Ataquarium

Wieder ist es einmal Zeit, sich vom Butler den Tee bringen zu lassen (ja, bei der st-computer verdienen wir unverschämt viel) und ein neues Ataquarium zu beginnen.

Der Atari steht mittlerweile auf einem edlen Tisch in massiver Eiche, ein Kronleuchter spendet Licht und aus der Küche kommt irgendeine unaussprechliche Speise, die jedem schmecken muss, will er denn nicht als unzivilisiert gelten. Ja, die Atari-Szene ist erwachsen geworden. Statt Chips werden jetzt Austern geschlürft und über Tschaikowsky sinniert.

Die Atari-Welt ist angenehm im Jahr 2014. „HighWire NG“, das einzige Atari-Programm, das noch weiterentwickelt wird, zeigt tapfer die Seiten des Internet 2 an. Es muss um das Jahr 2007 herum gewesen sein, als HighWire JPEG-Grafiken darstellen konnte, ein geradezu archaisches Bildformat, das damals im Internet sehr beliebt war. Hinter „Ralph Lowinski“ wurde schon lange eine künstliche Intelligenz vermutet, die fast jede Woche ein neues Update veröffentlichte.

Back to Present

Vermutlich wird es nicht so lange dauern, denn JPEG- und PNG-Support ist unterwegs. Damit wären Anwendungen, die auf HighWire basieren, nicht mehr auf 256 Farben beschränkt. Es kann aber noch etwas dauern, bis die Unterstützung dieser Formate reibungslos funktioniert.

Es gibt derzeit aber nur zwei Spiele, die auf HighWire basieren. Eines davon hatte am ersten GemCandy-Contest teilgenommen. Genau dieser Contest soll eine Neuauflage erleben. Bei Redaktionsschluß war noch nicht bekannt, wann dieser stattfinden soll, aber sicher ist, dass die Programmierer diesmal mehr Zeit haben werden. Im Vorfeld haben schon einige zugesagt und natürlich wird auch das Ataquarium mitmischen und einen Beitrag präsentieren, der auf HighWire basiert und Open Source sein wird.

Post aus den USA

Von Amerika und Atari war in den letzten Jahren höchstens Best Electronic auf einigen Atari-Messen zu sehen. Es wird von vielen angenommen, das dort der ST tot sei. Das stimmt zwar in etwa, aber Anbieter wie B&C Computervisions und eben Best, bringen immer mal wieder neue CDs für den ST heraus. Nebenbei gibt es dort auch Lynx-Module (Daemons' Gate) und einige Jaguar-Sachen (Barkley Shut Up & Jam), die hierzulande wohl nie erhältlich sein werden. Dazu zählt auch die CD „Atari HQ #1“. Diese CD hatte ich mir bestellt und sie soll auch Mittelpunkt dieses Ataquariums sein.

Die CD ist bei B&C Computervisions erschienen. Die Seiten der amerikanischen Anbieter sind nicht wirklich gelungen, ein richtiges Shop-System gibt es nicht. Die Bestellung wird per E-Mail aufgegeben, kurze Zeit später antwortet B&C mit dem Gesamtpreis inklusive Versandkosten. Bezahlt wird am besten über Paypal, das zur Verifizierung eine Kreditkarte benötigt.

Einige Zeit später kam dann das Päckchen an. Die CD ist mit etwa 600 MB Daten sehr gut gefüllt.

Als Atari in den USA dicht machte, griffen einige amerikanische Atari-Händler zu. Der Besitzer von B&C hatte unter anderem viele Festplatten und Disketten von Atari-Mitarbeitern erwischt. Auf der CD ist ein Teil dieser Daten und kaum etwas davon ist bis jetzt veröffentlicht worden. Die CD ist grob kategorisiert, in einer kleinen Textdatei steht etwas über den Inhalt des jeweiligen Ordners.

Auf der CD befinden sich Demos, Spiele und Dokumente für Lynx, Jaguar und den ST. Da die Daten direkt von Atari kommen, gibt es viele Quelltexte. Manche davon gehören zu Projekten, die nie fertiggestellt wurden.

Demos

Eines von diesen Projekten ist „Jaguar Golf“ von Handmade Software. Auf der CD ist leider nur das Binary, das jeder Jaguar-Entwickler ausprobieren kann. Das Demo soll laut der Aussage der Entwickler sogar spielbar sein.

Etwas glücklicher verlief es mit Iron Soldier II. Auf der CD sind verschiedene Entwicklungsstände des Spiels und die Briefe von Marc Rosocha an Sean Patten von Atari.

Einen ähnliches frühen Entwicklungsstand gibt es von Kasumi Ninja. Am 15.09.1994 schrieb Rob Nicholson an Atari: „This version demonstrates our first attempt at music.“ Die Jaguar-Programmierung muss wirklich hart gewesen sein...

Documents

Atari hatte tatsächlichen einen Style-Guide. Penibel wird in mehreren Kapiteln beschrieben, wo das Atari-Logo stehen soll, die Schriftart, Schriftgröße und Groß-/Kleinschreibung.

Es gibt sogar Listen über Ataris Lagerbestände, allerdings im LDW PowerCalc-Format.

