeignete Grafik für jede spezielle Datensammlung.

Wesentlich weniger benutzerfreundlich verhält sich K-Graph beim Schließen des aktiven Fensters: Dabei gehen zwar die Datenreihen nicht verloren, wohl aber entschwindet die schöne »Grafik-Komposition« ohne jede Vorwarnung im Computer-Nirwana. Eine abschaltbare Warnbox würde den grundsätzlich hohen Bedienungskomfort des Programmes noch steigern.

Neben den erwähnten Lade- und Speicherfunktionen für Label, Muster und Komplett-Grafiken in den Pull-Down-Menüs »Laden« und »Speichern« ist die Datenerfassung und der Datenimport von besonderer Bedeutung. Die Menüpunkte »Daten laden/speichern« verarbeiten Datenreihen, die der Benutzer mit K-Graph erfaßt. Dem Datentransfer zu und von anderen Programmpaketen, insbesondere zu Kumas Tabellen-Kalkulations-Programm »K-Spread« dienen die Punkte »DIF Import/Export«, die den Austausch von Datenreihen und Labeln über sogenannte DIF (Data Interchange Format)-Dateien erlauben.

Zusätzlich bietet K-Graph 3 mit der Funktion »Textdatei laden« den Datenimport aus ASCII-Textdateien. Laut Handbuch faßt K-Graph dabei die Zeilen einer zweidimensionalen Werte-Matrix als Datenreihen auf, die Spalten enthalten also die Einzelwerte der jeweiligen Reihen. Leider schweigen sich das Handbuch und die ASCII-Import-Dialogbox über den ASCII-Code des Zeilenende-Kennzeichens aus. Je nach Einstellung in der Dialogbox erkannte K-Graph, die mit den entsprechenden Zeichen getrennten Einzelwerte der Testdatei, versagt aber bei allen denkbaren Zeilenenden (CR, LF, CR/LF, etc.) die Zustimmung und verabschiedet sich bei manchen Kombinationen sogar mit einem Bombenhagel.

Im Pull-Down-Menü »Daten« stellt K-Graph umfangreiches Werkzeug zur Dateneingabe und Datenbearbeitung bereit. Die Arbeit mit der Erfassungs-Dialogbox (»Werte erzeugen«), die das Programm auch beim Menüpunkt »Werte bearbeiten« aufruft, ist gewöhnungsbedürftig. Jedoch erlaubt sie nach kurzer Einarbeitungszeit ein zügiges Erfassen und Editieren von Datenreihen. Die Funktion »Daten anzeigen« weist die Datenreihen dem jeweils aktiven Grafik-Fenster zu, mit »Daten ausblenden« entfernt K-Graph die entsprechende Datenreihe aus der Grafik, beläßt sie aber im Datenspeicher.

»Grafik bearbeiten« stellt eine tabellarische Übersicht der in einem Diagramm dargestellten Werte dar. Die Werte-Tabelle ist editierbar.

Die wahrscheinlich sehr leistungsfähige Datenerzeugung durch mathematische Formeln (»Formel eingeben«) stellte sich in unserem Test als zweite Herausforderung an die Experimentierfreude des Testers heraus. Die sparsamen Ausführungen im Handbuch lassen leider nur erahnen, zu welch mathematischen Wunderdingen K-Graph fähig ist.

Auf der Basis einer vorliegenden Datenreihe errechnet K-Graph mit der eingegebenen Formel eine neue Reihe. Die Formeln dürfen alle Grundrechenarten, logarithmische Operationen und sogar trigonometrische Funktionen enthalten. Dabei gehören angeblich sogar logische Entscheidungen zu K-Graphs Formel-Repertoire. Leider liefert das Handbuch keine Beschreibung der exakten Formel-Syntax. Im Testbetrieb sind wir über einfache Rechenvorschriften nicht hinausgekommen.

Ähnlich wie bei den Vorgänger-Versionen bieten die auch in K-Graph 3 immer noch stark eingeschränkten programminternen Druckfunktionen Anlaß zu Kritik (»Drucken« im Pull-Down-Menü »Optionen«). K-Graph unterstützt nur Epson-kompatible Drucker über die Hardcopy-Routine des Betriebssystems. Auf dem Ausdruck im vorgewählten Papierformat erscheint stets genau der sichtbare Inhalt des aktiven Grafik-Fensters. Die Druckqualität geht selbstverständlich nicht über Hardcopy-Qualität hinaus, was besonders die Textdarstellung beeinträchtigt.

In diesem Menü finden Sie umfangreiche Werkzeuge zur Dateneingabe und -bearbeitung

Im Pull-Down-Menü »Speichern« macht Kuma jedoch dieses Manko wieder wett. Über die Menüpunkte »Ausgabe IMG-Datei« und »Ausgabe Metafile« (nur unter GDOS verfügbar) findet K-Graph Anschluß an das GDOS-System. Die gespeicherten Dateien bringt es mit dem (nicht zum Programm-Paket gehörenden) GEM-Ausgabe-Treiber »Output« in hervorragender Qualität zu Papier. Die vektororientierten GEM-Dateien lassen sich mit entsprechenden Vektor-Zeichenprogrammen nachbearbeiten oder ohne Qualitätsverlust durch Größenveränderungen in DTP-Programmen verwenden — »Easy Draw« und »Calamus« haben jedoch Probleme mit K-Graphs GEM-Format. In seinem dritten Anlauf erfüllt Kuma-Computers aus England mit K-Graph viele Forderungen an ein Präsentationsgrafik-Programm. Dennoch bleiben einige Wünsche offen, wie zum Beispiel eine größere Auswahl an Diagramm-Typen oder ein Handbuch, das professionellen Ansprüchen genügt. Die Stärken des Programmes liegen bei der Datenerfassung, der Datenbearbeitung und in dem vorzüglichen Bedienungskomfort des K-Graph-Desk-top. Bekanntlich ist unter Blinden der Einäugige König. Die fehlende Konkurrenz macht K-Graph zur ersten (weil beinahe einzigen) Wahl für Präsentationsund Geschäfts-Grafik-Anwendung. K-Graph 3 ist (um im Bild zu bleiben) zwar nicht »einäugig«, ein leichtes »Schielen« bleibt jedoch unübersehbar. (uh)

Vertrieb: Knupe GmbH, Güntherstr. 75, 4600 Dortmund 1

Wertung

Name: K-Graph 3
Hersteller: Kuma Computers
Preis: 195 Mark

Stärken:

□ komfortable Benutzeroberfläche □ vier Grafiken gleichzeitig darstellbar □ uneingeschränkt auf dem Matrix-Großmonitor lauffähig

Schwächen:

□ Handbuch mit erheblichen Schwächen □ zu wenige Diagramm-Typen □ Ausdruckqualität der internen Druckroutinen nicht ausreichend

Fazit: einziges Präsentationsgrafik-Programm unter Atari-GEM mit variabler und komfortabler Datenaufbereitung


Wolfgang Fastenrath
Aus: ST-Magazin 03 / 1989, Seite 40

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