POKEY-Sound: Grayscale im Interview

Chipmusic wird nicht nur auf "großen" Systemen wie dem ST, Falcon oder Amiga produziert. Gerade der 8-Bit-Sound ist in der elektronischen Musik derzeit sehr gefragt. Anfang 2003 formierte sich in Polen mit dem Grayscale Project ein Duo, das komplett auf dem Atari XE produziert. Thomas Raukamp traf sich mit den beiden Künstlern zu einem Gespräch über Bits und Bytes.

Vielen Dank für die Möglichkeit, Euch ein paar Fragen zu stellen. Würdet Ihr euch bitte unseren Lesern erst einmal vorstellen?

Greg: Grzegorz Kwiatek, 24 Jahre. Ich lebe in Warschau in Polen. Ich bin frisch verheiratet, genauer gesagt seit dem Sommer 2002. In der Scene habe ich die Nickname Greg/Bit Busters.

X-ray: Lukasz Sychowicz, 26 Jahre alt. Ich bin in der Scene als X-ray/Slight bekannt und lebe ebenfalls in Polen.

Auf eurer Webseite drückt Ihr eine «gemeinsame Liebe zu Atari-Computern» aus. Woher kommt diese Liebe? Wie habt Ihr den Atari entdeckt?

X-ray: Das war gar nicht so eine besondere Entdeckung, wie Du sagst. Als Jugendlicher kam ich bei einem meiner Freunde mit einem Atari in Kontakt, das muss so um 1992 gewesen sein. Atari war hier in Polen damals sehr populär, genauso wie Commodore und sein C64. Es war also eine Art "Unfall", dass ich einen Atari kaufte.

Greg: Ich habe meinen Atari 65XE unter dem Weihnachtsbaum gefunden, das war 1987. Ich vermute, dass dies auch eine Art Unfall war. Ich erinnere mich, dass der Atari damals noch 1 30 US-Dollar kostete, und das war ein sehr teures Geschenk von meinen Eltern. Der Rest ist wohl Nostalgie - der Atari war einfach Teil unserer Kindheit, ein Teil unserer Geschichte sozusagen.

Wann habt Ihr angefangen, auf dem Atari Musik zu machen?

Greg: Auf dem Atari? Ich denke, dass ich so Ende 1993 damit begonnen habe, nachdem ich den Chaos Music Composer gekauft hatte. Das ist ein professioneller Tracker, um Musik auf den "kleinen" Ataris zu machen. Meine ersten produzieren Module waren allerdings grauenvoll, und Du wärst sicher sehr irritiert, wenn Du sie Dir anhören würdest.

Wie auch immer: Ich schloss mich dann 1994 der Scene-Gruppe Taquart an, von da an wurde meine Musik immer professioneller.

X-ray: Ich bin den nahezu gleichen Weg gegangen. Ich begann mit Musik im Jahre 1992, und benutzte auch den Chaos Music Composer. Dann kamen auch für mich die Scene-Zeiten...

Greg: ...und er trat der Scene-Gruppe Slight bei.

X-ray: Genau. Die Musik und die polnische Atari-Scene sind "schuld" daran, dass wir uns überhaupt begegnet sind. Das war so 1995 auf der QuaST-Party in Orneta, die Dir als ST-Fan vielleicht besser als uns bekannt ist, da es sich um eine ST-Copy-Party handelte. Ich präsentierte hier meine Songs auf einer Music-Competition, genauso wie Greg.

Entstand damals schon das Grayscale-Projekt?

X-ray: Offiziell entstand das Grayscale Project im Januar 2003. Inoffiziell begann die Zusammenarbeit mit einem ersten gemeinsamen Modul. Eine gute Zusammenarbeit wurde aber erst möglich, als Greg aus dem Süden von Polen nach Warschau zog.

Chipmusik ist zurzeit ja sehr angesagt, aber viele Musiker bevorzugen den C64, der den legendären SID-Soundchip besitzt. Was ist das Besondere am POKEY-Sound?

Greg: Zuerst einmal: Für was steht der SID-Chip denn? Für einen milderen und weicheren Sound? Ich glaube, es ist ziemlich egal, welche Plattform - ob nun Atari oder C64 - man auswählt. Das Wichtigste ist, dass Du es schaffst, Interesse beim Zuhörer zu erzeugen. Er muss die Musik, die Du machst, fühlen - Deinen Ausdruck und Deine Gefühle...

