Neben dem von der Mutterfirma nicht lizenzierten Vertreter Pegasos von Genesi, über den wir in der st-computer 06-2003 berichteten, steht der Amiga-Gemeinde auch ein offizieller PowerPC-motorisierter Nachfolger des in die Tage gekommenen 68k-Classic-Systems ins Haus: Der AmigaOne soll zusammen mit der noch für dieses Jahr angekündigten PPC-nativen Betriebssystem-Version 4 des AmigaOS den wahren Next-Generation-Amiga darstellen.*
Nach einer wechselhaften Geschichte, die bis zum Jahr 1998 zurückführt und mehrere Konzeptänderungen aufweist, erfolgt seit Frühsommer 2003 die Auslieferung des AmigaOne XE mit einem austauschbaren G3750FX, der mit einer Taktrate von 800 MHz schlägt. G4-Modelle mit einer 7441-CPU mit gleicher Taktrate verzögern sich noch aufgrund von Lieferengpässen. Eine Bestellung der G3-Variante einschließlich G4-Upgrade-Option ist aber bereits möglich. De facto ist das AmigaOne-Mainboard ein Lizenzprodukt des taiwanesischen Herstellers Mai Logic mit mehreren Modifikationen.
Unser Testgerät bestand aus einem AmigaOneG3-XE mit 800 MHz in einem schwarzsilbernen Standard-ATX-Gehäuse, einer leistungsstarken Grafikkarte Radeon 9000 128 MB mit VGA-, DVI-1 und TV-Out-Ausgängen und einer Maximalauflösung von 2048 X 1536 Pixeln, einer Maxtor 40 GB Festplatte, 256 MB SD-RAM, einem Catweasel MK3/Flipper zum Einlesen von Amiga-Disketten und einem PlexWriter 40/12/40,
Im Gegensatz zu der MicroATX-Bauweise des Pegasos-Mainboards (23.6 x17.2CM) läuft das AmigaOne-Format unter der einfachen Bezeichnung"ATX" und fällt Mit 24.4 mal 30.5 Zentimetern eine Ecke größer aus, sodass dementsprechende (Standard-)Gehäuse als Heimat für den A1 notwendig sind. Anders als beim Konkurrenten wird der Prozessor im A1 nicht auf einer um 90 Grad verwinkelten Karte im CPU-Slot, sondern auf einer flachen CPU-Modulplatte im so genannten "MegArray-CPU-Sockel" untergebracht, an deren Unterseite noch ein Teil des Articia-S-Chips hervorragt. Da die CPU anders als ursprünglich geplant nicht fest verlötet wurde, ist ein einfacher Austausch inklusive Upgrade des Prozessors ohne Probleme zu bewerkstelligen.
Der im kleineren A1-Modell verbaute G3 von IBM kommt mit einer Taktfrequenz von 800 MHz daher und bietet jeweils 32 Kilobyte an 1-Cache und D-Cache, die den L1-Cache bilden, sowie mit 512 Kilobytes einen überdurchschnittlich großen L2-Cache. Alternativ wird in Kürze der G4 7451 von Motorola mit ebenfalls 800 MHz angeboten, eine Einbindung des neuen G5 ist bislang nicht vorgesehen.
Im System kommen außerdem zwei, insgesamt maximal 2 GB große SD-RAMBausteine des Typs "Registered Buffered 133", eine durch das Grafiktreibersystem SNAP von SciTech unterstützte AGP-Grafikkarte, vier PCI-Karten (3 x 33MHz, 1 x 66MHz), ATA-100-Datenträger, 10-/100Rj45-Ethernet, der AC97-Sound-Codec, USB-Geräte an vier Ports sowie die sonstigen Standard-Anschlüsse (parallel, seriell, IRDA, Gameport, zwei PS/2, Floppy) unter.
Das kommende AmigaOS 4 wird speziell auf die Spezifikationen des AmigaOne zugeschnitten und gegenüber der Classic-3.X-Version viele neue Funktionen bei gewohnter Bedienung enthalten. Konkrete Details zu Amigas erstem PowerPC-nativen Betriebssystem, das kompatibel zu den meisten vorhandenen Amiga-Applikationen und -Spielen sein wird, wurden zwar bekannt gegeben, konnten aber natürlich noch nicht in ihrer finalen Version getestet werden. Bis zum Erscheinen des OS4 kann auf dem AmigaOne eine GNU/Linux-Distribution sowie das bereits kompatible Debian Linux eingesetzt werden. Erfolgreich getestet wurde auch Mac OS 7.6 bis 10.2, das über die Emulations-Software "Macon-Linux" lauffähig ist.
Mit dem AmigaOne kann der Amiga endlich wieder Leistungs-Eckdaten in puncto Systemgeschwindigkeit und Hardware-Kompatibilität vorweisen, die in einem Atemzug mit den Namen Macintosh und Windows-PCs genannt werden dürfen, und mit der baldigen Veröffentlichung von AmigaOS 4 einen würdigen Classic-Nachfolger. Der Amiga steht erstmals nach Jahren am potenziellen Beginn eines realen zweiten Lebens. nb, kdc