Aufstieg ins Big Business

Zettelwirtschaft ade! Wer in Büro und Betrieb auf Fortschritt zählt, der setzt auf den elektronischen Bürogehilfen. Als unermüdlicher Kollege stellt der Atari ST heute in nahezu jedem Gewerbe sein Allroundtalent unter Beweis. Drei Jahre nach Einführung dieses Computers hat die Branchensoftware einen hohen Qualitätsstandard erreicht. Das Verhältnis von Preis und Leistung ist oft konkurrenzlos günstig. Wann engagieren Sie den Kollegen ST?

Es ist nicht die Klimaanlage, die beim Eintritt in das Bielefelder Fahrradgeschäft leise zur sommerlichen Schwüle rauscht. Seitlich versetzt, hinter der Ladentheke entdeckt man einen »Ruhestörer«, den man hier kaum erwartet hätte. Das Design erscheint vertraut, und ein zweiter Blick zeigt es genau: Da tut ein Atari ST mit Festplatte seinen Dienst. Auf die Frage nach der Beziehung zwischen Computer und Fahrradhandel weist der freundliche Verkäufer auf den Bildschirm. Staunend erblickt der Kunde ein Stahlroß in der Explosionszeichnung — schwarz auf weiß, in hoher Grafikauflösung und mit allen Details. »Wir verwalten unseren gesamten Lagerbestand mit dem Atari. Außerdem führen wir hier jedem Kunden unsere Produktpalette mit den Preisangaben vor.«

Gesagt, getan. Ein Mausklick auf das Lenkrad befördert eine Typenliste mit Kostenangabe und Lagerbestand auf das gestochen scharfe Sichtgerät. Ein weiterer Klick auf den Sattel, und ein neues Datenfenster öffnet sich. Der ganze Vorgang erscheint kinderleicht. Dem Verkäufer sieht man an, daß es ihm Spaß macht, Informationen blitzschnell mit der Maus zu präsentieren. »Am Anfang hatten einige Kollegen Vorbehalte gegenüber dem Computer «, erzählt er, »aber inzwischen reißen sie sich darum, die Sache mit der Maus selbst in die Hand zu nehmen«. »Die Sache mit der Maus« — das steht für eine leicht zu bedienende Benutzeroberfläche, eine logisch strukturierte Programmführung, mit der jeder Anwender schnell zum Ziel kommt. Anfänger eingerechnet. Ohne Computerkauderwelsch und ohne komplizierte Tastaturkommandos spielt sich ein Großteil der Bedienung über allgemeinverständliche grafische Symbole ab. Auch im kaufmännischen Bereich ist deshalb der Atari ST als »Jedermann- und Jederfrau-Computer« auf dem Vormarsch.

Die Angestellte, die die Buchführung am Monitor erledigt, soll — so weit es eben geht — ihren Kopf für die Finanzen frei haben. Sie soll sich nicht mit der abstrakten Maschine »Computer« herumschlagen müssen, soll ihre Zeit nicht mit dem Studium komplizierter Steuercodes und -Sequenzen verbringen. Zeit ist Geld — diese Binsenweisheit regiert im Geschäftsleben mehr als irgendwo sonst. Und um Zeit zu sparen, bedarf es leistungsfähiger und bedienerfreundlicher Soft- und Hardware.

Hardwareseitig sind die Voraussetzungen Ihres künftigen Assistenten günstig. Die Mega-STs — gut einjährig der jüngste Sproß der ST-Familie — sind für den harten Büroeinsatz gut gerüstet. Ihre Tastatur kommt professionellen Ansprüchen eher entgegen als die der älteren und kleinen Brüder 1040, 520 und 260 ST. Sie stammt von einem Markenhersteller, ist vom Hauptgehäuse abgesetzt und weist eine präzisere Anschlagmechanik auf. Allerdings sind die Tastaturkappen auch beim Spitzenmodell breiter als bei PC-Standardtastaturen. Statt 12 mm bringt es die Atari-Tastatur auf stolze 15 mm je Kappe. Der Effekt: Vielschreiber erwischen häufiger zwei Tasten gleichzeitig. Doch muß auch der Anspruchsvolle nicht auf das Profiterminal verzichten. Module zum Anschluß handelsüblicher PC- oder AT-Tastaturen sind ein beliebtes Zubehör.

