Messstation Falcon 030: Hertz~Ware

Hertz-Ware kann Signale aufzeichnen, abspielen und speichern. Bei Bedarf lässt sich auch eine FFT darauf anwenden.

Signal gesucht!

Bereits seit geraumer Zeit bietet woller Systeme das Programm Hertz-Ware an, doch niemand scheint bis jetzt so recht Notiz davon genommen zu haben. Höchste Zeit also, Hertz-Ware einmal genau zu durchleuchten.

Wenn man an den Atari Falcon denkt, dann kommen meist Harddisc-Recording- und Grafikprogramme in die Gedanken. Dass der Raubvogel dank seines DSPs aber zu noch mehr in der Lage ist, beweist einmal mehr ein Programm aus dem Hause woller Systeme.

Daher kommt Hertz-Ware auf einer HD-Diskette mit einer 60-seitigen gedruckten Anleitung. Diese ist recht ausführlich gehalten und sorgt schnell für erste Schritte im Programm, da für Beispielanwendungen genau geschildert ist, was zu tun ist. Allerdings fehlen hier die Darstellungen, die in dem ebenfalls beiliegenden ansonsten identischen Hypertext durchaus vorhanden sind.

Systemvoraussetzungen

Zum Betrieb von Hertz-Ware wird ein Atari Falcon ohne besondere Ausstattung benötigt. Eine nachgerüstete FPU ist allerdings zu empfehlen, da hierfür eine angepasste Version verfügbar ist. Richtig Spaß kommt mit dem Programm wohl aber erst auf, wenn ein beschleunigter Falcon (am besten mit Fast-RAM) auf dem Schreibtisch steht. Hertz-Ware macht Echtzeitausgaben auf den Bildschirm, die dadurch merklich beschleunigt werden. Ebenso wird Gebrauch von den Off-Screen Bitmaps des NVDI gemacht. Wer allerdings kein NVDI benutzt, kann auch den beiliegenden VDI-Enhancer benutzen, der die benötigten Funktionen zur Verfügung stellt. Eine Auflösungserweiterung ist ebenfalls sinnvoll, da schnell viele Fenster geöffnet sind und es schon einmal vorkommt, dass ein Fenster breiter als die 640 Pixel ist. Interessanterweise sind bereits alle Vorkehrungen getroffen, um mit dem Milan zusammenzuarbeiten. Hertz-Ware scheint sich also sauber der DSP-XBIOS-Routinen zu bedienen. Da die dafür einst angekündigte DSP-Karte Deesse jedoch immer noch nicht zu haben ist, konnte dies bisher noch nicht getestet werden.

Der erste Start

Zunächst einmal fällt auf, dass das Programm gleich den ganzen Bildschirm in Form eines Desktops in Besitz nimmt. Multitasking-Benutzer wird es daher sicher freuen zu hören, dass dieser Desktop bzw. das ganze Programm auch in einem Fenster dargestellt werden können. Bedauerlicherweise eignet sich Hertz-Ware unserem Test unter Single-TOS jeglichen Speicher-von ein paar 100 KBytes einmal abgesehen - an. Scheinbar verweigert genau deswegen so manche Funktion im Programm ihren Dienst. Die Ursache liegt wohl in einer kleinen Unverträglichkeit mit NVDI 5. Ohne dieses bleiben ca. 13 MBytes Speicher frei. Diese Inkompatibilität macht sich auch beim Drucken bemerkbar, da Hertz-Ware schlicht meint, dass kein GDOS installiert sei. Mit den NVDI-Versionen 3 und 4 sollten hingegen keine Probleme auftreten.

Die Echtzeit-FFT ermöglicht das Ausmessen der Lautstärke einzelner Frequenzen. Dabei kann im Optionen-Menü zwischen sechs Fenster-Funktionen gewählt werden.

Ansonsten ist die Gestaltung im Großen und Ganzen recht modern. Dialoge sind meist mit Popup-Menüs ausgestattet und erscheinen daher nicht überladen. Als großer Pluspunkt ist die Online-Hilfe mittels ST-Guide anzusehen. Schnell und unkompliziert erhält der Benutzer so Informationen zum aktuellen Fenster. Die Ressource-Datei hingegen scheint nicht ganz in Ordnung zu sein, was leicht festzustellen ist, wenn mit der Maus im Menü gearbeitet wird. Da diese sich in der Programm-Datei befindet, kann auch nicht „mal eben schnell" Hand angelegt werden. Alle Dialoge sind dafür in nonmodalen Fenstern untergebracht, von denen allerdings zwei in tristem Schwarzweiß daher kommen.

