Rhothron-Streamer und Festplattenstation: Die 40-MByte Band-Scheibe

Aus dem Computerbüro erschallt ein gequälter Schrei. Kurt-Dietrich Datenstapler steht neben seinem ergonomisch durchgestylten Bürostuhl, der eigentümliche Knick in der senkrechten Körperachse (exakt 135 Grad und 27 Sekunden) verheißt nichts Gutes. Diagnose: Hexenschuß durch Platten-Crash! Die durch langes Sitzen gebeutelte Bandscheibe zwickt gar sehr, fast ärger noch als der vermutete Scheibenschaden an der datengefüllten Festplattenstation, die soeben mit deutlich vernehmbarem Krachen ihre Mitarbeit aufgekündigt hat.

Kompakt und leistungsstark: Die neuen Massenspeicher von Rhothron

Schweißgebadet wacht Kurt-Dietrich auf. Doch sehr bald glätten sich seine schreckverzerrten Züge. Seit kurzem gehört nämlich der böse Traum vom totalen Datenverlust durch Festplatten-Crash oder Computerviren der Vergangenheit an. In schmuckem Silbergrau ziert den Arbeitsschreibtisch das sichere Band zur schnellen Scheibe: Ein Streamer sorgt für Entspannung an der Datenfront.

Streamer können als direkte Nachfahren der Kassettenrecorder oder »Dataset-ten« gelten, die in den Gründertagen der Personalcomputerei als externe Massenspeicher benutzt wurden. Die modernen Kassetten-Streamer bieten allerdings an Arbeitsgeschwindigkeit und Bedienungskomfort wesentlich mehr als ihre zu Recht in Vergessenheit geratenen Urahnen.

Breite Anwendung auf Personal Computern finden Laufwerke der Firma TEAC mit integriertem SCSI-(Small Computer System Interface-)Controller. Als Speichermedium verwenden sie Bandkassetten, die, oberflächlich betrachtet, bis auf einen Schlitz im Gehäuse stark den bekannten Compact-Kassetten ähneln. Bandmaterial, Gehäusefestigkeit und Präzision der Bandführung sind jedoch abgestimmt auf die erhöhten Anforderungen der schnellen Datensicherung. Dies schlägt sich natürlich auch im Preis nieder: Je nach Bandlänge und Anbieter muß man zwischen 70 und 100 Mark pro Kassette ausgeben.

Den ST-Anwendern bot sich bisher noch keine große Auswahl an Datensicherungs-Systemen auf Streamer-Basis. Seit der CeBIT 1988 offeriert jedoch die Firma Rhothron, die sich mit ihren Bus-Systemen (Rho-Bus und VMEbus) in der professionellen STSzene einen guten Namen gemacht hat, ein komplettes System an Massenspeichern, das Festplattenstationen verschiedener Größe (bis zu 120 MByte), ein Wechselplattenlaufwerk (mit SyQuest SQ555) sowie drei Streamer mit 20, 40 und 60 MByte Speicherkapazität umfaßt. Zum Test standen uns eine 40-MByte-Festplattenstation (Sea-gate-Laufwerk mit 40 ms mittlerer Zugriffszeit) und ein 40-MByte-Streamer (TEAC-Laufwerk) zur Verfügung. Der Streamer hat real sogar eine Kapazität von 50 MByte.

Zwei Varianten erhältlich

Die Rhothron-Geräte sind in zwei Ausstattungs-Varianten erhältlich. Die je nach Gerät um 270 bis 400 Mark teurere sogenannte Profi-Version unterscheidet sich von der Grundversion (Kunststoffgehäuse in den Ausmaßen der Mega STs) durch ein robustes Metallgehäuse mit kräftigem Lüfter und ein stärkeres Netzteil. Die Platten- und Streamer-Laufwerke sowie die Schnittstellenhardware sind identisch.

Alle Geräte lassen sich direkt an den DMA-Port des ST anschließen. Als Anschlußbuchsen kommen nicht die Atariüblichen 19poligen Sub-D-Buchsen zur Anwendung, sondern die weit verbreiteten Buchsen mit 25 Polen. Zum Lieferumfang gehören entsprechende Anpassungskabel zwischen der 19poligen DMA-Welt des STs und den 25poligen Rhothron-Anschlüssen.