Ein klarer Kopf ist für Ihren neuen Mitarbeiter Ehrensache: Der monochrome Monitor gestattet mit seiner ungewöhnlich hohen Bildwechselfrequenz von 71 Hz nahezu völlig ermüdungsfreies Arbeiten. Normal sind 50 Hz. Er bietet gegenüber Standard-PCs die doppelte Auflösung und ist absolut flimmerfrei. Berufsgenossenschaften empfehlen ihn.

Als besonders lobenswerte Eigenschaft weist sein Zeugnis »Umgänglichkeit und Gutmütigkeit« auf. Das festinstallierte Betriebssystem ist der Maus von vornherein auf den Leib geschnitten. Wer über ein paar Grundinformationen verfügt, bedient damit den Computer auf Anhieb. Auch ohne »Einführungsseminar«.

Soweit zu den äußeren Werten. Doch eine Hardware allein macht noch keine Anwendung. Erst mit geeigneter Software wird der ST zum allzeit ergebenen »Bürohengst«. Der Entscheidung für das richtige Programm sind eine ganze Reihe von Überlegungen voranzustellen. Denn letztendlich entscheidet hier Ihre Wahl darüber, ob sich der ST als hilfsbereiter Kollege oder widerwilliger Quertreiber entpuppt. Oder würden Sie einen ungebildeten Mitarbeiter anheuern?

Die drei Koryphäen der automatisierten Informationsverarbeitung heißen seit Anbeginn des Computerzeitalters »Textverarbeitung, Datenbank und Tabellenkalkulation«. »Wordprocessor, Database, Spreadsheet« im amerikanisierten Neudeutsch. Dieser Themenschwerpunkt dreht sich nur am Rande um die Standardanwendungen, denn wir widmen jedem der »großen Drei« regelmäßig eigene Sonderteile. Dennoch seien sie hier kurz aufgeführt.

Allen drei ist gemeinsam, daß sie nicht von vorneherein auf den kaufmännischen Bereich ausgerichtet sind. Ihr Einsatzgebiet ist universeller. Dennoch sind sie fast immer Grundlage jeder noch so spezialisierten Branchenlösung. Jede Finanzbuchhaltung ist eine spezialisierte Kalkulation, jedes Arztprogramm eine maßgeschneiderte Datenbank.

Steht der Computer in Ihrem Unternehmen oder an Ihrem Arbeitsplatz am Anfang seiner Karriere, und ziehen Sie den Einsatz eines der Software-Spitzenreiter in Betracht, dann sollten Sie einige Überlegungen berücksichtigen. Kann das Textprogramm rechnen und Serienbriefe aufbereiten? Liegt eine Schnittstelle zum Buchführungssystem vor?

In Sachen Textverarbeitung ist das umfangreiche System »1st Word plus« zumeist die Lösung der Wahl. Mit einem Zusatzprogramm sind Serienbriefe ein Kinderspiel. Mit wenig Aufwand schreibt der erfolgreiche Unternehmer im Handumdrehen jeden Kunden mit persönlicher Anrede an. Wegen seiner großen Verbreitung arbeitet 1st Word plus mit vielen einschlägigen ST-Programmen zusammen, so auch Kalkulationen und Datenbanken.

Im Business bewährt hat sich auch »Writer-ST«, eine spezielle Entwicklung für Arzt- und Anwaltspraxen. Es glänzt mit einem Formulargenerator, der das Ausfüllen von Vordrucken erleichtert.

Für wiederkehrende Berechnungen sind Tabellenkalkulationen ein Muß. Besonders umfangreiche mathematische Planspiele, wie sie in jedem Unternehmen anfallen, gehören zur Domäne dieser Programmgattung. Auch hier gibt es eine breite Auswahl für den Atari ST, die sich vor Standardprogrammen aus der IBM-Welt nicht verstecken muß. Etwa das neue LDW-Power, das den Funktionsumfang von Lotus 1-2-3 aus der IBM-Welt bietet, aber — dank Maus — ungleich leichter zu bedienen ist. LDW-Power verarbeitet bei 1 MByte freiem Arbeitsspeicher bis zu 100000 Zellen gleichzeitig und führt komplexe Berechnungen in rekordverdächtigen Zeiten durch. Es ist auch für den kommerziellen Einsatz in einem mittelgroßen Betrieb geeignet.

