Editorial: Marktriesen als Serviceriesen

Computer- und Softwareanbieter entwickeln sich immer vielfältiger vom reinen Produzenten weg hin zum Serviceanbieter. Microsoft hat bekanntlich bereits in zahllosen Dienstleistungsunternehmen seine Händchen drin, und auch Apple entwickelt sich mehr und mehr in diese Richtung. nachdem im letzten Jahr der Online-Service ".mac" in einen Bezahldienst gewandelt wurde, pfeifen nun die Spatzen vom Dach, dass in kürze ein eigener Musik-Downloadservice an den markt gehen soll. Grundlage dieses Schachzugs wird wohl die musik-Software iTunes sein, die bisher auf anderen Plattformen wohl unerreicht ist und schon jetzt als dreh- und Angelpunkt zum abspielen und rippen von CDs dient. In Zukunft wird der Anwender hier wohl nur noch einen Musiktitel eingeben müssen, und für ein paar lumpige Dollar im Monat lädt iTunes den Song direkt aus dem Internet - die Zukunft des legalen Musikkonsums wird scheinbar bald beginnen.

Microsoft setzt hingegen (noch) auf bekannte Dienstleistungen: Im März kündigte der Branchenriese an, eine eigene Searchengine online zu stellen, die noch schneller und genauer als der bisherige Branchenprimus Google arbeiten soll. Microsoft sagt aber nicht A, ohne ein B im Hinterkopf zu haben. Vielmehr steht zu erwarten, dass der neue Service integral in zukünftigen Windows-Versionen verankert sein wird, um hier zu dienen. Ist eine Software erst einmal fest installiert, ändern nur die wenigsten Anwender diese Voreinstellung - und für den Rest wird Microsoft schon dafür sorgen, dass nicht alternativ für alle Funktionen Google oder Yahoo! genutzt werden können. Das Internet wird also weiter monopolisiert.

Die Entwicklung hin zum Dienstleistungsunternehmen ist sicher eine Frucht aus der anhaltenden Krise in der IT-Branche. Schon lange reicht es nicht mehr, einfach nur Computer oder Software anzubieten, um eine wichtige Geige zu.spielen. Daher verwundert es nicht, wenn viele Firmen ihr Knowhow nutzen, um sich weitere Einnahmequellen zu verschaffen. Wenn die Unternehmen dabei geschickt vorgehen, schließt sich ein Kreis: Wer den neuen Musikservice von Apple nutzen will, braucht eben einen Mac. Und wer Windows nutzt, wird eben in Zukunft nicht gänzlich um die Nutzung der Microsoft-Searchengine herum kommen, womit wieder einmal Prestige und Werbeeinnahmen gesichert sind.

Im Spielemarkt gibt es solche Service-Monopole noch nicht, obwohl Sony und (einmal mehr) Microsoft mit Hochdruck daran arbeiten, diese mit ihren Konsolen zu etablieren. Ein Spielemulti ist auch Infogrames, das französische Unternehmen, das derzeit alle Atari-Rechte hält. Derzeit macht das Label durch zumeist qualitativ hochwertige Playstation- und PC-Spiele auf sich aufmerksam - trotzdem ist Atari hier nur ein Name unter vielen, wenn vielleicht auch jedoch immer noch der Prägnanteste. Noch mehr Aufmerksamkeit könnte Infogrames für Atari erreichen, wenn die Marke für ein Games-Portal benutzt würde, das seinesgleichen sucht und am besten alle wichtigen Systeme einschließt - das Potenzial dazu besitzen die Franzosen allemal.

APROPOS POTENZIAL

Dass der name "Atari" immer noch tausende Käufer anzieht, beweist sich dieser tage einmal wieder: die Retro-Joystick-Konsole "Atari Game Stick", die zehn klassische Atari-Spiele in dem Gehäuse eines typischen VCS-Joysticks unterbringt, ist ohne Zweifel ein riesiger Erfolg in Deutschland. die exklusiv über Karstadt und Amazon erhältliche Konsole lag bei amazon.de im März auf Verkaufsrang 3 (!), Tendenz steigend. Damit ist der name Atari in Deutschland wieder einmal in aller munde.

Der Atari TV Game Stick wird von dem amerikanischen Unternehmen Jakks Pacific hergestellt und von dem Spielepublisher THQ nach Deutschland importiert. Der Preis für die Konsole beträgt 29.99. Kein Atari-Fan sollte sich dieses Angebot entgehen lassen.

COLDFlRE

Der Coldfire-Prozessor scheint Atari-Entwickler weitaus mehr zu faszinieren als die PowerPC-Linie, auf die Apple und auch Amiga setzt. nachdem das "Atari Coldfire Project" erst mit einem Evaluation-Board werkelt, um Erfahrungen zu sammeln, hat Dirk Strangfeld scheinbar gleich ernst gemacht. aus Neugierde über die Möglichkeiten des Coldfire-Prozessors hat er bereits erste erfolge in der Entwicklung einer Coldfire-Beschleunigerkarte für den Atari Falcon zu vermelden. melden genügend Anwender Interesse an, so soll eine Kleinserie entstehen. wahrlich eine interessante Tür, die sich hier auftut. es bleibt zu hoffen, dass Hand in Hand mit dem Atari Coldfire-Team gearbeitet wird, um eine gemeinsame Basis zu schaffen, von der classic-fans und nach komplett neuer hardware hungernde Atari-Anwender gleichermaßen profitieren.

Endlich ausgeliefert wird im Frühsommer wohl auch die lang erwartete Beschleunigerkarte Centurbo 060. Erste Benchmarks lassen aufhorchen, noch nie war ein TOS-Rechner so schnell. Erscheint nun auch noch die Grafikerweiterung "SuperVidel", so haben Falcon-Puristen den vielleicht stärksten 68k-Rechner aller Zeiten auf ihrem Schreibtisch. Krönte der Atari Mega STE die 68000-Computer, so könnte der Falcon so zum Höhepunkt aller 68k-Maschinen werden. Genugtuung ist eben auch ein gutes Gefühl...


Thomas Raukamp
Aus: ST-Computer 04 / 2003, Seite 5

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