Heinzelmännchen für 1st Word plus: Die richtigen Zusatzprogramme erleichtern die Arbeit

Gute Programme zeichnen sich dadurch aus, daß sie Folgeentwicklungen nach sich ziehen. Selbst der beste Textverarbeiter hat hier und dort noch kleine Macken. Da liegt es nahe, hilfreiche Zusatzprogramme einzusetzen, um dem guten Programm den letzten Schliff zu geben. 1st Word plus gehört unbestritten in die Reihe dieser Standardprogramme, die jeder ST-Besitzer kennt, kauft oder kopiert. Dennoch hat 1st Word plus nicht zu leugnende Nachteile.

Passionierte Anhänger außerdeutscher Sprachen kritisieren immer wieder die mühselige Prozedur, um ein Sonderzeichen aus dem Setzkasten in den Text zu holen. Auch hier gibt es für die Erfassung fremdsprachlicher Texte manche gute Hilfe. Sehr einfache Programme erlauben es, die Tastatur beliebig umzubelegen. Die Alternate-Taste in Kombination mit dem »e« gedrückt, ergibt zum Beispiel das dazugehörige Akzentzeichen »e«. Besonders trickreich arbeitet das »Extended Keyboard« von Axel Esser. Die Eingabe von Sonderzeichen funktioniert dabei so, wie man es von der Schreibmaschine gewöhnt ist: Man tippt zunächst das Hauptzeichen und dann das gewünschte Nebenzeichen quasi darüber. Das »Extended Keyboard« hat mit vielen anderen Tastaturbelegungshilfen eines gemeinsam: Es gehört zur Public Domain-Software und ist damit fast kostenlos erhältlich.

Kostenlos sind ebenfalls viele Tools, die ein weiteres Problem von 1st Word plus abstellen. Immer wiederkehrende Phrasen möchte man gerne auf Knopfdruck abspulen lassen. Programme wie »Keyclick« und viele andere bringen die »freundlichen Grüße« am Briefende mit nur einer Tastenkombination hervor. Schon schwieriger ist die Lösung eines vierten Spezialfalles. Was macht der Mathematiker oder Physiker, der diverse Sonderzeichen auf Bildschirm und Papier benötigt? 1st Word plus allein reicht dazu nicht aus. Abhilfe schafft »ST-Font«, ein Accessory von Andreas Käufer und Michael Bernards, das wir in der Juliausgabe abgedruckt haben. Das unglaublich kurze (515 Byte) Assemblerprogramm gestattet das Einlesen von Zeichensätzen im STAD- beziehungsweise Tempus-Format.

Wie entwirft man aber einen gänzlich neuen Zeichensatz? Dies erledigt in der Regel ein weiteres Zusatzprogramm, der sogenannte Fonteditor. Auch davon gibt es eine große Auswahl in den einschlägigen Public Domain-Sammlungen. Empfehlenswert ist unter anderem derjenige von Jens Muus und Wilhelm Besenthal. Der »ZEE-Editor« liegt einem Buch über 1st Word plus bei und gestattet den Entwurf von Bildschirm- und Druckerzeichen zugleich. Zusammen mit »ST-Font« läßt sich mit diesem Team sogar ein kyrillischer Zeichensatz für 1st Word plus und dem angeschlossenen Matrixdrucker realisieren. Ganz neue Perspektiven tauchen da auf!

Kommen wir zum nächsten Problem. Es ist eine Erfahrungstatsache, daß geübte Vielschreiber mit einem Tastaturkommando in der Regel schneller zum Ziel kommen, als mit der Maus und den Pull-Down-Menüs. Die Bedienung von 1st Word plus sieht allerdings noch keine »shortcuts« für die erfahrenen Anwender vor. Eine Alternative zur Maus ist jedoch »CAT«. Nein, nicht das Musical, sondern ein Tool unseres Atarium-Autors Julian F. Reschke. CAT ermöglicht in jedem GEM-Programm den Aufruf von Menüpunkten via Tastatur.

Schließlich haben sich schon viele Anwender darüber geärgert, daß 1st Word plus nicht die Kombination von normalem und anderthalbfachem Zeilenabstand gestattet. Selbst wenn man den Druckertreiber so verändert, daß standardmäßig ein anderthalbfacher Zeilenabstand gilt, so kann man damit nicht bestimmte Textausschnitte, wie Zitate in einem weniger großen Abstand aus-drucken. Dieses Problem ist bis heute mit den beiden 1st Word plus-Versionen 1.89 und 2.02 ungelöst geblieben. Was das neue 1st Word plus 3.0 in diesem Punkt zu bieten hat, lesen Sie in unserem Exklusivbericht auf Seite 60.

