3D-Talk: François Le Coat im stc-Interview

François Le Coat ist vielen Atari-Usern ein Begriff. Sein Programm Eurêka wird jeden Monat in einer neuen Version veröffentlicht und unterstützt als eines der wenigen Atari-Programme 3D-Grafiken im VRML-Format. Wir haben uns einmal mit ihm unterhalten.

François, was war Dein erster Kontakt zur Computerwelt?

Es war 1981, als ich mir einen der ersten Sinclair ZX81 kaufte. Davor habe ich mich mit einem programmierbaren Taschenrechner von HP beschäftigt, dem HP25, und dort erste Schritte im programmieren gemacht.

Seit wann beschäftigst Du Dich mit Atari-Computern?

Nun, 1986 traf ich ein paar Atari-Fans und so habe auch ich mir einen Atari 1040STF gekauft. Die Idee, ein Programm wie Eurêka zu programmieren, hatte ich schon zu ZX81-Zeiten - jedoch reichte die Leistung des Rechners dazu nicht aus. Der ST war schon erheblich leistungsfähiger und so begann ich 1987 mit dem Programmieren des STs.

Es hat den Anschein, dass Du sehr stark in der Kombination von Grafik und Mathematik interessiert bist. Was ist daran so interessant?

Zu der Zeit (1987) war ich sehr beeindruckt von Matheprogrammen auf anderen Systemen, wie Kaleidagraph oder Mathematica auf dem Macintosh. Aber diese Programme waren unerreichbar für mich, da die Preise für die Hardware und Software jenseits von Gut und Böse lagen. Meine Ziel war es, eigene Programme zu entwickeln, die mir in meinem Studium helfen würden. Ursprünglich hatte ich nie vorgehabt, es für alle weiterzuentwickeln, aber für viele Atari-User ist Eurêka interessant geworden. Das ist eine schöne Bestätigung :-)

Welche Programmiersprache wird verwendet?

Ich habe - wie viele andere -, mit Basic angefangen und habe auch erste Assembler-Programme geschrieben. Aber als ich zum ersten Mal mit C in Berührung kam, wuchs in mir die Erkenntnis, dass ich es mit einer Art von "literarischen" Sprache zu tun hatte. C war ideal für meine Programme und deshalb schrieb ich Eurêka in C mit kleinen Unterprogrammen in Assembler. In Eurêka enthalten sind OpenGL, VRML und POV-Skripte.

Wer oder was ist "Archimedium"?

Das ist mein Pseudonym... Eurêka ist voll mit Anspielungen auf Archimedes, den griechischen Mathematiker. Er lebte von 287 bis 212 vor Christus. Von ihm stammt auch die Spirale in der ersten Dialogbox, die ich zum Spaß eingebaut habe.

Hast Du schon die erste Version von Eurêka entwickelt oder wie bist du an ein sechzehn Jahre altes Programm gekommen?

Es ist mein Projekt seit 1987. Alle meine Entwicklungen werden ein Teil von Eurêka früher oder später. Aber das ist nicht meine Hauptarbeit. Mit der begrenzten Zeit, dauerte es eben eine ganze Weile bis zur ersten öffentlichen Version. Zum ersten Mal erreichte Eurêka 1996 eine breite Öffentlichkeit, auf einer Web-Seite.

Wie lang benötigen größere Verbesserungen?

Wenn ich eine neue Idee habe, was nicht so häufig vorkommt, oder eine Anregung von einem Benutzer, kann das relativ schnell gehen. "Schnell" bedeutet drei bis sechs Monate. Die Häufigkeit der Updates erklärt sich durch die notwendige Stabilisierung von neuen Features.

Wird Eurêka gestartet, erscheint zunächst einmal eine eigenartige 3D-Drahtgitter-Animation, die, an heutigen Standards gemessen, veraltet wirkt. Warum ist die Animation in jedem Release vorhanden?

Diese Animation existiert seit der ersten Version von Eurêka. Sie existiert, weil sie die Rechenleistung des Computers verdeutlicht. Mit einem Blick auf die Startanimation kann ein Benutzer feststellen, ob Eurêka benutzbar sein wird, oder nicht. Ich bin immer noch von dem Demo beeindruckt, wenn es auf einer schnellen Maschine läuft. Es ist eine Art von "visuellem Benchmarkt". Einige Teile von Eurêka werden etwas abgebremst, durch die Benutzung von Timern. Die Demo kennt solche Einschränkungen nicht.

Ich denke, dass es schade ist, das Eurêka nicht einmal die grundlegendsten GEM-Standards beachtet, z.B. sollte das Menü auf der linken Seite den Programmnamen und nicht "Desk" tragen. Gibt es Pläne, Eurêka mehr an gängige Standards anzupassen?