Uralt ist das FAQ für Entwickler. Diese bekamen damals ein schnell zusammengeklatschtes Paket aus Micro Emacs, Alcyon C und diversen kleineren Programmen. Als Beispiel lag das primitive Zeichenprogramm „Doodle“ bei.

Sehr interessant ist die Abteilung Techdocs. Dort liegen technische Beschreibungen und Dokumente zum STE+. Dieser STE sollte mit 2 oder 4 MB und einem HD-Laufwerk ausgestattet werden. Das Gehäuse blieb jedoch das gleiche. Mit im Gehäuse war ein AT-Emulator mit 80286 CPU und eine 2,5" Festplatte eingebaut.

Auch von der Microbox sind Dateien enthalten. Dabei sind Dateien, die das Platinenlayout beschreiben. Die meisten dieser Dateien wurden in das PDF-Format konvertiert.

Bekannter dürften die technischen Informationen zu MegaSTE, Lynx, STBook, STE und TT030 sein.

Drawings

In diesem Ordner befinden sich viele technische Zeichnung, u.a. vom Jaguar, Jaguar-CD-ROM, JagMIDI, Jag-Modem und dem Jaguar 2.

Editor

Relativ spärlich gefüllt ist der Editor-Ordner. In diesem befinden sich Level-Editoren für Battlemorph und Blue Lightning. Beide Editoren laufen aber nur auf dem PC.

Graphics

Alles, was die Entwickler an benutzt haben, befindet sich in diesem Ordner. Das sind meistens etwas kleine Grafiken, manchmal auch Fotos, die als Vorlage dienten. Der Schwerpunkt liegt ganz klar beim Jaguar, mit Grafiken aus den Spielen Battlemorph, Iron Soldier 2, Blue Lightning und noch einigen anderen.

Jag Dev Kit

Wie unschwer zu erraten ist, steht "Jag Dev Kit" das Entwicklungssystem für den Jaguar dar. Es besteht aus dem Gnu C-Crosscompiler, der 68000 Code erzeugt, einem CD-ROM-Authoringsystem für den ST, dem Entwicklersystem auf sieben Disketten, JPEG-Routinen und ein paar ST-Tools.

Music

Wenig aufregend ist der Musik-Ordner. Es ist unklar, zu welchem Projekt die drei MIDI-Dateien gehören, die ziemlich asiatisch klingen. Der Samples-Ordner enthält eine Menge Unterordner, die Samples im AIF- und JAF-Format enthalten. Ein Großteil der Samples besteht aus Instrumenten.

Schematics

Zeichnungen zum MegaSTE, SC1224, SM124, MegaST, Jaguar, 1040STE und 1040STF.

Software

Hier sind diverse Software-Programme, die Atari benutzt hat: Hotzbox, Fujibox, CD-ROM-Emulator, Shiny Bubbles (!) und den 65C02-Crossassembler.

Sounds

Der Ordner für Sound-Samples gibt Rätsel auf: was wollte Atari bloß mit Godzillas Geschrei? Die Mischung umfasst Instrumente, kurze Geräusche und Ausschnitte aus Filmen. Kaum etwas davon erscheint ernsthaft verwertbar. Wer noch alte Atari-CDs (zum Beispiel "Skyline"), wird diese Art von Füllmaterial gut kennen.

Source Code

Der Source Code-Ordner ist gut gefüllt. Wie vollständig die Sourcen sind, kann niemand sagen. Manchmal liegt in einem Ordner eine Datei, die beschreibt, was noch fehlt.

Der erste Unterordner gehört Atari. Hier befindet sich der VCS2600-Emulator für den Jaguar. Atari hatte vor, einen Emulator zu programmieren, um dann für den Jaguar große Spielesammlungen anzubieten. Vor einiger Zeit hieß es mal, das Songbird den Emulator komplettieren möchte. Im Ordner befindet sich der komplette Quellcode, inklusive der Testspiele Berzerk, Demon Attack und Pac-Man.

Das nächste Programm wird Falcon-Besitzern bekannt vorkommen: Landmine. Der Source dürfte relativ vollständig sein, aber ein Umschreiben ist dennoch nötig, da Mark Williams C benutzt wurde. Auch die Sample-Dateien sind mit im Ordner.

Neben dem Jaguar tummelt sich noch eine Raubkatze in dem Ordner: Panther. Enthalten ist das Spiel "Breakout" in der Version vom 1.5.1991.

Für den ST befinden sich C-Libraries für PCD- und JPEG-Bilder.

Eine große Schatztruhe an Jaguar-Sourcen ist der Jaguar_CD-Ordner. Hier ist der Inhalt von vier Partitionen einer 44MB Wechselplatte enthalten. Oft sind darunter verschiedene Versionen enthalten, etwa von der Jaguar-Verschlüsselung. Das Highlight ist doch sicher der Source der Virtual Light Machine von Jeff Minter.

Fazit

Die CD ist eine wahre Fundgrube und wer nicht gerade auf den ST spezialisiert ist, findet dort eine Menge Dokumente, technische Daten und Quelltexte. Die Nummer hinter dem CD-Namen lässt hoffen, das noch weitere Ausgaben erscheinen. Vielleicht ist auf einer Nachfolge-CD auch der Source zu XControl oder SpeedoGDOS.

http:/www.myatari.com


Mia Jaap
Aus: ST-Computer 10 / 2003, Seite

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