Während die Zukunft der Marke Atari in den Händen von Infogrames liegt, kümmern sich Programmierer um die Klassiker per Emulation.
Bisher war die Atari-Emulationswelt auf dem Mac eine so klare Sache, das man meinen könnte, die Beteiligten hätten sich zum Sonntags-Brush getroffen, um das Fell des Bären (den Benutzer) schön unter sich aufzuteilen. Auf der einen Seite gibt es MagiCMac, das jedoch derart dicht am MacOS programmiert sein muss, das bei vielen Betriebssystem-Updates die Hälfte nicht mehr funktioniert. Das kostenlose NoSTalgia macht hingegen die Spiele-Fans glücklich. Beide Emulatoren waren füreinander kaum eine Konkurrenz, Alternativen gab es nicht.
Apples Betriebssystem Mac OS X brachte indirekt diese Aufteilung durcheinander. Die endgültige Version von MagiCMac X lässt noch auf sich warten. NoSTalgia läuft dagegen schon jetzt voll unter dem Unix-Betriebssystem. Hinzu kommen aber mittlerweile neue Emulatoren, die bisher hauptsächlich von Linux bekannt waren: Hatari und ARAnyM.
Hatari ist dabei nicht so neu, wie es scheint. Der Emulator basiert auf den Sourcen von WinSTon. Dies war einer der ersten Spiele-ST-Emulatoren für Windows und wurde, nachdem der Rechner des Programmierers gehackt wurde, als Freeware freigegeben und eingestellt. Kurz darauf ging aus dem Source STew hervor, der aber wohl auch nicht mehr weiterentwickelt wird.
Mit Hatari gibt es einen Emulator, der sich auf vielen Systemen tummelt. Dazu musste allerdings die CPU-Emulation des UAE benutzt werden. Das muss aber kein Nachteil sein, denn der Amiga-Emulator gilt als ausgereift. Für die Bildschirmausgabe wurde auf die SDL zugegriffen, deshalb ist Hatari relativ plattformunabhängig.
Die Installation ist zunächst sehr einfach: das Archiv wird in ein beliebiges Verzeichnis entpackt. Mit im Archiv ist auch EmuTOS, das Open-Source-TOS. Hier gibt es also auch für Apfel-Freunde die Gelegenheit, einmal den Desktop vom PC-GEM zu sehen. Wer nun aber sofort das Programm startet, wird unter Umständen enttäuscht sein Ð es fehlt noch die SDL-Library. Die befindet sich fertig zum Installieren unter libsdl.org. Danach kann es losgehen.
Übrigens läuft Hatari seit Version 0.4 sogar eingeschränkt unter MiNT/XaAES. Primär gedacht ist dieses Feature für ARAnyM. Nachdem die von Mitgliedern des ARAnyM angekündigten (und auch in der st-computer abgebildeten) Emulatoren immer noch nicht veröffentlicht wurden, ist Hatari somit für Benutzer der virtuellen Maschine fast die einzige Möglichkeit, zwischendurch ein Spiel zu spielen.
Nach dem Start wirkt die Menüleiste von Hatari etwas kümmerlich. Tatsächlich präsentiert sich bis auf den Info-Dialog und das Emulatorfenster selber, kein Dialog im Aqua-Look. Die Einstellungen werden im Emulatorfenster selber getätigt, es gibt sogar eine eigene Dateiauswahl. Wem das Aussehen der Einstellungen bekannt vorkommt, liegt richtig, denn es ist mit ARAnyM bzw. UAE identisch. Dadurch ist natürlich eine Portierung auf andere Systeme schneller möglich. Mit F12 wird der Dialog eingeblendet.
Auf den Hatari-Seiten liegt ein Harddisk-Image, das auf der Festplatte 80 MB einnimmt (komprimiert: 2 MB). Es ist nicht zum Betrieb von Hatari notwendig, erspart aber das Erstellen eines eigenen Images.
Als Disk-Images werden Dateien im .ST- oder .MSA-Format und gepackte Disk-Images im ZIP-Format unterstützt. Die Dateiauswahl erinnert etwas an den ST, obwohl Hatari die Dateien etwas merkwürdig sortiert, denn es wird nach Groß/Kleinschreibung unterschieden. Ebenso fehlt ein Dateifilter und es werden so alle Dateien angezeigt.
Hatari kann von der virtuellen Harddisk booten und auch ein Mac-Verzeichnis als Laufwerk nutzen. Hier sei allerdings schon gesagt, das diese Möglichkeit ziemlich eingeschränkt ist. Viele Programme finden ihre Daten nicht. Die HD-Emulation ist aber noch rudimentär, erleichtert aber das Kopieren von Daten auf Disk-Images.
Beim Speicher zeigt sich wieder, das Hatari für Spieler gedacht ist. RAM-Größen von 0,5 bis 4 MB werden unterstützt.
Hatari unterstützt einen Fullscreen-Modus, wahlweise mit 320x240, 640x480 und 800x600 Pixeln. Der Interlaced-Modus hat nichts mit dem Amiga zu tun und lässt einfach jede zweite Bildzeile aus Ð möglicherweise wird dadurch die Emulation schneller. Für ältere Macs kann ein Frameskip eingeschaltet werden, nur sind dann Animationen nicht mehr so sanft.
