ACE Tracker - professionelle Sounds für die Scene

Zur Präsentation des Software-Synthesizers ACE wurde auch eine Tracker-Variante angekündigt. doch irgendwie hat so niemand richtig an dieses Engagement für die Atari Scene gerechnet, Nun, wir sind eines besseren belehrt worden - wie schön!

Der Software-Synthesizer ACE hat in der Atari-Musikwelt soviel Aufsehen erregt wie kaum ein Produkt in den letzten Jahren, sogar das Fernsehen erwähnte in einem Bericht das multifunktionale Instrument auf dem Atari Falcon. Schnell bildete sich ein Kreis von Musikern, der die ersten Stücke mit ACE produzierte und einige neue Sounds zur Verfügung stellte.

Musik nicht mit Hilfe, sondern vielmehr direkt auf dem Atari ist für Scene-Musiker, also die so genannten „Sounder" hingegen längst ein alter Hut. Seit Erscheinen der ersten Soundchips programmieren sich diese Technokraten die Nächte um die Ohren, um auch noch das letzte bisschen Klang aus ihren SIDs, POKEYs, Paulas oder YMs herauszukitzeln. Der Atari Falcon 030 zeigte mit seinem Sound in Sound in CD-Qualität ganz neue Klangmöglichkeiten auf, und so erschienen bald nach seiner ersten Landung auch die ersten Tracker für den attraktiven Raubvogel.

Tracker?

Außerhalb der Scene sind Tracker nicht besonders häufig in der Anwendung. Sie bieten Kompositionsmöglichkeiten für Musiker, die analytisch an ihre Musik herangehen und/oder keine Fähigkeiten zum Beispiel eines MIDI-Keyboards haben. Notenwerte werden in der Tracker-Software Note für Note mittels ihrer entsprechenden Werte eingegeben, sodass der Kompositionsprozess also eher ein Programmieren von Melodien beschreibt. Die Noten in den einzelnen Spuren werden verschiedenen Instrumenten zugeordnet und mit Effekten versehen. Die Kombination dieser Tracks ergibt also das komplette Stück, das dann je nach Format auch von externen Playern abgespielt werden kann.

Innerhalb der letzten zehn Jahre erschienen verschiedene Tracker für den Atari Falcon. Die bisher komplettesten Ansätze stellen vielleicht das "Digital Home Studio" [i] sowie der "Graoumf Tracker" [2], besonders letzterer konnte sich zum Quasi-Standard auf dem Falcon entwickeln. Das Digital Home Studio und sein Vorgänger Digital Tracker bieten zwar ebenfalls hervorragende Leistungen, ihr kommerzieller Vertrieb hinderte aber eher die weitere Verbreitung.

ACE Tracker

Bereits vor knapp einem Jahr wurde der Software-Synthesizer ACE MIDI veröffentlicht. Damit hatten auch Atari-Anhänger endlich einen Software-Synthesizer zur Verfügung und konnten ihr MIDI-Setup um eine weitere Klangquelle kostengünstig ergänzen. Nun ist wie angekündigt auch die Trackerversion verfügbar, was wiederum besonders Scene-Musiker entzücken dürfte. Im Vergleich zu ACE MIDI wurde der multitimbrale MIDI-Teil entfernt, hinzu kamen die Tracker-Funktionen.

Genau wie der reine Software-Synthie setzt auch die Tracker-Variante einen Atari Falcon mit mindestens 4 MBytes ST-RAM voraus. Unterstützt werden RGB- und VGA-Monitore. In unserem Test wurden auch Beschleuniger unterstützt, so lief ACE Tracker problemlos auch mit Skunk bei 32 MHz. Mehr Leistung bedeutet immer auch mehr Stimmen, weshalb ein Beschleuniger für aufwändige Produktionen sehr zu empfehlen ist. Anwender berichteten uns zum Beispiel, dass auch die beliebte Centurbo II eingesetzt werden kann, bezüglich dem Afterburner haben wir noch keine Rückmeldung. Der ACE Tracker sollte unter Single-TOS gestartet werden, unter MagiC hatten wir keinen Erfolg. Außerdem konnten wir Performance-Vorteile erzielen, wenn Bildschirmerweiterungen wie der ScreenBlaster ausgeschaltet waren, allerdings machte auch der Einsatz des ScreenBlaster grundsätzlich keine Probleme, ACE schaltet automatisch in den nötigen Screenmodus (640 x 480). GEM-Aufrufe (also die Dateiauswahlbox) wird dann aber in dem eingestellten ScreenBlaster-Modus dargestellt.

