ST-Desktop im Breitwand-Format: MatScreen/M110, ein Ganzseitenmonitor

Gute Arbeitsschreibtische sollten als wichtigstes Ordnungkriterium das sogenannte 3D-Zeit-schichten-Modell beherrschen. Eine typische Suchvorschrift lautet folgendermaßen: »In IRGENDEINEM Stapel muß IRGENDWO die Rechnung der Firma Matrix liegen!« Dabei gibt die Variable IRGENDEINEM die Flächen-Koordinaten an (typische Werte dieser Variablen: »da hinten links« oder »vorn in der Mitte«), und die Variable IRGENDWO bezeichnet mathematisch genau die Höhenlage des gesuchten Blattes in besagtem Stapel.

Dieses im Büro-Jargon auch sehr treffend als »optimierte Jahresring-Verteilung« bezeichnete Ablageverfahren erfüllt in geradezu idealer Weise die Erfordernisse neuzeitlicher Arbeits-Ergonomie: eine Anfrage vom Chef, und die Sucherei geht los! Leider begrenzt die meist lächerlich geringe Schreibtisch-Fläche die Kapazität der Jahresring-Datenbank erheblich, da nach einschlägigen Untersuchungen unabhängiger Arbeitsplatz-Forscher die Höhe der Dokumenten-Stapel durch die Erdschwerkraft auf einen Maximalwert von 59,735 Zentimeter begrenzt wird.

Was jedoch den Schreibtischen aus Holz, Leim und Schrauben recht ist, muß ihren elektronischen Gegenstücken, den sogenannten Desktops der Computer mit grafischer Benutzeroberfläche, teuer sein. Die mit 21 x 13 cm geradezu lächerlich geringe Desktop-Fläche des ST-Bildschirms erlaubt lediglich einfache Jahresring-Strukturen.

Natürlich verwalten die symbolischen Desktop-Stapel, die GEM-Fenster der ST-Anwendungs-Programme, wesentlich größere Arbeitsflächen. Textverarbeitungsprogramme bilden knapp eine halbe Briefseite auf dem ST-Bildschirm ab. Das DTP-Programm »Calamus« stellt bei der Abbildung einer DIN-A4-Seite in 375-Prozent-Vergrößerung (1:1-Darstellung des Druckbildes eines 300 dpi-Laserdruckers) nur ungefähr 1/36 der Seite im Layout-Fenster dar. Noch gravierenderer Platzmangel herrscht bei CAD-Programmen, die in der Regel Zeichnungen bis DIN-AO-Größe bearbeiten, also das 16fache einer DIN-A4-Fläche.

Aus dieser riesigen Pixelflut geben die Desktop-Fenster je nach Anwendung und Darstellungsmaßstab mehr oder weniger große Ausschnitte wieder — bei den CAD-Programmen bis hinunter zur »Schlüsselloch-Perspektive«.

Seit Mitte 1988 muß der ST nicht mehr ausschließlich mit »zugekniffenem Auge« in die Pixelwelt blicken. Sollten Sie Bedarf an einem ST-System mit »Breitwand-Ausgabe haben«, sind Sie bei der Firma Matrix gut aufgehoben.

Zum Preise von 5500 Mark vertreibt Matrix einen Monitor der Firma Moniterm, die Controller-Karte, Anschlußkabel und eine Diskette mit Treibersoftware. Die Bildmatrix des M110 ist mit 1280 x 960 Pixel mehr als viermal so groß wie die Matrix des ST-Originalmonitors. Die nutzbare Bildfläche mit zirka 36 x 28 cm besitzt eine Auflösung von knapp 90 dpi, sie ist also um etwa 15 Prozent höher als die 78 dpi des SM124. Die vertikale Bildwiederholungsrate von 70 Hz garantiert ein scharfes Monochrombild.

Der MatScreen bietet fast die vierfache Bildmatrix des SM 124

Auf Wunsch läßt sich die Matrix-Karte zur Ansteuerung eines Multisync-Farbmonitors nachrüsten. In dieser Betriebsart beträgt die Maximalauflösung 832 x 560 Pixel in 16 Farben aus einer Palette von 262144 Farben.