In dem Dialog findet auch die Umschaltung zwischen Farb- und Monochrommonitor statt.
Nicht nur für Redakteure praktisch sind die Capture-Funktionen. Hatari kann von laufenden Programmen Schnappschüsse oder gleich ein Video machen. Das Bildformat für die Schnappschüsse ist dabei aus Mac-Sicht etwas ungewöhnlich: BMP. Das kommt aber nur daher, weil das BMP-Format bei der SDL zur Grundausstattung gehört.
Wie bereits erwähnt ist das EmuTOS zwar sehr nett anzusehen, aber für Spiele und Demos nur bedingt geeignet. Folglich wird sich wohl jeder ein TOS-Image suchen, die Versionen 1.00, 1.02 und 1.04 sind am geeignetsten, zusätzlich werden 2.05 und 2.06 unterstützt.
Ungewöhnlich sind die erweiterten Auflösungen. Diese machen eigentlich nur für neuere, auflösungsunabhängige Programme Sinn. 640x480, 800x600 und 1024x768 stehen zur Auswahl, mit einer Farbtiefe von 1 (Monochrom) bis 4 Bit (16 Farben). Wünschenswert wäre noch ein frei definierbarer Wert, damit etwa Besitzer einen iMacs mit Display im 16:9-Format auch die volle Auflösung nutzen können.
Die Sound-Emulation von Hatari ist ausreichend, von der Perfektion aber noch etwas entfernt. Drei Abspielqualitäten kennt das Programm, was sich dann auch dementsprechend auf die Geschwindigkeit auswirkt.
Ähnlich wie im Bildschirm-Dialog kann Hatari den Sound aufzeichnen. Neben dem Wave-Format kann auch direkt eine YM-Datei geschrieben werden Ð klasse.
Hatari kennt die normalen zwei Joysticks. Deren Bewegungen können auch über die Tastatur emuliert werden. Dazu ist nur die Cursor-Emulation anzuschalten.
Im System-Menü bestätigt sich, das Hatari dank des UAE-Erbes ein teilweise etwas seltsamer Emulator ist. Neben einer 68000 kann auf Wunsch eine 68010 (haben sich einige Atari-Fans in den 80ern eingebaut), eine 68020, eine 68020 mit FPU und die 68040(!). Außerdem wird hier die Blitter-Emulation aktiviert.
Die Kompatibilität zu Spielen ist sehr gut. Teilweise gibt es ein paar Grafikfehler, aber sonst liefen alle Spiele, die Hatari vorgesetzt wurden. Etwas anders sieht es bei Demos aus. Hier kam es häufiger vor, dass der virtuelle ST abstürzte. Mit den beiden ST-Emulatoren STeem und SainT kann Hatari nicht mithalten.
Auf dem Testrechner (1 Ghz iMac) lief Hatari durchgehend mit voller Geschwindigkeit. Bei langsameren Rechnern ist mit Problemen zu rechnen, aber dafür gibt es schließlich Optionen wie etwa Frameskip.
Ein Problem hat Hatari mit dem Abbilden des Mauszeigers auf den Mac-Bildschirm. Die beiden Zeiger sind oft nicht deckungsgleich. Eine richtige Lösung scheint dafür noch nicht gefunden worden zu sein, aber es ist zumindest kein unüberwindbares Hindernis.
Hatari gibt es derzeit erst in der Version 0.30. Auch wenn man bedenkt, das Unix-Programmierer generell etwas (sehr) vorsichtig bei der Versionsnummernvergabe sind, gibt es noch einige Kleinigkeiten, die wir uns für ein Update wünschen.
Ganz vorne steht ein Abspeichern der Konfiguration. Dies wurde auch schon berücksichtigt, aber bis diese Änderung veröffentlicht wird, kann es noch etwas dauern. Ungeduldige Naturen kompilieren sich Hatari frisch aus dem CVS bei Sourceforge mit dem Projekt Builder von Apple.
Natürlich wäre eine Verbesserung der Maus sowie der Festplatten-Unterstützung wünschenswert.
Außerdem scheint Hatari (dank der UAE-Basis) fast für ernsthafte Anwendungen geeignet zu sein. Dazu wäre eigentlich nur eine Erweiterung der Auflösungen und Farbtiefen notwendig.
Weniger wichtig wäre eine Unterstützung für andere Bildformate als BMP. Dann wären die Schnappschüsse auch ohne Konvertierung für das Web verwendbar.
Die Skepsis war groß, denn WinSTon machte als Atari-Emulator nicht immer die beste Figur. Hatari gibt sich hier wenig Blöße und bietet eine ganze Reihe von Features. Mit den Emulatoren, die für den PC erhältlich sind, kann es jedoch nicht mithalten.
Das Programm wurde bisher für Mac OS X, Linux/i86, Linux/PPC, MiNT. BeOS/i86, Sparc-CPUs und NetBSD kompiliert.