Komplexe Zahlenspiele: Ian Oliver - Instanz für Action-Simulationen

Ian Oliver ist der Mann hinter »Carrier Command«. Der 25jährige Informatiker lebt im nordenglischen Leeds, wo er 1963 zur Welt kam. Ian war 13, als er mit dem Programmieren begann und bezeichnet sich auch heute noch als »Technik-Freak«. Sein erster Computer war ein Nascom »Superboard«, gefolgt von Clive Sinclairs »MK 14«. Nach dem Schulabschluß begann er im Alter von 18 Jahren ein Informatikstudium an der Universität in Leeds. Heute, als diplomierter Informatiker, gibt es vom »ZX Spectrum« über die DEC-VAX bis zum Großrechner kaum einen Computer, den Ian noch nicht programmiert hat.

1983 gründete er mit einigen Freunden »Real-Time-Software«, um schnelle 3D-Actionspiele zu schreiben. Real Times erste große Erfolge waren »3D Tank Duel«, »Starstrike« und »Starstrike II«, die für fast alle 8-Bit-Computer erschienen. In den folgenden Jahren entwickelte sich »Real Time« zur Institution für 3D-Grafik. So zeichnen sie für fast alle Übertragungen von Jez Sans »Starglider« auf andere Computer verantwortlich.

Ian schätzt am ST, »daß er aus Programmierersicht ein dankbarer Computer ist. Obwohl der ST nicht viel Hardware besitzt, hat Atari ihn dennoch sorgfältig designed. Er ist außerdem etwas schneller als der Amiga«. Als dringendste Verbesserung wünscht sich Ian die Abschaffung einseitiger Diskettenlaufwerke: »Die Halbierung der Speicherkapazität bereitet uns oft unnötiges Kopfzerbrechen.« Ian Oliver zollt auch der Arbeit anderer Programmierer Respekt. Das englische Softwarehaus »Ultimate Play The Game«, das vor einigen Jahren brillante 8-Bit-Spiele herausbrachte und heute ausschließlich Telespiel-Module entwickelt, nennt er dabei an erster Stelle. »Wir haben in letzter Zeit aber auch gerne Dungeon Master und Tetris gespielt.«

In einem großen Inselareal mit wertvollen Bodenschätzen bauen zwei riesige Industrieschiffe Rohstoffe ab. Als eines davon außer Kontrolle gerät, müssen Sie dem Treiben Einhalt gebieten.

Bei »Real-Time« arbeitet jeder nach seinem eigenen Rhythmus. »Manchmal fange ich um neun an und habe zwei Stunden später 500 Zeilen Code geschrieben.« An solchen Tagen testet Ian seine neue Routine nur noch kurz und geht dann seinen Hobbies nach: »Schnell Auto fahren und Freunde treffen.«

65000 Zeilen Assembler-Code

In »Carrier Command« stecken über zwei Mann-Jahre Arbeit und 65000 Zeilen Assembler-Code. Das Programm entwickelte sich aus einem Zwei-Seiten-Script, das Real-Time Ende 1986 vom Software-Verlag »Firebird« für ein ursprünglich völlig anderes Projekt erhielt. Anfang ’87 brütete das Team über dem detaillierten Konzept eines Spiels, dessen Handlung sich um einen Flugzeugträger dreht. »Tagelanges Brainstorming, Scribbeln der Ideen, Ergänzen, Korrigieren, Ausprobieren; und am Ende des Monats war das Konzept fünfmal vollständig umgeschrieben«, so beschreibt Ian die Geburtsstunde von Carrier Command.

Mit dem ST und dem »Devpac«-Assembler begann dann die 14monatige Programmierarbeit. Außerdem kamen viele eigene Utilities und das Grafikprogramm »OCP Artstudio« zum Einsatz. Als im fortgeschrittenem Stadium des Projektes jeder Assemblier-Vorgang auf dem ST über sechs Minuten dauerte, sattelte »Real-Time« auf Compaq-PCs mit dem schnellen Intel 80386-Prozessor um:

Die Assemblier-Zeit sank auf 30 Sekunden. Der Compaq liefert einen 68000-Assembler vollkompatiblen Code, der sich sofort mit dem ST ausprobieren läßt. Die Compaqs erzeugen aber auch den Programmcode für alle anderen gängigen Computer. Die Programmierung der Amiga-Version war deshalb in erster Linie damit verbunden, den ST-Code an die Hardware des Amiga anzupassen.

Ian überlegt nicht lang, als wir ihn fragen, was bei Carrier Command am schwierigsten zu programmieren war: »Die größten Kopfschmerzen hat uns das Versorgungsnetzwerk der Inseln und das 3D-Grafiksystem bereitet. Wir haben zum Beispiel lange dran geknobelt, bis die Manta-Jets so schön im Bauch des Flugzeugträgers verschwinden.«

Ungläubiges Staunen ruft Carrier Commands Grafik tatsächlich hervor. Fließendes 3D mit festen Körpern, so wie man es sich zu 8-Bit-Computertagen immer erträumte. Das 3D-Grafiksystem läßt sich allerdings nur teilweise in anderen Programmen weiterverwenden. Ian Oliver: »Wir schreiben alle Spiele immer von Grund auf neu und bauen keine fertigen Routinen ein. Das erneute Schreiben einer Routine macht zwar Arbeit, liefert aber immer ein Resultat, das besser ist, als es vorher war. Unser Grafiksystem ist auf Carrier Command so maßgeschneidert, daß wir es nur teilweise übernehmen.« (T.Bosch/hb)


Tarik Ahmia
Aus: ST-Magazin 01 / 1989, Seite 142

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