Postscript: Die Weltsprache

Postscript prangt ebenso stolz auf einigen Laserdruckern wie der Begriff »Turbo« auf schnellen Autos. Daß es sich dabei um eine Programmiersprache für Grafikausgabegeräte handelt, wissen die wenigsten. Wer vermutet in einem Drucker schon einen fast kompletten Computer.

Die Geschichte von Postscript beginnt 1976 bei der Evans & Sutherland Computer Corporation. Ein Produkt namens »Design system« war der Vorläufer von Postscript. Bei diesem System handelte es sich um eine Datenbank für komplexe dreidimensionale Grafiken mit einer Sprache für deren Beschreibung. 1978 trat John Warnock in jenes Forschungslabor ein, aus dem der Großteil der innovativen Computerideen kam: Xerox PARC. Er entwickelte dort mit einem Ingenieur namens Martin Newell eine neue Implementation der Sprache, die »JaM« als Akronym für »John and Martin« getauft wurde. Warnock war ebenfalls an der Entwicklung von Interpress, der Xeroxeigenen Seitenbeschreibungssprache, beteiligt. Zusammen mit Geschke gründete er 1982 Adobe Inc. und überarbeitete JaM noch einmal von Grund auf. Das Produkt war die erste Postscript-Version.

Postscript wird heute als Seitenbeschreibungssprache eingesetzt und ist in fast allen Anwendungsfällen für die Kommunikation zwischen einem Grafiksystem und einer Ausgabeeinheit zuständig. Außerdem nutzt man Postscript zunehmend für den Transfer von Grafiken zwischen Applikationen auf verschiedenen Systemen. Unternehmen wie IBM, Apple, Texas Instruments, Apollo-Domain, NEC oder Agfa besitzen eine Postscriptlizenz. Die wichtigste Eigenschaft der Sprache ist ihre Geräteunabhängigkeit.

Postscript ist geräteunabhängig, weil die Grafikinhalte (Bilder, Texte etc.), die eine Postscript-Datei enthält, nicht als Daten vorliegen, sondern als allgemeines Programm in der Sprache Postscript. Ein Postscript-kompatibles Ausgabegerät arbeitet dieses Programm einfach mit den ihm zur Verfügung stehenden technischen Mitteln ab. Es nutzt seine maximale Auflösung. Ein und dieselbe Postscript-Datei läßt sich zuerst auf einen Laserdrucker mit einer Auflösung von 300 dpi drucken und anschließend auf einem Laserbelichter mit einer Auflösung von 2540 dpi ausgeben. Dabei bedarf es keiner Modifikation, und trotzdem nutzt jedes der beiden Geräte seine Auflösung maximal aus.

Der gemeinsame Nenner

Ein Standard, von dem man in so vielen anderen Bereichen nur träumt. Postscript ist so etwas wie ein gemeinsamer Nenner für alles, was ein Drucker oder ein Monitor darstellen kann.
Die Geräteunabhängigkeit erreicht man durch zwei Koordinatensysteme für die Beschreibung der Grafikinhalte. Das Programm, das eine Grafik ausgibt, schreibt seine Grafikelemente in ein festdefiniertes Koordinatensystem, den sogenannten User-Space. Jedes Postscript-Programm läuft also immer im selben Koordinatenraum. Sendet man dieses Programm zum Beispiel an einen Drucker, so arbeitet dessen Postscript- Interpreter das Programm ab.

Alle Postscript-Programme teilen sich dabei denselben Koordinatenraum - wiederum den User-Space. Dabei wird ein Koordinatenraum abgebildet, der mit der Auflösung des Druckers übereinstimmt, dem sogenannten Device Space. Ein Punkt in diesem Device Space entspricht dann einem Pixel des Ausgabegerätes. Aus diesem Grunde brauchen Postscriptfähige Laserdrucker viel RAM. Je höher die Auflösung des Ausgabegeräts ist, desto mehr RAM muß vorhanden sein, um den Koordinatenraum abzubilden.

Eine Postscript-Grafik ist nichts anderes als ein Programm, das eine Grafik in einem festgelegten Koordinatenraum beschreibt. Druckt man eine Postscript- Datei, so wird das darin enthaltene Programm interpretiert und das Ergebnis auf ein vom Ausgabegerät abhängiges Koordinatensystem abgebildet. Die eigentliche Grafik entsteht also erst im Ausgabegerät. Der Drucker ist natürlich nicht mit einem Matrixdrucker vergleichbar. Jeder Postscriptfähige Laserdrucker birgt in seinem Inneren einen leistungsfähigen Computer. Dabei sind entweder 68000- oder 68020-Prozessoren im Einsatz.

Die Vorteile dieses Verfahrens sind höchste Flexibilität und eine starke Normung, weil alles, was darstellbar ist, durch ein mehr oder weniger komplexes Postscript- Programm beschreibbar wird. Da die Sprache Postscript genormt ist, schuf man einen Standard für Grafikausgabe. Nachteile des Verfahrens sind die hohen Kosten für Lizenzen und die relativ aufwendige Interpretation des Codes im Drucker. In der Regel benötigt man einen schnellen 32-Bit-Prozessor, der die Kosten des Ausgabegeräts in die Höhe treibt. Von Nachteil ist außerdem, die lange Zeit für die Interpretation des Postscript-Codes und die Abbildung auf den Device-Space, weil komplexe geometrische Transformationen erforderlich sind.

Postscript gilt trotz dieser Schwächen wegen seiner enormen Flexibilität als der Industriestandard und wird inzwischen von allen fahrenden Firmen unterstützt. Die Konkurrenzprodukte DDL (früher von Imagen und Hewlett-Packard verwendet) und Interpress (der Xerox-eigene Standard) konnten sich in der Welt der Personal Computer nicht durchsetzen.

Adobe hat inzwischen auch eine Bildschirm-Version von Postscript vorgestellt, die schnell genug ist, um ein normales Window-System zu unterstützen. Display- Postscript, so der Name des neuen Produkts, das zum erstenmal in Steve Jobs geheimnisumwitterten neuen Computer »NeXT« kommerziell zum Einsatz kommen soll, würde zum erstenmal ein wirklich echtes WYSIWYG (What You See Is What You Get) verwirklichen, weil Monitor und Drucker dieselbe Sprache sprechen würden.

Die Syntax von Postscript entspricht etwa einem um viele Grafikbefehle erweiterten Forth. Temporäre Daten tauscht man über Stacks, umgekehrte polni- sche Notation kommt zum Einsatz. Daher auch der Name Postscript: Post wegen der Postfix-Notation und Script für »Beschreibung«. Zeichensätze organisiert Postscript intern in sogenannten Dictionaries, die eine vektororientierte Darstellung der Zeichen enthalten und wiederum über den DictionaryStack aufgerufen werden. Bleibt zu hoffen, daß sich alle Hersteller diesem Standard fügen. Zur Zeit scheint keine ernstzunehmende Konkurrenz in Sicht.

Literatur:
Potscript Language Reference Manual, Postscript Ibtorial and Cookbook, Postscript Programm Design, erschienen bei Addison Wesley USA, Postscript, eine Einführung, Addison Wesley


Thomas Niedermeier
Aus: ST-Magazin 08 / 1988, Seite 121

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