Der Bereich der Computeranwendungen wird von den "großen Drei" dominiert: Tabellenkalkulation, Textverarbeitung und Datenbank. Wie es zum munteren Kalkulieren auf digitalen Blättern kam, zeigt ein kleiner Rückblick.
Wie bei so vielen technischen Neuheiten, ist auch bei der Tabellenkalkulation der "Erfinder" nicht bekannt. Schließlich wurden Computer von Anfang an für Berechnungen eingesetzt und auch die Kalkulation in tabellarischer Form war nichts neues. Nachteil vieler Kalkulationsprogramme war die schlechte Bedienung, die das Arbeiten mit den ohnehin wenig aufregenden Zahlen zusätzlich erschwerte. 1978 kam Daniel Bricklin
auf die Idee eines "interaktiven visuellen Rechner". Wichtiges Feature dieses Programms war die Fähigkeit, die Berechnungen sofort an geänderte Werte anzupassen. Dazu gab es Scrolling auf dem Arbeitsblatt und einfache Befehle wie SUM. Als Name wurde VisiCalc gewählt und das Programm entwickelte sich ab 1978 zu einer "Killerapplikation", die den ganzen Markt formen und dominieren sollte. Tatsächlich ist das Aussehen des Programms selbst in modernen Tabellenkalkulationen zu finden. Kleiner Nachteil des Programmkonzeptes: der Programmcode belegte ganze 20 KB RAM. Dies machte für einige schon den Griff zur RAM-Erweiterung notwendig, tat dem Erfolg des Programms aber keinen Abbruch: ganze 1 Million Exemplare wurden verkauft, eine für die damalige Zeit sehr hohe Zahl.
Dem Erfolg konnten auch zahlreiche Clone nichts anhaben: selbst für den ZX81 erschien eine Tabellenkalkulation.
Das Ende von VisiCalc kam mit dem IBM PC. Als IBM seine neueste Kreation vorstellte, "verschlief" VisiCorp die Chance, den neuen Markt zu beliefern. Der Product Manager verließ VisiCorp und gründete Lotus, die schnell Lotus 1-2-3 für den PC vorstellten. Lotus war kompatibel zu VisiCalc und somit für die Unternehmen beim Systemwechsel die erste Wahl. Die erste Version von Lotus wurde sogar VisiCorp angeboten, die aber ablehnten. Zu den neuen Features von Lotus zählten Charts, einfache Datenbankfähigkeiten und Makros. 1985 gönnte sich Lotus den Luxus und kaufte VisiCorp und stellte VisiCalc ein. Wie sehr Lotus nun den Markt beherrschte, zeigte sich bis in die 90er Jahre darin, das Lotus-Kompatibilität ein entscheidendes Verkaufsargument war.
1984 trat Excel auf den Plan. Microsoft hatte vorher mehr oder weniger erfolgreich Multiplan für CP/M-Computer angeboten und wollte pünktlich zum Verkaufsstart des Apple Macintosh eine ganz besondere Tabellenkalkulation anbieten. Excel war dank grafischer Benutzeroberfläche erheblich einfacher zu bedienen als seine Vorgänger und einige haben sich den Macintosh nur wegen dieses einen Programmes gekauft. Die DOS-Version hinkte dem hinterher. Als Microsoft mit Windows seine eigene Benutzeroberfläche startete, dürfte auch Excel nicht fehlen und das Programm galt als Microsofts wichtigste Anwendung. Der frühe Start erwies sich als Glücksfall, denn nicht nur Hauptkonkurrent Lotus verpaßte die Chance, auf dem entstehenden Windows-Markt Präsenz zu zeigen. Erst 1992 kamen ernsthafte Konkurrenten, aber zu dem Zeitpunkt hatte sich Microsoft längst den Markt gesichert.
Ein Computer, der von den "Großen" nicht beachtet wurde, war der Atari ST. Als dieser 1985 eingeführt wurde, gab es keine Tabellenkalkulation. Zum Glück war aber schon ein CP/M-Emulator erhältlich und der Markt & Technik-Verlag kam auf die clevere Idee, u.a. Microsoft Multiplan und Turbo Pascal für den ST zu veröffentlichen - jeweils mit vorkonfiguriertem CP/M-Emulator.
Trotz des Frühstarts entwickelten sich Tabellenkalkulationen zum Stiefkind der ST-Programmierer. Gab es mit Signum! und Adimens zwei Anwendungen, die selbst nicht-ST-Besitzern bekannt waren, sah es bei den TK schlecht aus.
Eine der ersten war VIP und Anwender staunten nicht schlecht, als sie das Programm starteten: Menüs und Maus wurden abgeschaltet. Von einem Computer mit grafischer Benutzeroberfläche wurde eigentlich etwas anderes erwartet und so wurde VIP durch VIP Professional ersetzt, das endlich sauber im GEM-Fenster lief.
Am bekanntesten war jedoch K-Spread von Kuma. Kuma setzte ganz auf 16-Bit-Computer und bot vom kleinen Utility bis zum T800-Transputerboard so ziemlich alles für den ST an. K-Spread orientierte sich an Lotus und bot eine saubere Oberfläche und Chartfähigkeiten.
Ein weiteres Programm startete genau wie K-Spread gleich mit GEM-Fenstern: LDW Power Calc. LDW war eine amerikanische Firma, die ebenso wie Kuma eine ganze Produktpalette anzubieten hatten. Power Calc wurde in Deutschland durch den Markt & Technik-Verlag vertrieben und mit ganzen Farbseiten im Verlagseigenen ST-Magazin aggressiv beworben. Damit hatte LDW leichte Vorteile gegenüber K-Spread, denn Kuma fand erst später einen Vertrieb, der willens war, das Programm stark zu bewerben (Omikron). LDW benötigte GDOS, um Chart-Grafiken zu drucken oder in einem Meta-File zu speichern. Das die Programmierer mit GDOS trotzdem noch nicht allzuviel anzufangen wußten, zeigte sich beim Drucken von Tabellen: hier unterstützte LDW nur Epson-Drucker und einige frühe Atari-Drucker.
Neben den kommerziellen Programmen gab es noch einige PD/Shareware-Programme. GEM-Calc ist das bekannteste und trotz seines Namens kannte es keine Fenster und schmierte ungeniert auf dem Bildschirm herum. Aus GEM-Calc wurde später Abacus, das in der Special-Line-Serie des Heim Verlags veröffentlicht wurde.
Ein kurzer Trend im ST-Bereich war die Light-Software. Markt & Technik brachte Master Calc und Omikron K-Spread light zum Einstiegspreis.
Nicht fehlen darf eine Tabellenkalkulation in Office-Paketen. Neben dem etwas glücklosen STEVE erschient mit Atari Works nach langer Verzögerung eine Paket, das konsequent die Vorteile von GDOS nutzte. Die Tabellenkalkulation war zwar der etwas schwächere Teil des Pakets, überzeugte aber durch einfache Bedienung. Leider war Atari Works keine lange Weiterentwicklung vergönnt.
Einen längeren Atem hatte Thomas Much mit Texel. Das Programm hielt sich an GEM-Richtlinien und bot erstmals Excel-Import. Natürlich ist Texel auch OLGA-fähig und nutzt auf diesem Weg ArtWorx zum Erstellen von Chartgrafiken.
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