Der ACE Tracker ist kompatibel zu ACE MIDI. Soundpatches können also mit beiden Programmen genutzt werden.

Eine Anleitung zum ACE Tracker liegt im PDF-Format vor. Das Handbuch ist wie schon von ACE MIDI gewohnt sehr ausführlich gelungen und bietet viele Abbildungen. Wer der englischen Sprache mächtig ist, findet hier tief gehende Informationen über Programmaufbau und -bedienung. Ärgerlich ist, dass nicht alle Grafiken mit dem PDF-Viewer Porthos auf dem Atari dargestellt werden können. Dies Problem dürfte allerdings bei Porthos liegen.

Der ACE Tracker wird entgegen ersten Plänen als Freeware angeboten. Bedenkt man den Leistungsumfang des Programms, ist dies fast unglaublich und ein echter Beitrag zur Erhaltung der Atari-Scene.

Grundsätzliches

Wer bereits ACE MIDI besitzt, wird sich auf der Oberfläche der Tracker-Version sofort zurechtfinden. Wieder einmal muss dem Team von new beat ein echtes Kompliment ausgesprochen werden: Die Benutzeroberfläche des ACE Tracker weiß auf den ersten Blick anzusprechen, ist aufgeräumt und schick gestaltet. Hier hat man es wirklich mit topmoderner Software zu tun, die der Atari-Welt einfach gut tut.

Grundsätzlich ist der Bildschirm in drei Teile aufgeteilt: Ganz oben werden Soundpatches und -gruppen ausgewählt bzw. geladen. In der Bildschirmmitte befindet sich das eigentliche Interface des Synthesizers, wobei die Bedienungselemente eines typischen analogen Synthesizers nachgebildet werden. Ganz unten werden die verschiedene Programm- und Editierfunktionen bestimmt.

Die Mannen von new beat haben auch nicht im Detail gepatzt: Da das Programm im Singletasking läuft und auch keinen Zugriff auf Accessories bietet, wurden ein eigener Bildschirmschoner sowie ein einfacher Mausbeschleuniger integriert.

Soundengine

Die Güte eines Trackers wird aber nicht durch sein Äußeres, sondern in erster Linie durch seine Klangmöglichkeiten bestimmt. Und genau hier liegen auch die eigentlichen Stärken von ACE. Der Tracker greift auf dieselbe Soundengine wie die Synthesizer-Variante zurück, weshalb mit dem ACE Tracker natürlich Stücke in CD-Qualität erzeugt werden können.

Auf einem Standard-Falcon (also 16 MHz, 4 MBytes RAM) sind immerhin bis zu 16 Stimmen gleichzeitig nutzbar, bis zu 256 Klänge können gleichzeitig im Speicher gehalten werden. Dies liest sich anhand von 32 Tracks mit 64 Stimmen zum Beispiel des Digital Home Studio nicht besonders spektakulär, erwartet der Anwender doch von einem neuen Programm zumeist noch mehr Leistung. Dabei sollte allerdings bedacht werden, dass die mögliche Leistung immer sehr stark von verschiedenen Faktoren abhängig ist. In erster Linie ist hier die tatsächliche Hardware-Leistung zu nennen. Ein Falcon, der mit einer Centurbo II oder gar einer Centurbo 060 ausgerüstet ist, wird naturgemäß auch mit dem ACE Tracker mehr Stimmen bearbeiten können als ein Standard-Falcon mit 16 MHz. Außerdem wird die Hardwareauslastung natürlich nochmals minimiert, wenn zum Beispiel 8-Bit-statt i6-Bit-Samples eingesetzt werden. ACE arbeitet jedoch aufgrund seines professionellen Synthesizer-Teils immer in 16 Bit mit mindestens 33 KHz. Es ist logisch, dass hier einiges an Leistung vorausgesetzt wird. Es ist den Ingenieuren von Atari zu verdanken, dass das leistungsfähige Soundsystem des Falcon samt DSP überhaupt zu Leistungen fähig ist, die mit heutiger PC- und Mac-Audio-Hardware durchaus konkurrieren kann.

