Audiotracker 2.0

Mit einer neuen Version der HD-Recording-Suite "AudioTracker" hat nun wirklich niemand mehr gerechnet. Doch es gibt tatsächlich noch Wunder in der Atari-Welt …

Unverhofft kommt oft

In den 90er Jahren war der Markt der HD-Recording-Applikationen für den Atari Falcon durchaus heiß umkämpft. Platzhirsch war ohne Zweifel die AudioVersion des Klassikers Cubase, außerdem versuchten sich verschiedene Free- und Sharewareapplikationen wie Quincy und Studio Son in dem prestigeträchtigen Markt. Aus Deutschland kam die Recording-Suite AudioTracker, die sogar bis zum Ende der 90er Jahre hin beworben und verkauft wurde. Zuletzt wurde sie von ihrem Distributor SoundPool zum Preis von E 75.- angeboten, wobei die Zustellung zur Vermeidung der Transportkosten per E-Mail erfolgen konnte.

Wohl niemand rechnete noch ernsthaft damit, dass es Leben nach der Soundpool-Version 1.66 geben würde. Umso größer war die Überraschung in der Redaktion der st-computer, als eines Tages eine unscheinbare HD-Diskette mit der handgeschriebenen Aufschrift "AudioTracker 2.0" per Post eintrudelte. Da Audiotracker sowieso die Lieblings-Recording-Applikation des Artikelschreiberlings ist, legte er mit etwas zitternden Händen und ungläubiger Miene den Retro-Datenträger in seinen Falcon ein, kopierte das beiliegende Hauptprogramm in den bereits vorhandenen AudioTracker-Ordner auf der Festplatte, startete das Programm und wollte seinen verwunderten Augen nicht trauen: AudioTracker 2.0 für den Atari war Wirklichkeit.

Entstehungsgeschichte

AudioTracker befindet sich in der Version 2.0 nicht mehr im Vertrieb des Zabeltelder Unternehmens Soundpool, vielmehr hat sich der private Entwickler Gerhard Knapienski dem Programm angenommen. Auf Basis der Version 1.66, die er selbst als äußerst problematisch empfand, entwickelte er in knapp vier Jahren Arbeit die Version 2.0. Da die Rechte an dem Programm nicht bei ihm liegen, bietet er die inoffizielle Version 2.0 als Patch für Besitzer der 1.66 an. Die gute Nachricht dabei ist, dass Gerhard Knapienski diesen Patch kostenlos (gegen Deckung der Kosten für Datenträger und Versand) verschickt. Die schlechte Nachricht lautet, dass bisher keine Präsenz im Internet besteht, sodass kein Download angeboten werden kann. Interessenten müssen also darum gebeten werden, sich zu erinnern, dass in grauer Vorzeit ein weltweiter Service namens "Briefpost" bestanden hat, der offensichtlich immer noch intakt ist und zur Bestellung des Programms genutzt werden kann [1].

AudioTracker

AudioTracker stellt eine komplette Audio-Recordingsuite für den Atari bzw. CLab Falcon dar. Andere Systeme werden aufgrund des fehlenden 16-Bit-Audiosystems nicht unterstützt. Im Gegensatz zu Cubase Audio handelt es sich bei AudioTracker aber nicht um einen AudioSequenzer, denn es werden keine MIDI-Spuren angeboten. In sofern rnuss der Musiker, der Applikationen wie Cubase oder Logic auf anderen Plattformen gewohnt ist, also umdenken. Das Komponieren bzw. Sequenzen muss komplett in einem externen Sequenzer (zum Beispiel Notator oder Live) erfolgen, der Falcon dient komplett als digitales Aufnahmegerät. Dies hat natürlich Vor- und Nachteile, ich persönlich bevorzuge jedoch die getrennte Arbeit mit zwei Programmen, da sie mir übersichtlicher erscheint. Da auf dem Atari sowieso keine Plugins, wie VST-Instrumente, genutzt werden können, ist die Audio- und MIDI-Integration innerhalb eines Programms sowieso nicht immer sinnvoll.

AudioTracker arbeitet im Gegensatz zu vielen anderen Audio-Applikationen auf dem Atari weitestgehend auflösungsunabhängig. Wir konnten das Programm auch in der neuen Version problemlos in allen Standardauflösungen des Falcon benutzen, auch Screenblaster-Auflösungen machten keine Probleme; somit ist zu erwarten, dass AudioTracker auch auf Grafikkarten seinen Dienst versieht. Allerdings sollten Sie bedenken, dass höhere Auflösungen auch den Systembus und damit die Gesamtleistung des nun einmal von Haus aus etwas schwachbrüstigen Raubvogels beeinträchtigen. HD-Recording ist aber eine der leistungshungrigsten Anwendungen auf dem Atari, weshalb sie in Sachen Bildschirmauflösung eher etwas bescheidener agieren sollten - zumindest, wenn sie keine Grafikkarte einsetzen.

Auch sonst zeigt sich AudioTracker äußerst verträglich mit der Atari-Gegenwart. So arbeitet das Programm auch unter MagiC im Multitasking. Dies kann Cubase Audio nicht von sich behaupten. Wer allerdings bereits eine vorhandene AudioTracker-Installation, sollte sich vor dem ersten Start der Version 2.0 unter MagiC unbedingt eine Sicherheitskopie seiner Aufnahmepartitionen einrichten, denn in unserem Test waren diese unter MagiC erst einmal komplett verloren und auch unter TOS nachträglich nicht mehr ansprechbar. Selbst das reine Löschen der angelegten Tapes funktionierte nicht mehr, da das Dateisystem des Atari nicht mehr auf diese Dateien zugreifen konnte. Die entsprechenden Partitionen mussten mit einem HD-Reparaturprogramm erst wieder hergestellt werden, bevor sie als Tapes unter MagiC oder TOS erneut eingerichtet werden konnten - hier liegt also einiges im Argen.