Datenbanken schließlich tragen dazu bei, Aktenordner mehr und mehr ins Abseits zu befördern. Sie sind die großen Datenspeicher. Sie konservieren beliebige Informationen nicht nur fehler- und verlustfrei. Eine ausgeklügelte Datenbank trägt dazu bei, die in ihr abgelegten Informationen schnell und einfach wiederzufinden. Ob es sich dabei um Adreßlisten von Kunden und Lieferanten, Lager oder Aufträge handelt, ist egal. Der Markt bietet Lösungen vom einfach zu bedienenden Adreßprogramm bis zur Datenbank mit eigener Programmiersprache. Bewährt hat sich Adimens ST als relationale und programmierbare Datenbank. Sie ist für den Datenaustausch mit der IBM-Welt ausgelegt und verfügt über eine Schnittstelle zu 1st Word plus.

Theoretisch ließe sich mit einem solchen System auch die Buchhaltung erledigen. Eine Datenbank für diese Spezialität zu programmieren, erfordert jedoch einigen Aufwand.

Die Spezialisten kommen

Gut, daß es maßgeschneiderte Pakete für den kaufmännischen Einsatz gibt. Grundsätzlich lassen sich zwei Kategorien unterscheiden. Zur ersten gehören alle Programme, die sich in fast jedem Unternehmen einsetzen lassen, beispielsweise Finanzbuchhaltungen, aber auch die drei oben genannten Klassiker. Die zweite Gruppe ist speziell auf eine Branche zugeschnitten. Gemeinsam ist fast allen, daß sie die grafische Benutzeroberfläche GEM einsetzen. Mit grafischen Symbolen, Pull-Down-Menüs und Maus erleichtern sie die Bedienung.

Da muß der Fahrradexperte dann nicht zum Computerprofi werden. Die vorhandenen Kenntnisse der Finanzbuchhaltung, Lagerverwaltung, Personalwesen oder Mahnverkehr reichen aus für den Ausstieg aus dem altgewohnten Papier- und Ordnerkrieg. Das erforderliche Minimalverständnis vermittelt das ST-Handbuch.

Beispielhaft, was leichte Bedienung betrifft, ist »fibuMAN«. Man darf das Programm ohne Zweifel den ST-Klassiker in Sachen Finanzbuchhaltung nennen. Drei Versionen decken das ganze Spektrum von der einfachen Einnahmeüberschuß-Rechnung für Freiberufler über die bilanzfähige Version für Einzelbetriebe bis hin zur mandantenfähigen Finanzverwaltung für Steuerberater ab. Allen Versionen gemeinsam ist die gute Überschaubarkeit. Sie suchen noch während des Buchens nach einer bestimmten Kontonummer oder legen gar ein neues Konto an. Sie stellen auf Knopfdruck detaillierte Listen zur Finanzlage der Firma auf. Mit »fibuSTAT« existiert ein Programm für umfangreiche statistische Auswertungen. Weitere Nachkömmlinge sind angekündigt, so auch Faktura mit Mahnwesen, Mindestbestandsmeldung, Kunden- und Lieferantenverwaltung und eine Lohnbuchhaltung.

Andere Programme sind auf die Bedürfnisse einer bestimmten Branche zugeschnitten. Da gibt es Lösungen für Architekten und Ärzte, Filmproduzenten und Feuerwehr, Hausverwalter, Heizungstechniker, und und und...

Als vorbildliches Branchenprogramm gilt der V-Manager für Versicherungsagenturen. Jeder Vertrag erscheint auf dem Bildschirm in Form eines Piktogramms. Die Kundenverwaltung vollzieht sich auf elektronischen Karteikärtchen und ohne lange Einarbeitungszeit.