Der DMA-Bus ist vollständig über Leitungstreiber gepuffert (auch die DMA-Reset-Leitung) und durchgeschleift. Die Pufferung arbeitet sehr effektiv. Im Testbetrieb konnten wir sechs DMA-Einheiten fehlerfrei betreiben (mehr standen uns nicht zur Verfügung). Neben zwei Atari-Festplatten und dem Atari-Laser-Drucker SLM804 waren zwei Rhothron-Streamer und eine 40-MByte-Rhothron-Festplatte angeschlossen. Dabei präsentierte sich das Druckbild des Laser-Druckers einwandfrei.

Das Rhothron-Massenspeicher-System basiert auf einer eigens entwickelten Hostadapter-Karte mit SCSI-Bus, die als Brücke zwischen dem ACSI-(Atari Computer System Interface-)Bus des STs und dem SCSI-Anschluß der verwendeten Laufwerke dient. Der ACSI- und der SCSI-Bus sprechen bis zu acht physikalische Geräte an.

Der Rhothron-Hostadapter weicht in einigen entscheidenden Punkten von den meisten Konkurrenzprodukten und der originalen Atari-Lösung ab. Zwar bietet auch Rhothron nur eine SCSI-Unter-menge (es fehlt beispielsweise die Eigenintelligenz zur direkten Kommunikation der angeschlossenen SCSI-Geräte untereinander), das System erfüllt jedoch insbesondere hinsichtlich der Befehlssequenzen die SCSI-Norm.

Diese Norm verlangt zwei aufeinanderfolgende Bytes zur Übermittlung von Befehlen an die SCSI-Geräte. Das erste Byte stellt ein sogenanntes Identifikations-Byte zur Adressierung eines bestimmten Gerätes dar, das zweite Byte übermittelt den Befehl. Das ACSI-Pro-tokoll dagegen benutzt für beide Funktionen nur ein Byte. Bit 5 bis 7 enthalten die Geräte-Identifikation, Bit 0 bis 4 den Befehlscode.

Der Atari-Hostadapter (und die dazu kompatiblen Lösungen) »entwirren« diesen Kombinationsbefehl hardwaremäßig und versorgen die angeschlossenen SCSI-Geräte mit dem richtigen Protokoll, also mit zwei getrennten Bytes. Aus diesem Grunde können ACSI-Trei-ber nicht den kompletten SCSI-Befehls-satz übermitteln (5 Bit entsprechen den Befehlscodes 0 bis 31). Allerdings werden die Befehle mit den Codes größer als 31 nur für Spezialanwendungen benötigt.

Als Folge der inkompatiblen Hostadapter-Hardware benötigt das Rho-tron-System eigene Treibersoftware, läßt sich also durch den Atari-Festplatten-Treiber »AHDI« nicht ansprechen. Dies ist natürlich im Hinblick auf die Ansteuerung der Streamer ohne Bedeutung, spielt jedoch beim Betrieb der Festplatten eine wesentliche Rolle. Der Rhothron-Festplattentreiber und AHDI beeinflussen sich im Mischbetrieb von Atari- und Rhothron-Festplatten im Speicher nicht.

Nach der grundsätzlichen Entscheidung zur Inkompatibilität haben die Rhothron-Entwickler gleich Nägel mit Köpfen gemacht und einige Unzulänglichkeiten der Original-Atari-Lösung zur Festplattenansteuerung überwunden. So erkennt AHDI beispielsweise Festplatten nur dann, wenn sie ab der physikalischen Einheit 0 in ununterbrochener Folge angeschlossen sind (bei zwei Festplatten also als Einheit 0 und 1).