Kurzbezeichnungen der Tastaturkürzel in den Menüs: Ein Patch machte möglich.
Vier Fenster und trotzdem Übersicht: Mit dem Profi-Text-Modul werden fest definierte Fenstereinstellungen auf Tastendruck abgerufen.

Nun ist in diesen Tagen ein Programm auf den Markt gekommen, das hier Abhilfe schaffen will. Es heißt »Profi-Text-Modul für 1st Word plus« und verspricht, das Problem der halbzeiligen Ausdrucke und viele andere Schwierigkeiten in den Griff zu bekommen. Es bietet laut Werbung mathematisch-naturwissenschaftliche Sonderzeichen und eine vollständige Tastatursteuerung. 1st Word plus soll damit als »hocheffizientes Textverarbeitungsprogramm für den professionellen Einsatz geeignet sein«.

Das Profi-Text-Modul wird auf Diskette in zwei verschiedenen Versionen ausgeliefert. Die eine ist für 1st Word plus 1.89, die andere für 1st Word plus 2.02 bestimmt. Ein TOS-Programm namens »Magic-TOS« dient dazu, als erstes die Ressource-Files von 1st Word plus zu patchen. Es wird nur einmal aufgerufen und löscht sich danach von selbst. Es liegt also nahe, eine Sicherheitskopie von 1st Word plus zusammen mit dem Profi-Text-Modul auf einer neuen Diskette anzulegen. Damit ist die Installation schon abgeschlossen. Wird 1st Word plus wie eh und je durch einen Doppelklick gestartet, so läuft es ohne den erweiterten Funktionsumfang. Erst der Start durch einen Klick auf »Promodul« führt zum gewünschten Ziel. Sekunden später erscheint eine Copyrightmeldung des Profi-Text-Moduls, die man bestätigen muß, bevor es weitergeht. Anschließend wird 1st Word plus geladen und meldet sich mit dem obligaten Fenster zum Öffnen einer Datei.

Ein erster Rundgang durch die nun geänderten Menüs bringt es zum Vorschein: 1st Word plus läßt sich jetzt wahlweise auch mit Tastaturkommandos steuern. Überzeugte Anhänger des Klassikers Wordstar werden an der Tastenbelegung ihre Freude haben. Wie bei Wordstar dient CTRUF zum Aufruf des Suchmenüs, mit CTRUB und CTRL-K werden Blockanfang und -ende markiert. Nur sehr wenige Funktionen lassen sich nicht via Tastatur aufrufen. Dazu gehört das Lesen von Blöcken, das Löschen von Dateien und das Menü »neu formatieren«. Ausgesprochen praktisch sind vier neue Befehle. In Verbindung mit Cursor- und Controltaste gestatten sie, seitenweise nach oben und unten zu blättern. Die Tasten »Home« und »CTRL-Home« veranlassen das Springen an den Anfang und das Ende des Textes. Im Laufe der Zeit gewöhnt man sich damit den Griff zur Maus ab: ein Tastaturaufruf ist schneller.

Drei besondere Schmankerl dürfen nicht unerwähnt bleiben. Zum einen ist nun auch das Anlegen von neuen Ordnern aus dem verbesserten 1st Word plus heraus ein leichtes: in der Objektauswahlbox gibt man statt eines Dateinamens den gewünschten Ordnernamen ein und schließt diese Prozedur mit »CTRL-Punkt« ab. Daraufhin wird das neue Unter Verzeichnis automatisch erzeugt. Zum anderen dient der numerische Ziffernblock in Verbindung mit der Controltaste dazu, auch bei vier Textfenstern stets den Überblick zu behalten. Insgesamt zwölf fest definierte Fenstereinstellungen gestatten das Umschalten zwischen den Texten und verschiedenen Darstellungsmodi. Wahlweise erscheinen die Fenster in Spalten nebeneinander, in Reihen untereinander oder seitlich versetzt. Schließlich wurde der Zugriff auf Laufwerke und Extensionen bei allen Dateioperationen sinnvoll vereinfacht. Wenn Sie in der Dateiauswahlbox zum Beispiel »CTRL-B« eingeben, gelangen Sie sofort ins Hauptverzeichnis von Diskettenlaufwerk B. Die Control-Taste zusammen mit einer Ziffer der oberen Tastaturleiste betätigt, ergibt je eine von zehn festgelegten Extensionen. Mit »CTRL-6« sehen Sie etwa alle Texte mit dem Anhängsel »txt«.

Sieht man einmal davon ab, daß eine verwirrende Fehlermeldung beim Schließen der Fußnotenfenster mit »CTRL-Q« auftaucht, so arbeitet die neue Tastaturbelegung sehr zuverlässig.