Erstaunlich ist bei fast allen kaufmännischen Programmen für den Atari ST der unglaublich günstige Preis. Ausnahmen finden sich bei »Nischenanwendungen«, die einerseits ein umfangreiches Expertenwissen erfordern, andererseits für die Hersteller keine hohen Absatzzahlen erwarten lassen.

fibuMAN kostet in der größten Ausbaustufe weniger als 1000 Mark, der V-Manager nur 1500 Mark. Vergleichbare, zumeist aber weniger komfortable Branchenlösungen sind in der Welt der IBM-Kompatiblen erst für das Fünf- bis Zehnfache dieser Summe zu haben. Auch die oben vorgestellte Standardsoftware für Textverarbeitung, Tabellenkalkulation und Datenverwaltung ist unter MS-DOS ungleich teurer. Rechnet man in der IBM-Welt noch die höheren Kosten für den Computer selbst hinzu und berücksichtigt man, daß viele Hersteller ihre Software an (überteuerte) Hardware aus dem eigenen Hause binden, so ergibt sich von selbst, daß eine Ausstattung auf ST-Basis preiswerter ist. Inzwischen entscheiden sich kleine und große Firmen, Freiberufler und kommunale Verwaltungen immer häufiger für den ST und gegen IBM und Gefolgschaft.

Planung auf dem Weg zum Erfolg

Worauf sollte man bei der Wahl der Software für den eigenen Betrieb vor dem Kauf achten? Zunächst gelten ganz allgemeine Anforderungen: Arbeitet das Programm fehlerfrei und zuverlässig? Fängt es Fehleingaben ab, bevor sie Schaden anrichten? Kann der Hersteller mit

Referenzen aus Fachzeitschriften oder von Anwendern überzeugen? Wichtig ist, daß die meistverwendeten Operationen ergonomisch und bedienerfreundlich verlaufen. Gibt das Programm Hilfestellungen, wenn man einmal nicht weiterkommt? Viele dieser Fragen können Sie schon bei Ihrem Computerhändler ab klären, andere erst im Gespräch mit dem Hersteller oder durch die Lektüre von Zeitschriften. Wir vom ST-Magazin bezeichnen gewisse Programme als »Standard« oder »Referenz«. Das sind diejenigen, die zuverlässig, durchdacht und weitverbreitet über allen anderen Mitkonkurrenten stehen.

Außerdem ist es wichtig, daß das Programm in puncto Leistungsfähigkeit und -umfang nicht nur den gegebenen Anforderungen gehorcht, sondern auch dann mithält, wenn die Firma wächst. Nicht alle Finanzprogramme gestatten zum Beispiel beliebig viele Buchungen in einem Periodenabschnitt. Da gibt es dann nach Überschreitung dieser Grenze ein böses Erwachen. Bei anderen Systemen führt der Name und die Werbung in die Irre. Da werden Programme zur Finanzbuchhaltung angeboten, die nicht einmal bilanzieren können. Hier hilft schon ein Blick ins Handbuch, um die Spreu vom Weizen zu trennen.

Weiterhin sollte man darauf achten, ob der Hersteller eine regelmäßige Kundenbetreuung durchführt. Dazu gehört am Anfang eine Einweisung im eigenen Betrieb und eventuell eine Mitarbeiterschulung. Regelmäßige Infos über verbesserte Programmversionen sollten selbstverständlich sein. Im übrigen ist es eine irrige Annahme, daß nur der große Markenhersteller eine perfekte Kundenbetreuung gewährleistet: Kleine und im Wachstum befindliche Firmen sind an ihren Kunden in der Regel stärker interessiert als der etablierte Großbetrieb. Einige Hersteller bieten den (kostenpflichtigen) Service, das Programm an spezifische Firmenbesonderheiten anzupassen. Der heiße Draht zum Hersteller ist wichtig, wenn man einmal nicht mehr weiter weiß. Informieren Sie sich vorab, was die Telefon-Hotline leistet.

Schließlich informiert Sie unser Testlabor regelmäßig über Neuigkeiten und aktuelle Trends. Auch die kaufmännische Software wird hier harten Belastungsproben ausgesetzt. Auf den folgenden Seiten finden Sie Tests und Erfahrungsberichte aus der Praxis. Damit Sie in Ihrer Firma auf Anhieb durchstarten können. (mr)


Michael Spehr
Aus: ST-Magazin 10 / 1988, Seite 128

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