Der Rhothron-Treiber dagegen fährt beim Start ein umfangreiches Testprotokoll, das die Belegung des DMA-Busses aufschlüsselt, dabei die angeschlossenen Festplattentypen (Atari oder Rhothron) ermittelt und sich auf die physikalischen Geräteadressen der Rhothron-Festplatten einstellt. In einer editierbaren Datei legt man die Partition-Konfiguration einschließlich einer Bootpartition für Accessories und Auto-Ordner fest.

Der Rootsektor (physikalischer Sektor 0) der Rhothron-Festplatten ist ebenfalls nicht kompatibel zum Atari-Rootsektor. Dank des eigenen Formates läßt der Treiber bis zu acht Partitions pro Festplatte zu. Leider beraubt sich Rhothron damit der Autoboot-Fähigkeit, ein Mangel, der bei bestimmten Anwendungen (zum Beispiel bei der Programmentwicklung) die Eignung einer Rhothron-Festplatte als einziges Festplatten-System problematisch erscheinen läßt.

Die Betriebsprogramme zu Festplatte und Streamer sind in eine GEM-Ober-fläche eingebunden, die Pull-Down-Menüs und Dialogboxen als Bedienungselemente bereitstellt. Das Dienstprogramm für die Festplatten erkennt die Plattenkapazität automatisch. Alle Funktionen wie Formatieren, Partitionieren, Löschen von Partitions und das Markieren von defekten Sektoren sind sehr komfortabel zu steuern und arbeiten störungsfrei.

Die Geschwindigkeitswerte beim Laden und Kopieren stellen der Rhothron-Festplatte ein gutes Zeugnis aus. Trotz des mit 40 ms mittlerer Zugriffszeit deutlich langsameren Laufwerkes erreicht das Testgerät Zeiten, die an das sehr schnelle Festplattenlaufwerk SyQuest SQ555 (25 ms) heranreichen. Dies bestätigen auch die Ergebnisse mit »SPEEDTEST«, einem Rhothron-Programm zur Messung der Datenübertragungsrate. Die Übertragungsrate der Rhothron-Platte liegt nur kapp 10 Prozent unter dem Wert der SQ555 mit Atari-Hostadapter und AHDI-Treiber.

Die komfortable Streamer-Software »STREAMER.PRG« erlaubt (im Rahmen der DMA-Bus-Beschränkung auf acht Geräte) die gleichzeitige Verwendung mehrerer Streamer und Festplatten. Vor Beginn des Sicherungs- oder Restaurierungslaufes wählt der Benutzer das entsprechende Festplatten-Streamer-Paar aus. Selbstverständlich lassen sich auch Atari-Festplatten sichern.

Zum Speichern der Festplattendaten auf ein Band bieten sich zwei Verfahren an, nämlich dateiweises Kopieren und das sogenannte Image-Backup, bei dem die Daten von der Festplatte sektorweise auf die Bandkassette geschrieben werden. Dieses Verfahren arbeitet besonders schnell, kann jedoch beim Restaurieren Probleme erursachen, wenn zwischen Sicherungsvorgang und Restaurieren zusätzliche Sektoren defekt geworden sind. Eine Image-Restore-Software darf keinesfalls die Schreibroutinen des TOS benutzen, da beim Schreiben auf einen defekten Sektor die Restaurierung abgebrochen würde. Sicherlich haben Sie diesen Effekt bei der Disketten-Kopie des ST-Betriebssystems schon beobachtet.

STREAMER verzichtet aus Geschwindigkeitsgründen beim Sichern auf die Datei-Kopie und arbeitet ausschließlich nach dem Image-Backup-Verfahren. Eine Festplatte läßt sich entweder als physikalisches Laufwerk (physikalisches l:l-Abbild der Spuren und Sektoren) oder als Images der einzelnen Partitions auf das Band übertragen. Image-Backups sind in beliebige Partitions zurückzuschreiben, sofern sie mindestens die Partition-Große des Image besitzen. Beim Restaurieren in größere Partitions bleibt der Bootsektor auf Wunsch erhalten.