Wie erwähnt, unterstützt der ACE Tracker Samplingraten ab 33 KHz. Wer seinen Falcon mit einem externen Clock ausgerüstet hat, kann auch die CD-typische Frequenz von 44.1 KHz direkt nutzen. Zusätzlich stehen Raten von 48 (DAT) und 50 KHz bereit, die Qualität des Raubvogels kann also voll ausgenutzt werden. Für die Ausgabe werden das Jam- und das FAD-Interface unterstützt. Außerdem wird SPDIF unterstützt.

Klangerzeugung

Zur Klangerzeugung können grundsätzlich zwei Quellen eingesetzt werden: Samples und Waves, also synthetisch erzeugte Klänge. Der Sample-Modus verarbeitet Aufnahmen in bis zu 16 Bit Tiefe, wobei jedes Sample theoretisch bis zu 20 MBytes umfassen kann - genügend Speicher vorausgesetzt. Verarbeitet werden die Audioformate WAV und AVR. Startpunkt und möglicher Loop können über die Benutzeroberfläche festgelegt werden.

Weitaus mehr Möglichkeiten bietet natürlich der Synth-Modus. Bis zu zwei Oszillatoren pro Stimme können hier eingesetzt werden. Zur Kombination der Oszillatoren stellt ACE drei verschiedene Modi bereit: Normal. Mischen (XOR) und Ringmanipulation (Multiplikation). VCA- und VCF-Filter bieten eine ADSR-Envelope-Funktion. Der Low Frequency Oszillator arbeitet mit sechs Wellenformen, aus denen der Anwender auswählen kann. Durch die intuitive Oberfläche wird so das einfach und schnelle Probieren kinderleicht gemacht. Schon mit wenigen Veränderungen ist somit zumeist sehr schnell ein neuer Klang "zusammengezimmert" - schnelle Ergebnisse garantieren eine hohe Motivation. Gerade in diesem Punkt versagen ja fast alle Hardware-Synthesizer, weshalb in den Charts zumeist immer dieselben (Werk-)sounds zu hören sind.

Glanzstück der Klangmanipulations-Möglichkeiten ist jedoch der Step-Modulator. Mittels eines mit der Maus zu bedienenden Displays können individuelle Kurven für Frequenz, Filterverläufe und Lautstärke "gezeichnet" werden. Damit der Anwender nicht gänzlich auf sich gestellt ist, werden 20 der verbreitetsten Kurven gleich mitgeliefert. Ein Zusätzlicher Geschwindigkeits-Knopf bestimmt, wie schnell eine Kurve abgearbeitet wird. Effektiver und komfortabler konnte selten innerhalb eines Klangs gearbeitet werden. Zumeist kann sogar der Blick ins Handbuch vermieden werden.

Vorbildlich ist auch die Einstellung der Anschlagdynamik. Für Lautstärke- und Filterreaktionen lassen sich separate Einstellungen vornehmen. Somit lassen sich sowohl realistische Naturklänge wie auch abgefahrene Synthiespuren über eine Tastatur optimal beherrschen. In diesem Zusammenhang: Ja, Daten können auch über ein angeschlossenes MIDI-Keyboard eingegeben werden, was ein weitaus lebendigeres Spiel ermöglichen sollte als die sture Eingabe von Daten innerhalb des Trackers. MIDI-Out wird allerdings nicht unterstützt.

Die Soundengine von ACE kann jedoch auch zur Pre-Produktion eingesetzt werden: In der Output-Sektion werden unter anderem ein digitales Delay, eine Reverb-Funktion sowie ein Stereo-Panning (Ping-Pong-Effekt) geboten. Die Qualität der Effekte kann durchaus befriedigen und wird von einigen Musikern auch eingesetzt. Ein externes Effektgerät kann und soll sicher nicht ersetzt werden, vielmehr sollte man die internen Effekte als weitere Möglichkeiten der Klangmanipulation betrachten.

Wie schon bei ACE MIDI lässt jedoch auch der Tracker einen Vocoder vermissen. Dieser Effekt ist in der heutigen Musik recht beliebt (man denke nur an die aktuellen Machwerke von Madonna). Der Atari Falcon bietet mit seinem Soundeingang immerhin hervorragende Hardwarevoraussetzungen für die Verfremdung von Stimmen, der DSP kann sogar für Echtzeit-Effekte dienen. Sind die Ergebnisse dann noch als weiter verwendbare Samples abspeicherbar, wäre das Glück vollkommen. Sowieso ist etwas schade, dass ACE bisher keine eigenen Samples aufnehmen kann, was das Anwendungsspektrum nochmals vervielfachen würde.