# Grundlagen

FFT (Fast Fourier Transformation)

Seit dem französischen Physiker Fourier (1768-1830) ist bekannt, dass sich beinahe jedes periodische Signal durch eine Überlagerung von Sinus- und Cosinusfunktionen mit unterschiedlicher Frequenz und Amplitude annähern lässt. Mit Hilfe der Fourier Transformation ist es möglich, einem Signal bzw. einem Ausschnitt davon die Amplituden der einzelnen Frequenzen zu entlocken. Das Ergebnis wird meist in einem Amplituden-Frequenzgang dargestellt. Bei der schnellen FT (FFT) handelt es sich um einen besonders schnellen Algorithmus, der es auch bei relativ geringer Rechenleistung erlaubt, den Amplituden-Frequenzgang eines Signals in Echtzeit zu errechnen und darzustellen.

Dirac-Impuls

Den Dirac-Impuls (auch als Delta-Distribution d(t) bekannt) kann man sich als einen Rechteck-Impuls vorstellen, der bei verschwindend kurzer Dauer dennoch den Flächeninhalt 1 hat. Die Amplitude geht daher gegen einen unendlich hohen Wert. Wendet man die Fourier-Transformation auf den Dirac-Impuls an, so erhält man als Ergebnis eine 1 und zwar für alle Frequenzen. Das heißt also, dass alle Frequenzen im Dirac-Impuls vorhanden sind und die gleiche Amplitude haben.

Impulsantwort

Die Antwort eines linearen zeitinvarianten Systems (die Eigenschaften ändern sich mit der Zeit nicht) auf den Dirac-Impuls heißt Impulsantwort.

Da der Dirac-Impuls alle Frequenzen beinhaltet, wird somit das System vollständig charakterisiert.

Bei Anwendung der Fourier-Transformation aut die Impulsantwort zeigt sich, welche Frequenzen das System bevorzugt passieren lässt und welche es filtert. Mittels der Impulsantwort lassen sich auch für nahezu beliebige Erregungen des Systems die Systemantwort auf diese Erregung errechnen (Stichwort Faltungsintegral).

Mehr Informationen über Fourier-Transformation, Dirac-Impuls und die Impulsantwort finden sich unter [1].

MLS (Maximum Length Sequence)

Bei diesem Verfahren geht es ebenfalls darum, die Impulsantwort eines Systems zu ermitteln. In der realen Welt gibt es keinen Dirac-Impuls, weswegen man sich hierbei anderer Methoden bedient werden sollte bzw. muss. Kurze Spannungspulse sind zwar denkbar, haben aber viel zu wenig Energie, als dass mit der daraus resultierenden Impulsantwort etwas angefangen werden könnte.

Bei der MLS wird eine bekannte periodische Folge von positiven und negativen Spannungspulsen (die Maximallängenfolge, MLS) in das System eingespeist. Mit der Antwort des Systems darauf und der

Nach diesen eher kosmetischen Gesichtspunkten sollte auch ein Blick auf die Funktionalität geworfen werden: Eigentlich heißt Hertz-Ware NFMP (Niederfrequenz-Messplatz) und scheint nur schnell für den Vertrieb umbenannt worden zu sein. Die sicherlich nützlichste Funktion ist die MLS-Analyse mit anschließender Fourier-Transformation. So lassen sich Übertragungsverhalten von niederfrequenten elektrischen oder elektroakustische Systemen untersuchen. Doch dazu später mehr.

Soundmatrix in eigener Regie

Hertz-Ware kommt mit jeglichen Eingabe- und Ausgabeformen des Falcon zurecht. Aus diesem Grund kann der Anwender in der Soundmatrix schalten und walten, wie er es benötigt. Als Eingänge stehen zur Verfügung:

Gleichermaßen kann das Signal an

wieder ausgegeben werden. Benötigt werden diese Einstellungsmöglichkeiten beispielsweise, um die Echtzeitausgaben steuern zu können. Darüber hinaus können auch Einstellungen vorgenommen werden, die bestimmen, mit welcher Taktfrequenz das Audio-System arbeiten soll, oder ob der PSG mit seinen Rauschgeneratoren ebenfalls an dem A/D-Wandler anliegen soll. Um auch mit den üblichen 44100 Hz arbeiten zu können, werden auch externe Taktgeber für die Generierung der Taktfrequenz erkannt.

Der Amplituden- und Phasenfrequenzgang meines Low-Cost-Verstärkers mit 3-Band-Equalizer. Während die Regler für 100 Hz und 10 kHz auf maximaler Verstärkung stehen, wird bei 1 kHz maximal gedämpft. Ab etwa 22 kHz nimmt die Lautstärke stark ab, was beim Abspielen einer CD nicht weiter tragisch ist (diese kann nur Frequenzen bis 22050 Hz beinhalten). Im Hintergrund ist die Impulsantwort des Verstärkers zu sehen.