Die Leistungsmerkmale des Profi-Text-Moduls sind für jeden Anwender wichtig und hilfreich. Daneben bietet der Testkandidat eine Reihe weiterer Funktionen, die speziell auf die Benutzer des Atari-Laserdruckers zugeschnitten sind. Zunächst zu den mathematisch-naturwissenschaftlichen Sonderzeichen, die neu im 1st Word plus-Setzkasten erscheinen. Jedes dieser Zeichen wird wahlweise über die Maus oder eine Tastaturkombination in den Text geholt. Aufs Papier gelangen diese Zeichen nur in der Diablo-Emulation des Laserdruckers. Auf der Diskette befinden sich drei verschiedene Fonts mit unterschiedlichen Zeichenbreiten und ein modifizierter Diablo-Treiber. Alle Anwender mit 9- oder 24-Nadel-Druckern müssen mit Hilfe eines Fonteditors ihren Druckerzeichensatz momentan noch selbst entwerfen. Die Firma PP-Software hat uns zugesichert, demnächst fertige Treiber für die gängigen Druckertypen mitzuliefern.

Keine elegante Lösung: Zum Wechsel des Zeilenabstandes muß ein Steuerzeichen vor jede Zeile geschrieben werden.
Sinnigerweise fängt das Profi-Text-Modul einige Abstürze von 1st Word plus ab. Die Datenrestauration ist jedoch aufwendig und teuer.

Eine weitere Option wurde in dem bisher ausgelieferten Handbuch mißverständlich formuliert. Es heißt dort: »Auch 1st Word plus 2.02 unterstützt leider noch keine halbzeiligen Ausdrucke. Dieses Problem löst Profi-Text-Modul, indem für die Zeilenschaltungen (1.5,1.0, 0.75) eine eigene Druckeranpassung verwendet wird.« Wer gehofft hatte, nun mit dem Profi-Text-Modul den normalen und anderthalbfachen Zeilenabstand kombinieren zu können, der wird enttäuscht. Vielmehr sieht der Treiber für den Laserdrucker ein Sonderzeichen vor, das jeweils für eine Zeile den Zeilenabstand verändert. Um den korrekten Seitenumbruch soll sich der Anwender selbst kümmern. Er muß dazu berechnen, wo die nächste Seite beim Mischen von normalem und anderthalbfachem Zeilenabstand beginnt, und dort ein hartes Umbruchzeichen setzen. Die irreführenden Angaben des Handbuches sollen nach Auskunft des Herstellers in der nächsten Auflage verschwinden. Dieses Handbuch enthält außerdem die schlicht-weg falsche Behauptung, 1st Word plus-Dateien würden durch Virenbefall »zerstückelt«. Inzwischen hat der englische Hersteller GST einen Fehler im Programm ausmachen können, der dafür verantwortlich ist.

Glücklicherweise hat sich das Profi-Text-Modul im Test als solider und zuverlässiger erwiesen als das mitgelieferte Handbuch. Bestimmte Fehler von 1st Word plus werden in der gepatchten Version zuverlässig abgefangen. Zu den Pluspunkten des Testkandidaten zählen wir die Tastatursteuerung und das neuartige Fenster-Handling. Nicht glücklich erscheint uns die Beschränkung der übrigen Funktionen auf den Anwenderkreis mit Laserdrucker. Das Profi-Text-Modul ist nach Aussage des Herstellers in erster Linie für Firmen und Schreibbüros konzipiert, die über dieses Gerät verfügen. Hier wird sich das Programm sicherlich eher verkaufen, als unter denjenigen Anwendern, die auf Public Domain-Software zurückgreifen können, um ihr 1st Word plus mit sinnvollen Tools aufzuwerten und besser zu machen. (hb)

Wertung

Name: Profi-Text-Modul
Preis: 100 Mark
Hersteller: Peter Averkamp

Stärken:
□ alle Menüaufrufe durch Tastaturkürzel □ gutes Fensterhandling auch bei vier Texten

Schwächen:
□ Sonderzeichen und Druckertreiber nur für Atari-Laserdrucker □ anderthalbzeiliger Abstand nur mit viel Aufwand zu realisieren □ falsche Angaben über 1st Word plus im Handbuch

Fazit: Ein hilfreiches Tool für alle, die nicht auf Public Domain-Software zurückgreifen können oder wollen.

Vertrieb: PP Software-Service, Landsberger Str. 87/IV, 8000 München 2,


Michael Spehr
Aus: ST-Magazin 12 / 1988, Seite 64

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