Das ist eine Kritik, die schon häufiger gehört habe. Aber du drückst das diplomatisch aus! Freunde haben mir gesagt, dass ich eine Oberfläche für Eurêka machen sollte. Sie beachten nicht, das Eurêka schon eine hat. Aber es ist nicht einfach für so ein Projekt, auf das ich nicht viel Zeit verwenden kann.

Es gibt auch die Kritik, das Eurêka nicht sehr Multitasking-freundlich ist, mit seinen 80er Jahre Dialogboxen. Auf der anderen Seite unterstützt es moderne Erweiterungen wie Libraries (LDG) und OpenGL. Hast Du schon einmal einen Blick auf die verschiedenen GEM-Libraries geworfen (z.B. Windom, oder die schlankere cflib)?

Die erste Library, die ich mir angeschaut hatte, war BIG (Big is GEM) von Claude Attart (in den 90ern). Aber ich bin einfach zu träge, um damit zu programmieren. Ich "borge" mir häufiger Teile des Sourcecodes, wenn ich etwas benötige. Die Dialogboxen sehen zwar auf älteren Systemen auch älter aus, sind aber nicht älter von der Programmierung her. Eurêka ist es wert auf modernen Systemen benutzt zu werden - aber es läuft eben auch noch auf den ersten STs.

Die Lite-Version von Eurêka läuft auch auf einfachen STs mit 720 KB Disklaufwerk. Wird diese Version überhaupt noch benutzt?

Die Lite-Version wurde zuerst für die Coverdisk des französischen ST Magazine programmiert. Das war 1998 und ich habe positives Feedback erhalten. Ich denke, dass diese Version immer noch interessant ist. Mein Ziel ist es, das es mit nur einem MByte funktioniert, und die Vollversion mit vier MB lauffähig bleibt.

Eine sehr aufregende Funktion ist der VRML-Export. Gab es je Überlegungen, einen VRML-Viewer zu schreiben, um diese auch auf dem Atari anzeigen zu können?

Das wäre zuviel Arbeit. Aber ich bin ohnehin der Meinung, das ein Open-Source-Browser portiert werden sollte. Dann könnte geschätzt werden, ob der Atari den Ansprüchen von VRML genügt.

Die Atari-Benutzer haben sich schon fast an die regelmäßigen Updates von Eurêka gewöhnt. Es scheint, dass das Programm neben MyMail das am häufigsten aktualisierte Programm ist. Steckt da so eine strenge Disziplin dahinter?

Der Start eines neuen Projektes ist nie einfacher. Aber je länger man an einem Projekt arbeitet, desto einfacher wird die Weiterentwicklung. Es ist allerdings nicht unbedingt meine Zielsetzung, jeden Monat ein Update zu veröffentlichen.

Gibt es viel Feedback von Atari-Usern?

Aus Frankreich: ja. Aus allen anderen Ländern nicht besonders viel...

Sind die Atari-Märkte (Frankreich, GB, Deutschland) zu stark getrennt heutzutage?

Ich denke nicht. Ich habe schon Sachen aus England oder Deutschland gekauft. Meine Software registriere ich von Frankreich aus. Ich muss die Leute von "Europe Shareware" beglückwünschen - sie machen wirklich einen tollen Job.

ARAnyM und das Atari Coldfire Projekt sind zwei Konzepte, die eine bessere Zukunft für Atari-Software versprechen. Was denkst Du über diese beiden Projekte?

Beide sind eine richtig gute Sache. Zur Zeit spiele ich etwas mit der ARAnyM Virtual Machine (eine Distribution von ARAnyM auf CD - Anm. des Redakteurs) von Olivier Landemarre herum. Es ist ein Traum, den schon die Milan Gmbh mit dem Milan III hatte - und jetzt wird er im neuen Jahr wahr.
ACP ist ein Projekt für die Zukunft. Es ist nie verkehrt, für die Zukunft zu planen, besonders bei Atari-Projekten. Die CenTurb060 ist auch Teil eines Traum. Zur Zeit arbeite ich auf einem Hades060. Meine Ansprüche sind groß und bis jetzt habe ich kein ähnliches System gefunden, das mich wirklich beeindruckt hat. Sobald die Coldfire-Maschine herauskommt, würde ich aber vom Hades auf ACP wechseln, keine Frage.

Du hast jetzt die Gelegenheit, ein paar Worte an die deutsche Atari-Gemeinschaft zu richten ;)

Ich mag die Deutschen und deutsche Software. Ich bin natürlich auch dankbar für Autoren, die sich die Mühe machen und ihre deutschen Programme in andere Sprachen übersetzen. Wäre das nicht ein Wunsch an deutsche Autoren für das neue Jahr, ihre Software so oft zu übersetzen, wie sie veröffentlicht werden?

Vielen Dank für das Interview!

François LE COAT
Author of Eurêka 2.12 (2D Graph Describer, 3D Modeller)
http://Eurêka.atari.org


Mia Jaap
Aus: ST-Computer 01 / 2003, Seite 15

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