Tracker

Das Kompositions-Herzstück ist der Tracker selbst. Das Team von new beat musste sich für eine optische Variante entscheiden, die möglichst benutzerfreundlich ist und trotzdem ins Gesamtbild des Programms passt - immerhin hat es durch die professionelle und grafisch aufwändig realisierte Klangerzeugung einige Elemente mehr auf dem Bildschirm unterzubringen. Insofern steht dem eigentlichen Tracker wie bereits erwähnt nur mehr das untere Drittel des Screens bereit, währende andere Programm wie der Graoumf Tracker fast den gesamten Falcon-Schirm nutzen. Damit die sichtbaren Daten nicht zu kleine werden, hat sich new beat dazu entschieden, nur einen Track zur Zeit darzustellen. Der Anwender ist also gezwungen, zwischen den einzelnen Tracks umzuschalten. Dies ist in den Augen einiger Sounder sicher ein kleiner Rückschritt, die Einschränkung wird jedoch auf jeden Fall mit einem gewaltigen Klangvolumen belohnt. Es ist eben zu merken, dass sich der ACE Tracker aus einem Synthesizer entwickelt hat und nicht umgekehrt.

Die Arbeit selbst geschieht innerhalb von zwei integrierten "Fenstern": Eines stellt den eigentlich Track oder das Pattern dar, ein erlaubt eine Übersicht über alle Patterns und erlaubt das schnelle Umschalten. Insofern ist die Oberfläche gemessen an den Möglichkeiten recht gut gelungen. Der ACE Tracker kann intern mit insgesamt 256 Pattern arbeiten, wobei jedes Pattern bis zu 256 Positionen enthalten kann. Das Pattern-Format ist dabei völlig flexibel und reicht von einem Track mit einer Linie bis hin zu 16 Tracks mit insgesamt 64 Linien - genug Raum zum Austoben also.

Ein einzelnes Pattern ist etwas umfangreicher als von anderen Trackern gewohnt, immerhin hat ACE ja auch einiges mehr zu bieten. Insgesamt stehen vier Linien bereit, diese neben Werte für Noten, Klang, Effekt sowie Lautstärke oder Filter auf. Überflüssig zu sagen, dass natürlich jeder Sample- und Synthesizer-Klang mit dem Tracker genutzt werden kann.

Ergänzt werden die Funktionen durch Blockfunktionen zum Kopieren und Einfügen.

Fazit

Mit dem ACE Tracker dürfte auf dem Atari Falcon zumindest klanglich das beste und flexibelste Tracker-Programm bereitstehen, das jemals auf einer Computerplattform entwickelt wurde. Mir ist zumindest kein Programm auf den Tracker-„Hochburgen“ PC und Amiga bekannt, das auch nur annähernd mit der mächtigen Klangerzeugung des ACE Tracker mithalten kann. Der Falcon ist also auch in der Scene endlich dort gelandet, wo er seit Jahren hingehört: auf der Pole Position nämlich.

Abstriche müssen höchstens bei der Bedienung gemacht werden, hier sind andere Tracker noch etwas flexibler und vor allem übersichtlicher. Trotzdem ist das Gesamtbild stimmig und gelungen.

Fans der ACE-Produktfamilie können nun hoffen, dass sich Thomas Bergström und sein Team nun an die Weiterentwicklung der Soundengine machen. Vielleicht erwarten uns hier ja schon bald Vocoder, Sampler und mehr Ausgangseffekte. Schon jetzt sind ACE MIDI [3] und der ACE Tracker konkurrenzlos und werden es zumindest auf dem Falcon wohl bleiben...

STC

[1] http://www.softjee.com/
[2] http://www.dhs.nu/
[3] st-computer 06-2002, Seite 43: Testbericht ACE MIDI 1.03

Preis: Freeware

Verschiedene Soundsets stehen auf der Webseite der Entwickler bereit, darunter Synthie- und Samplesounds sowie Drumsounds vom TR-909 etc.

new beat, http://nb.atari.org/


Thomas Raukamp
Aus: ST-Computer 05 / 2003, Seite 48

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