  Rhothron 40MB-Platte SH205 SyQuest SQ555
Laden 1st Word plus 4,19 4,84 4,06
Laden Adimens 5,16 5,47 4,72

Werte in Sekunden, ermittelt auf einem Mega ST 4 unter dem neuen Atari-TOS

komplettes Laufwerk
Image-Backup 10 min 15,9 s
Image-Verify 11 min 46,0 s
Image-Restore 10 min 38,5 s
Partition mit 10,8 MByte
Partition-Backup 2 min 35,9 s
Partition-Restore 2 min 35,5 s
2 Partitions mit 10,4 und 6,1 MByte
Partition-Backup 7 min 14,3 s
(einschließlich Umspulzeiten)

Zeiten des 40-MByte-Streamers von und auf eine 44-MByte-SQ555 einschließlich der Umspulzeiten

Der Rhothron-Streamer erreicht hohe Backup- und Restaurierungs-Geschwindigkeiten. Etwas mehr als zehn Minuten für eine 44-MByte-Festplatte entsprechen einer effektiven Datenübertragungsrate von ungefähr 70 KByte pro Sekunde. Das Überprüfen der Festplattenkopie auf dem Band (Verify) und die Restaurierung nehmen nur unwesentlich längere Zeit in Anspruch.

STREAMER verschafft sich vor je-dem(!) Partition-Backup ein genaues Bild von der Bandbelegung. Dazu liest das Programm zunächst das gesamte Band, legt ein Verzeichnis im Speicher ab, spult zum Anfang zurück, spult wieder vor (hinter das letzte Partition-Image) und beginnt dann erst mit der Sicherung der angewählten Partition. Selbst ohne Wechseln der Kassette läuft bei jeder weiteren Partition-Sicherung, abgesehen vom Lesen des Gesamtbandes, der gleiche Vorgang (Rückspulen, Vorspulen, Sichern) erneut ab.

Was das Restaurieren betrifft, trauen die Software-Entwickler ihrer Hardware offensichtlich mehr zu. Beliebige Partition-Images lassen sich unmittelbar an-fahren und ohne zeitraubendes Hin- und Herspulen direkt restaurieren.

In allen Restaurierungen fängt die Software bei Schreibfehlern die entsprechenden Fehlermeldungen des TOS ab und setzt die Restaurierung fort. Auf diese Weise geht trotz Image-Restore schlimmstenfalls die Datei verloren, in deren Bereich sich der defekte Sektor befindet.

Erst nach Ende unseres Tests fertiggestellt wurde ein Zusatzprogramm, das den Streamer mit Partition-Images als logisches Nur-Lese-Laufwerk ins Betriebssystem einbindet. Auf diese Weise läßt sich die Geschwindigkeit des Image Backups mit der Flexibilität des dateiweisen Restaurierens verbinden.

Das Rhothron-Massenspeicher-System mit Festplatte und Streamer ist eine gute Medizin gegen Datenunsicherheit. Hoffen wir mit Kurt-Dietrich Datenstapler, daß Sie von Rhothrons guter Streamersoftware nur die Backup-Funktionen benötigen: Denn der Normalfall in der Datensicherung sollte stets das Backup bleiben, nie jedoch die Restaurierung! (uh)

Vertrieb: Rhothron GmbH, Rudolfstr. 14, 7500 Karlsruhe, Tel. 0721/60311

Wertung

Produkt: Festplatten und Streamer
Hersteller: Rhothron GmbH, Karlsruhe

Festplatten Profiversion Normalversion
40 MB 2499 Mark 2198 Mark
60 MB 2839 Mark 2392 Mark
80 MB 3979 Mark
100 MB 4549 Mark
120 MB 5119 Mark —
Streamer
20 MB 2107 Mark
40 MB 2611 Mark 2300 Mark
60 MB 2838 Mark 2506 Mark

Stärken:
□ sicherer Betrieb □ effektive DMA-Bus-Pufferung □ Profi-Versiori sehr robust □ komfortable Software

Schwächen:
□ Festplatten nicht autobootfähig □ umständliches Partition-Backup □ Datei-Backup nicht vorgesehen

Fazit: professionelles Massenspeichersystem


Wolfgang Fastenrath
Aus: ST-Magazin 12 / 1988, Seite 154

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