X-ray: Greg hat recht. Für kümmern uns nicht um irgendeine Ideologie, wie immer diese auch aussieht. Wir machen einfach nur Musik mit dem Atari. Es könnte auch ein C64 sein, aber durch unsere Kindheit bevorzugen wir nun einmal den Atari, das ist alles. Ob SID oder POKEY, das ist uns egal...

Greg: Technisch gesehen klingt der Atari mit seinem POKEY rauer und härter, aber auch ein bisschen klarer als der C64. Der SID hat fantastische Filter und einen tollen Bass, aber wir beneiden die C64-Musiker nicht darum...

X-ray: Die Liste der Vergleiche könnte na klar noch viel länger sein, aber wie wir schon erwähnt haben, kommt es nicht darauf an, welchen Computer man benutzt. Es kommt darauf an, wie man diesen Computer benutzt.

Wie sieht Euer Setup derzeit aus?

Greg: Ich benutze einen Atari 65XE mit 256 KBytes, einer Stereo-Erweiterung und einer MIDI-Out-Schnittstelle. Darüber hinaus einen PC mit einem Athlon 1800+ und einem schlechten AC97-Soundchip. Zum Glück muss ich keine Musik auf dem PC machen.

X-ray: Ich benutze ebenfalls einen Atari 65XE mit QMEG mit einem Stereo-Upgrade und einen PC. Das wichtigste Teil ist aber das SIO2PC-Kabel, mit dem wir unsere Ataris mit dem PC verbinden.

Welche Software setzt Ihr heutzutage zum Produzieren Eurer Musik ein?

X-ray: Zurzeit benutzen wir den Theta Music Composer von jaskier/Taguart, einen der bekanntesten Tracker für den Atari. Das Programm hat einen entscheidenden Vorteil: Es macht das meiste aus unseren Stereo-Upgrades.

Greg: X-ray vergaß zu erwähnen, dass er auch den Impulse Tracker benutzt.

Benutzt Ihr spezielle Software zum Programmieren von Sounds?

Greg: Nein, nichts Spezielles...

X-ray: Na ja, wir benutzen SapMaker, um SAP-Dateien zu erzeugen. SAP-Dateien machen es möglich, XL-/XE-Tunes auch auf dem PC, Mac und ST zu hören.

Ich bin sehr beeindruckt von der hohen Qualität Eurer Produktionen. Ich wusste - ehrlich gesagt - gar nicht, dass eine dermaßen hohe Qualität auf dem "kleine" Atari überhaupt möglich ist. Wieviele Ataris setzt Ihr bei Euren Produktionen eigentlich parallel ein? Wieviele 8-Bitter sind zum Beispiel auf dem Stück "Euglena Zielona" zu hören?

Greg: So eine hohe Qualität ist und war immer möglich! Du hast einfach noch nicht genug unserer Module gehört...

Zu Deiner Frage: In dem Stück "Euglena Zielona" ist nur ein einziger Atari zu hören - ob Du das nun glaubst, oder nicht. Natürlich hat dieser das erwähnte Stereo-Upgrade. Du kannst also acht, statt der üblichen vier Kanäle, hören. Ein Stereo-Upgrade ist eine sehr verbreitete und auch einfache Verbesserung des XE.

Mit welchen Equipment nehmt Ihr Eure Musik auf?

X-ray: Vielleicht ist dies nicht eine besonders direkte Beantwortung Deiner Frage, aber hier ist der Weg, um aus einem Atari-Modul ein MP3-File zu machen: Zuerst verbindet man den Atari via SIO2PC mit einem PC. Der PC dient als Fileserverfür den XE, Du kannst also das Modul direkt an den PC übertragen. Hier verwandeln wir das TMC-Modul in eine SAP-Datei. SAP kannst Du als plattformübergreifendes Musikformat betrachten, es gibt unter anderem Player für Windows, Linux, STE und Amiga. Mit dem SAP-Plugin für WinAMP konvertieren wir das SAP-File dann in eine WAV-Datei. Zum Schluss konvertiert CDEX das WAV in eine MP3-Datei.

Was für Software vermisst Ihr auf dem XE zur Musikproduktion am meisten? Was steht auf Eurer Wunschliste?

X-ray: Ich bin mir sicher, dass unsere Wunschliste leer wäre - wir haben alles, was wir brauchen. Ich nehme an, dass unsere Produktionen und die der anderen derzeitigen Atari-Musiker so etwas wie eine Obergrenze für den XL/XE darstellen.