Die neue Treibersoftware setzt das GEM-System inzwischen so ein, wie seine Erfinder es sich ursprünglich ausgedacht hatten. Vereinfacht gesagt ist das ST-Betriebssystem in mehreren Ebenen aufgebaut. Die Programme (oder Applikationen) rufen Routinen des AES (Application Environment Services) auf. Das AES seinerseits benutzt die grafischen Grundelemente des VDI (Vitual Device Interface), das über integrierte Gerätetreiber mit Hilfe der verschiedenen GEMDOS-Funktionen (GEMDOS bildet die untere Betriebssystem-Ebene) die physikalischen Ausgabegeräte wie zum Beispiel den Bildschirm anspricht.

TOS verfügt über ein ROM-residentes VDI, das nur einen einzigen Treiber enthält, nämlich den Bildschirmtreiber für den Monochrom-Monitor und die beiden Farbmodi. Einige wenige Programme arbeiten mit einem GDOS-(Graphic Device Operating System-Treiber), der zusammen mit ladbaren Gerätetreibern das VDI im ROM ersetzt.

An dieser Stelle greift die neue Matrix-Lösung, die der Programmierer Arnd Beißner entwickelt hat. Als GDOS-Treiber findet nicht das bekannte Atari-GDOS Anwendung, sondern das optimierte »AMC-GDOS«. AMC-GDOS zieht kaum noch Verzögerungen im Bildaufbau nach sich, reagiert allerdings kritischer auf Programmierfehler in den GEM-Applikationen.

Daher bietet Matrix die zwei verschiedenen Bildschirmtreiber »SCREEN-SYS« an, einen für das langsame Normal-GDOS und einen für das AMC-GDOS. GDOS und SCREEN.SYS ersetzen das interne VDI. Für die Installation und für die Betriebssystem-Einbindung der Grafik-Karte sorgen die Programme IMATINST.PRG und EXTBIOS.PRG, die aus dem AUTO-Ordner des Boot-Laufwerkes zu starten sind.

Ein Installationsprogramm sorgt für die richtige Systemanpassung. In einem Start-Menü verändern Sie die Arbeitskonfiguration bei jedem Systemstart. Das Matrix/AMC-GDOS-System treibt den SM124 (das Normalsystem also), den Großbildschirm M110, einen sogenannten Zoom-Modus mit vierfach vergrößerter Bilddarstellung und den Dual-Betrieb; bei ihm ist das Desktop auf dem SM124 aktiv, und mit dem Großmonitor kontrollieren Sie die GDOS-Ausgabe. Die Kontrollausgabe erfordert eine besondere Unterstützung seitens des Anwendungsprogrammes, die augenblicklich nur »Calamus« bietet.

Die saubere Verarbeitung und einfache Installation der Matrix-Hardware und die Treibersoftware machen schon in der vorliegenden (noch nicht endgültig ausgetesteten) Fassung einen ausgereiften Eindruck.

Im Vergleich zu unserem letzten Test des Matrix-Monitors im ST-Magazin 8/1988 haben jedoch einige Sofwarehäuser mehr den Großbildschirm am ST »unter die Fittiche« genommen. So unterstützen inzwischen die beiden ST-Standards »1st Word plus« (in der neuesten, von Atari noch nicht freigegeben Version) und »Adimens ST 2.3« den Ml 10 in vollem Umfang. Auch die aktuelle Version 3.0 des Präsentations-Grafik-Editors »K-Graph« nutzt die große Desktop-Fläche. Das »Smalltalk 80«-System blüht erst auf der Pixel-Breitwand richtig auf. DTP-Programme (zum Beispiel »Calamus« und »Timeworks DTP«) und CAD-Software (wie »Campus CAD« und »DynaCADD«) sind ohnedies schon seit Markteinführung des Matrix-Monitors mit von der Partie.

Aller Einschränkungen seitens der Applikations-Software zum Trotz gehört der Breitwand-Technik bei der Bildschirmausgabe auf Mega STs die professionelle Zukunft. Gerade DTP und CAD leiden unter dem kleinen Atari-Bildschirm, besonders dann, wenn man sich erst einmal vom Freiraum des großen Elektronen-Schreibtisches hat verwöhnen lassen. (uw)

Matrix Datensysteme, Aichelbachstraße 2, 7155 Oppenweiler,

Wertung

Name: MatScreen Ml 10

Preis: 5500 Mark

Hersteller: Matrix Daten Systeme

GmbH

Stärken:

□ saubere Verarbeitung □ leichte Installation □ schnelles AMC-GDOS im Lieferumfang □ Farbe nachrüstbar Schwächen:

□ nicht alle Programme laufähig Fazit:

für Applikationen, die größere Auflösung benötigen gut geeignet


Woifgang Fastenrath
Aus: ST-Magazin 03 / 1989, Seite 132

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