Funktionsgeneratoren

Hertz-Ware verfügt über drei im DSP werkelnde Funktionsgeneratoren, die Frequenzen zwischen 0 und 22kHz erzeugen können. Die Signalform kann dabei einer Sinus-, Dreieck-, Rechteck- oder Sägezahnspannung (Zähne auf- oder abwärts) entsprechen. Für jeden Generator kann die Lautstärke unabhängig für den linken und rechten Kanal eingestellt werden. Um ein Übersteuern bei einer Überlagerung der Funktionsgeneratoren zu vermeiden, kann die Option „Pegel automatisch begrenzen" aktiviert werden. Die erzeugten Signale stehen in der Soundmatrix am DSP-Ausgang zur Verfügung und können so weiterverarbeitet werden.

Messempfang

Es gibt mehrere Funktionen, um die an der Soundmatrix anliegenden Signale zu verwerten. Für jede Funktion lässt sich dabei wählen, ob die Daten vom internen A/D-Wandler, vom DSP-Port, vom DSP selbst (der beispielsweise die Funktionsgeneratoren zur Verfügung stellt), oder vom DMA-Sound-System genommen werden sollen. Folgende Messempfänger stehen zur Verfügung:

Schließlich gibt Hertz-Ware auch noch Informationen wie größter, kleinster und Mittelwert der Spannung zum aufgezeichneten Signal preis. Der Fensterinhalt kann per GDOS ausgedruckt werden. Doch das ist noch nicht alles: Auf den aufgezeichneten Signalverlauf kann schließlich noch die FFT angewendet werden. Da diese nur mit Zweierpotenzen von Eingangswerten zurecht kommt, unterstützt Hertz-Ware die Selektion von eben diesen Zweierpotenzen im Bearbeiten-Menü, je mehr Werte markiert werden, desto hochauflösender ist anschließend das Ergebnis der FFT. Bei 1024 selektierten Werten wird alle 48.02 Hz ein Amplitudenwert errechnet, bei 8192 Werten alle 6.00 Hz, sofern mit 50 kHz gearbeitet wird. Da auch der Soundchip an den A/D-Wandler angelegt werden kann, lässt sich auch das von diesem erzeugte Rauschen und Piepsen aufzeichnen. So ist es sogar möglich die spektrale Zusammensetzung des Tastaturklicks zu untersuchen, wenn es denn jemanden interessiert...

MLS

Das Vorhergehende war eigentlich nur Vorgeplänkel vor der wohl interessantesten und vielseitigsten Funktion in Hertz-Ware: Die MLS-Analyse macht aus diesem Programm ein mächtiges Analyse-Tool. Worum es hierbei geht, ist in der Infobox 1 knapp erläutert. Die Maximallängenfolge liegt als Sample im Speicher und wird mittels DMA-Sound ausgegeben. Dies ist wichtig zu wissen, weil die Soundmatrix dementsprechend geschaltet werden muss. Diese kann der Soundmatrix nach entweder an den A/D-Wandler, den DSP oder den DSP-Port ausgeben werden. Schließlich sollte die Systemantwort von den dementsprechenden Schnittstellen wieder aufgezeichnet werden, da ansonsten nicht viel zu sehen sein wird.

Der Stereo-Korrelator ermöglicht es zu untersuchen, ob es sich bei einem Signal um ein Mono- oder Stereo-Signal handelt. Daneben ist der Funktionsgenerator zu sehen.

Die MLS ist also vielseitig anwendbar. Egal, ob der Verstärker der eigenen Stereoanlage, oder der selbstprogrammierte Filter für den DSP, von allem lässt sich die Impulsantwort ermitteln.

Für professionelle Anwendungen sollte auf die Falcon-eigenen Wandler aufgrund mangelnder Qualität jedoch verzichtet werden. Stattdessen sind Erweiterungen am DSP-Port, die wohl nur noch am Gebrauchtmarkt zu haben sind, sinnvoll. Unterstützt werden zum Beispiel alle S/PDIF-Erweiterungen. Auch die Qualität von DAT-Recordern oder ähnlichem kann somit überprüft werden. Hierbei besteht jedoch das Problem, dass die Antwort des Systems - in diesem Falle also des Recorders - erst wieder zurück kommt, wenn das Band zurückgespult und erneut abgespielt wird. Damit dies nicht zu hektischen Situationen führt, kann die Maximallängenfolge per Menüeintrag entweder gesendet oder empfangen werden. Somit bestehen bei Systemen mit hoher Verzögerungsdauer keine Probleme bei der Ermittlung der Impulsantwort. Denkbar wäre auch die Überprüfung der Qualität von verlustbehafteten Audio-Kompressionsverfahren, indem die MLS enkodiert und anschließend per Dekoder wieder abgespielt wird. Das Ergebnis der MLS-Analyse ist in einem ähnlichen Fenster wie bei der Aufnahme zu bewundern. Hier gibt es die Möglichkeit, die Kanäle unabhängig voneinander zu laden und speichern, aber auch das Ausdrucken und Zoomen ist möglich. In dem Bearbeiten-Menü kann schließlich wieder eine Zweierpotenz von Werten selektiert werden, um die Daten auf die FFT vorzubereiten. Denn erst bei der FFT werden der Impulsantwort die Eigenschaften entlockt, bei denen das eigentliche Interesse liegen dürfte.

