Jez (Jeremy) San gehört zu jenen Programmierern, die schon fast mit einem Computer zur Welt kamen. Geboren am 29.3.1966 im Londoner Vorort Edgeware, bekam er mit zwölf Jahren einen Tandy TRS 80 geschenkt, fing mit 14 das Programmieren an und gründete als 17jähriger seine Firma »Argonaut Software«. Auch Jez programmierte vom Acorn BBC B über den Amstrad CPC, C 64, Sinclair QL, Apple Macintosh, Atari ST, Amiga und den Acorn Archimedes alle gängigen Heimcomputer.
Jez’ erster großer Erfolg war »Starglider« für den Atari ST. Zusammen mit seiner achtköpfigen Programmierer-Crew entwickelte er innerhalb eines Jahres »Starglider II«, das über die derzeit schnellste 3D-Festkörper-Grafik verfügt. Heute ist Jez ein vielbeschäftigter junger Mann. Für unser Interview unterbrach er die letzten Arbeiten an der ST-Version von »Afterburner«, die er noch am gleichen Tag fertigstellte.
Jez arbeitet heute überwiegend mit dem Amiga und dem ST. Am ST schätzt er besonders den großen Speicher und die schnelle CPU, die er gerne durch einen »vernünftigen Blitter-Chip« entlastet sähe. »Der Bit-Block-Transfer-Chip sollte besser sein als Ataris jetziger Blitter und über eigene Befehle, wie ’Polygon-Fill’ verfügen.«
Jez schätzt besonders technisch gut programmierte Spiele. Er hat es sich zum Grundsatz gemacht, selbst immer das zu tun, was ihn am meisten interessiert. Kein Wunder also, daß er sich momentan die 3D-Spiele der Konkurrenz besonders genau ansieht. Selbstsicher stellt er aber fest: »Niemand hat so schnelle 3D-Routinen wie wir.« Wieso die besten Spiele aus England kommen, erklärt sich Jez hauptsächlich durch die Konkurrenz vieler sehr guter Programmierer: »Jeder versucht, es besser zu machen als der andere. Das belebt nicht nur das Geschäft, sondern steigert auch die Qualität.« Wenn Jez es an manchen Tagen nicht besser machen will, widmet er sich seinen Hobbies: Autos und das Steuern eines Propeller-Flugzeugs.
Acht Mannjahre Entwicklung stecken in Starglider II. Die meiste Zeit verbrachte das Team um Jez San damit, »Technologie zu entwickeln«. Jez: »Fast jeder kann heute Spiele mit 3D-Grafik schreiben. Der Dreh- und Angelpunkt ist aber die Geschwindigkeit. Drei bis vier Objekte bewältigt ein 16-Bit-Mikro normalerweise, ohne daß die Grafik flackert. In Starglider II muß der Computer aber auch noch mit 15 bis 20 Objekten fertigwerden und alle Flächen ausfüllen. Wir haben deshalb ein sehr schnelles Grafiksystem entwickelt.
Der Hauptunterschied zu bisherigen Lösungen liegt im Algorithmus. Er muß sehr, sehr gut sein. 3D-Algorithmen in der gängigen Literatur orientieren sich immer an Großrechnern. Sie sind aber für einen Mikrocomputer zu langsam. Ein Beispiel: Konventionelle Algorithmen merken sich für jedes Pixel die Tiefenkoordinate. Das geht mit einem Mikro aber nicht, es wäre viel zu langsam. Mittlerweile wissen wir mehr, als in den Büchern steht, zumindest was 3D-Grafik auf Mikrocomputern betrifft.
Der zweite Knackpunkt ist die Optimierung des Maschinencodes. Wir schreiben den Algorithmus für jeden Computer so oft um, bis wir die schnellste Variante gefunden haben. Der Code ist absolut registeroptimiert und auf einen minimalen RAM-Bedarf getrimmt. Das war natürlich eine Riesentüftelei.
Starglider II ist ein Spiel, in dem sehr viel Mathematik steckt. Trotzdem haben wir noch nicht das Limit erreicht. Dieses Jahr haben wir uns um 50 Prozent verbessert, 1989 werden es vielleicht 25 Prozent sein. Wir kommen der Perfektion immer näher, ohne sie aber je zu erreichen.«
Argonaut Software ist eines der wenigen Softwarehäuser, das seine Spiele zuerst auf dem Amiga entwickelt. Erst danach paßt das Team den Code an den ST an: »Der Amiga läßt sich besser ausbauen als der ST. Wer bereit ist, den Preis zu zahlen, bekommt für den Amiga schnelle Festplatten und ein gutes Netzwerk. Das kommt unserer Teamarbeit entgegen. Natürlich ist der Amiga schwieriger zu programmieren, da er viel mehr Hardware besitzt. Das stört uns aber nicht besonders.«
Auch die Grafik macht Argonaut Software mit dem Amiga und »Deluxe Paint II«. Für die Arbeit mit dem ST gehören »Devpac II«, »Neochrome« und »Art-Director« zu den am meisten verwendeten Programmen.
»Das Schwierigste bei Starglider II war, aus einem guten Grafikdemo ein noch besseres Spiel zu machen. Die Grafik mußte schnell sein, um eine realistische Atmosphäre zu erzeugen. Das Aussehen sollte das richtige ’Feeling’ vermitteln. Die optische Aufbereitung ist bei einem guten Spiel sehr wichtig.«
Das 3D-Know-how steht auch in den nächsten Argonaut-Spielen an erster Stelle. Zur Zeit arbeitet das Team an der Umsetzung von Jez’ Hobbies: Sowohl ein Flugsimulator als auch ein Autorenn-Simulator stehen in den nächsten Monaten an. »Wir mögen Simulationen mit guter 3D-Grafik. Sie müssen aber Spaß machen und ein richtiges Spiel enthalten.«
Für angehende Profi-Programmierer hält Jez folgenden Rat bereit: »Es ist Zeitverschwendung, ’Husch-Husch-Spiele’ in einem Monat zu schreiben. Gute Spiele brauchen aber ihre Zeit. Um in diesen Monaten zu überleben, sollte sich jeder ein Softwarehaus suchen, das ihn unterstützt. Sonst kann einem begabten Programmierer kurz vorm Ziel die Puste ausgehen.« (T. Bosch/hb)