Greg: Natürlich könnte man theoretisch immer noch weitere POKEY-Chips in das System einfügen, um die Anzahl der Kanäle zu erhöhen. Das macht aber nicht viel Sinn. »

Benutzt Ihr nur den Atari oder auch noch andere Computer für die Erzeugung von Chipmusik?

X-ray: Ich benutze auch noch den PC mit Impulse Tracker.

Greg: Zwischen 1997 und 2000 habe ich Musik gemacht, indem ich meinen XE mit einem Casio-Keyboard via MIDI verbunden hatte. Alle meine Kompositionen, die in dieser Zeit entstanden sind, findest Du auf meiner Webseite.

Warum ist Chipmusic Eurer Meinung nach derzeit so populär? Einige Künstler sind sogar im deutschen Musikfernsehen aufgetreten...

X-ray: Hm, ich weiß nicht, ob Chipmusic so populär ist. Es ist einfach eine ganz andere Art der Musik, aber eine sehr spezielle. Du musst schon sehr flexibel, wenn nicht sogar sehr schlau sein. Du musst Dein Gehirn benutzen, um einen wirklich guten Chiptune zu erschaffen.

Greg: Ich denke, dass die derzeitige Popularität auch viel mit dem 80er-Revival zu tun hat, vielleicht ist dies auch nur eine Form von Mode...

Wenn über Musik auf dem Atari gesprochen wird, denken die meisten Anwender zumeist an den ST oder gar den Falcon. Habt Ihr mit diesen Maschinen schon gearbeitet?

Greg: Nein, habe ich nicht. Natürlich reizt die Möglichkeit, von einer Plattform auf die andere zu wechseln. Wir sollten uns aber immer fragen, was wir dadurch gewinnen.

X-ray: Greg sagt immer, dass es eine Menge professioneller Musiker in jeder Scene gibt - aber es gibt nur wenige in der XL-/XE-Scene. Unsere Musik - und ich meine alle Atari-Musiker - hilft, dass der Atari in der Welt der Chiptunes nach wie vor wahrgenommen wird. Wie gesagt, habe ich aber auch schon einige Module auf dem PC programmiert...

Produziert Ihr auch Musik für Demos?

X-ray: Greg hat schon Soundtracks für drei Produktionen geliefert, darunter "Back to Life" und "Ultra", die beide von der Taquart-Gruppe kommen. Ultra wurde 1997 auf der Scene-Party "Intel Outside 4 CP" veröffentlicht. Außerdem hat er an der Demo "Cogito" mitgearbeitet.

Greg: X-ray hat die Musik für die "Overmind"-Demo von Slight geschrieben. Auch bei "Numen", einer brandneuen Demo von Taquart aus dem Jahr 2002, hat er mitgearbeitet. Außerdem gibt es von ihm eine Menge Musik für Intros und kleinere Produktionen.

X-ray: ...genau wie Greg.

Was für besondere Anforderungen stellt die Demo-Produktion an Euch als Musiker?

Greg: Das hängt in erster Linie vom Coder ab. Für gewöhnlich gibt es aber keine besonderen Voraussetzungen für Demo-Musik. Die Coder sind natürlich glücklich, wenn Musicplayer benutzt werden, die so wenig Prozessorzeit wie möglich benötigt. Das ist aber nur eine lockere Vorgabe, kein Befehl. Zum Beispiel benutzt die Demo Ultra den Theta-Player, und der benutzt am meisten Prozessorzeit.

Sehr Ihr Euch eigentlich mehr als Musiker oder als Programmierer?

X-ray, Greg: Als Musiker natürlich!

Plant Ihr in Zukunft auch Live-Auftritte?

X-ray (lacht): Nein, ganz bestimmt nicht! Wer will sich schon so komische Musik anhören?

Greg: Es ist wirklich schwer vorstellbar, Live-Auftritte mit dem Atari zu machen.

Was für Musik hört Ihr euch eigentlich privat an?

X-ray: Ich interessiere mich für ein sehr breites Musikspektrum: Pop, ¦azz, Rock, Funk und Klassik. Ich mag einfach Musik, ich bevorzuge nicht bestimmte Künstler oder Musikstile. Ich bin Musiker und interessiere mich für die gesamte Musikwelt.

Greg: Man sagt, dass Musik von Stimmungen abhängig ist, und das ist eine richtige Aussage. Ich versuche, mich daran zu halten.

http://grayscale.scene.pl/


Thomas Raukamp
Aus: ST-Computer 02 / 2003, Seite 22

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