Hertz-Ware kann auch mit LOD-Files, zum Beispiel von Win-Rec, umgehen. Sogar die Parameter-Dateien können gelesen werden. Das Übertragungsverhalten von DSP-Programmen, wie diesem Equalizer, kann also ohne Probleme untersucht werden. Funktionsgeneratoren und Effektivwert-Anzeige stehen dann allerdings nicht mehr zur Verfügung.
Die Untersuchung des beiliegenden FIR-Filters für den DSP liefert diese Impulsantworten und Frequenzgänge. An der Impulsantwort lässt sich auch ablesen, wie lange ein Signal durch das System unterwegs ist (hier etwa 0.3 ms).

FFT

Um die FFT entweder auf Samples aus dem Recorder oder die Impulsantwort eines Systems anzuwenden, werden wie oben erwähnt zunächst 2An Werte markiert. Nun muss nur noch der Menü-Eintrag „FFT" gewählt werden, wobei wahlweise nur der rechte bzw. linke oder beide Kanäle berechnet werden können. Die Berechnung dauert je nach Anzahl der selektierten Werte unterschiedlich lange. Statt mit dem DSP werden die Berechnungen mit der CPU oder - falls vorhanden - entsprechend schneller mit der FPU durchgeführt.

Der Nachteil im Vergleich zum DSP ist ganz klar die Geschwindigkeit. Der Vorteil jedoch die höhere Genauigkeit von Fließkommazahlen gegenüber den Fixkommazahlen des DSPs.

Nach wenigen Sekunden steht schließlich das Ergebnis in Form des Amplituden- und Phasenfrequenzganges zur Verfügung. Erneut besteht die Möglichkeit die Daten zu laden, zu speichern (ASCII oder eigenes Format), zu zoomen oder das Bild im Fenster auszudrucken, je nach Anwendung lässt sich ablesen, ob das Speichermedium zufriedenstellend arbeitet, der programmierte DSP-Filter die richtigen Eigenschaften aufweist, ob Equalizer und Verstärker korrekt arbeiten. Auch Frequenzgänge von Lautsprechern oder Mikrofonen lassen sich so erstellen, ebenso wie die Tonqualität in einem Konzertsaal überprüft werden kann. Sogar selbstentworfene Schaltungen können so charakterisiert und eventuell verbessert werden. Der Phantasie sind kaum Grenzen gesetzt.

Das spartanisch ausgestattete Oszilloskop bietet zwei Zoom-Stufen und eine automatische Triggerung.

Was bleibt

Der Funktionsumfang von Hertz-Ware scheint auf den ersten Blick nicht besonders hoch. Und dennoch vermag dieses Programm eine Menge zu leisten. Bedauerlich ist, dass in unserem Test das Drucken nicht funktioniert hat.

Erhältlich ist Hertz-Ware in zwei Versionen:

Die Standard-Version kostet EUR 49.-, die Professional-Version EUR 99.—. Die Standard-Version ist nur für den nichtgewerblichen Einsatz zu benutzen, bietet eine MLS von maximal 16384 Werten und lässt die Echtzeit-FFT sowie die Druckfunktionen vermissen. Die Preise sind dennoch angemessen.

Wer noch mehr über die Funktionalität wissen möchte, kann unter [2] das unbebilderte Handbuch lesen.

Hertz-Ware hat erneut meine Begeisterung für den Atari Falcon geweckt. Es stellt die Leistungsfähigkeit des mittlerweile in die Jahre gekommenen Raubvogels einmal mehr auf eine eindrucksvolle Art unter Beweis, stc

[1] nt.eit.uni-kl.de/lehre/ginf2/index.html
[2] www.woller.com/hertzware

woher Systeme, Grunewaldstraße 49, D-10825 Berlin Ladengeschäft Montag bis Samstag 11:00 bis 20:00 Uhr http://www.woller.com/


Matthias Alles
Aus: ST-Computer 02 / 2003, Seite 50

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