AudioTracker kann auf bis zu acht Spuren gleichzeitig aufnehmen. Unterstützt werden dabei die verschiedensten Eingänge, vom (nicht sehr professionellen) Mikrofoneingang des Standard-Falcon bis hin zum S/PDIF- oder ADAT-Interface - die jahrelange Optimierung auf die Soundpool-Hardware ist hier angenehm zu spüren. Unterstützt werden somit "saubere" Samplingraten von bis zu 48 kHz, was eine verlustfreie Aufnahme zum Beispiel auf DAT ermöglicht.

Medien

Wie von AudioTracker gewohnt, gibt es etwas Verwirrung bei der Auswahl des Aufnahmemediums. Traditionell zeichnet die Software am liebsten auf der internen IDE-Festplatte des Falcon auf und steht damit im krassen Gegensatz zu Cubase Audio, das zwingend eine SCSI-Platte voraussetzt. Von Soundpool gab es seinerzeit einen speziell angepassten Festplatten-Treiber, der auch Aufnahmen auf SCSI-Medien erlaubte. Die letzte verfügbare Demoversion (1.65) gestattete in unserem Test hingegen problemlos und ohne Patch die Aufnahme auf SCSI, wobei Dr. Uwe Seimets HDDriver in der Version 7.9 verwendet wurde. Langer Rede kurzer Sinn: Die Version 2 erlaubt zwar die Auswahl einer SCSI-Partition als Tape, beim Versuch der Aufnahme verabschiedet sich jedoch das gesamte System ins Daten-Nirvana und kann nur durch einen Neustart wiederbelebt werden. Die SCSI-Platte unseres Testsystems (Quantum-Platte mit 4 GB mit Tapes mit je 1 GB) blieb während des Zugriffs offenbar stehen - trotz Clockpatches im Falcon. Da jedoch der SCSI-Zugriff des Falcon bekanntermaßen "etwas" problematisch und mit Timing-Problemen "gesegnet" ist, würde uns interessieren, ob auch andere Anwender der neuen Version dieses Problem haben, Optimiert wurde hingegen der Zugriff auf die interne IDE-Platte des Falcon. Laut dem derzeitigen Entwickler sind nun je nach Festplattenmodell Übertragungsgeschwindigkeiten von bis zu 3.5oo KB pro Sekunde möglich, was für verlustfreie Aufnahmen vollends ausreicht. In unserem Test lag die von AudioTracker angezeigte Geschwindigkeit allerdings nur bei knapp 2.000 KB/s, was allerdings auch störungsfreie Aufnahmen ermöglichte. Wer also effektiv mit AudioTracker arbeiten will, sollte also eine schnelle und große IDE-Festplatte in seinen Falcon einsetzen - ein Nebeneffekt ist auf jeden Fall weniger Kabelsalat und Lüftergeräusch auf dem Schreibtisch bzw. im Studio, nicht zu unterschätzende Faktoren beim professionellen Recordiing!

Wie aus obigen Beschreibungen unschwer zu erkennen ist, nimmt AudioTracker im Gegensatz zu Cubase nur innerhalb eigens vom Programm vorbereiteter "Tapes" auf, die generell eine gesamte Partition exklusiv für sich in Anspruch nehmen. Der Anwender sollte sich also schon beim Partitionieren der Festplatte genau überlegen, dass er einer AudioTrackerPartition entsprechend viel Platz zuweist (ab 1 GB aufwärts).

Erweitert wurde auch die Partitionenanzahl. Unter Verwendung von BigDOS, MagiC oder MINT können alle eventuell vorhandenen 24 bzw. 32 Partitionen für Tapes genutzt werden. Alte Einschränkungen entfallen somit.

DSP

AudioTracker bietet nach wie vor drei interne DSP-Effekte Reverb, Equalizer und Gate), die Anzahl wurde auch in der Version 2.0 leider nicht erhöht. Schade ist außerdem, dass die Effekteinstellung nur global erfolgt, allen Spuren ist dann nur der ausgewählte Effekt zuschaltbar.

Positiv macht sich allerdings bemerkbar, dass die DSP-Routinen komplett neu geschrieben wurden, was sich deutlich auf die Aufnahmequalität auswirkt: Das gefürchtete "Kratzen" bei der Einstellung der Fader und Effekte während der Aufnahme und des Abspielens der Vorgängerversionen gehört der Geschichte an.

Auch die Gesamtleistung konnte stark optimiert werden. So kann aufgenommenes Material ab sofort auch im schnellen Vor- und Zurücklauf abgehört werden, was im Recording-Alltag viel Zeit spart.

Fazit

AudioTracker 2.0 ist jedem Besitzer von Vorgängerversionen sehr ans Herz zu legen, denn die bisher vorhandenen Fehler wurden gezielt dezimiert. In unserem Test sind wir nur auf die auffälligsten Verbesserungen eingegangen. Außerdem wurde die Aufnahmequalität durch die Neuentwicklung der DSP-Routinen stark verbessert. Einzig die scheinbar wieder fehlende Unterstützung von SCSIPlatten ist ein dickes Manko, da diese in vielen Atari-Studios stehen.

Trotzdem: AudioTracker gibt dem Falcon erst recht durch die Version 2.0 seine Berechtigung als unkomplizierte, qualitativ hochwertige und preisgünstige HD-Recording-Lösung zurück.

[1] Gerhard Knapienski, Flemingstraße 4, D-3088o Laatzen.


Thomas Raukamp
Aus: ST-Computer 01 / 2004, Seite 6

Links

Copyright-Bestimmungen: siehe Über diese Seite