Geschichte der VCS-Konsolen

1972 machten zwei Striche und ein Klotz Karriere und eine neue Industrie entstand: die Telespiel-Industrie.

Als sich Pong zum durchschlagenden Erfolg entwickelt hatte und der Markt mit Pong-Konsolen überschwemmt wurde, stellte sich heraus, das der Erfolg zum Fluch werden könnte. Dutzende Anbieter brachten Pong neu verpackt auf den Markt und drückten die Preise. Die Konsumenten zeigten sich zwar für heutige Verhältnisse außerordentlich lange zufrieden mit dem einen Spiel, aber dann wurde nach etwas neuem verlangt. "Neue" Spiele wie Squash, Fußball und Autorennen entpuppten sich schnell als Pong-Kopien. Die Ansprüche stiegen immer schneller und so kam nicht nur Atari auf die Idee, ein System zu entwickeln, das mit auswechselbaren Spielen arbeitet. Dies schien der einfachste Weg zu sein, die Lebensspanne der Systeme zu verlängern.

Atari plante zunächst eine Konsole namens Game Brain. Dieser lag ein Konzept zugrunde, das später noch einmal mit dem MB MicroVision eine kurzlebige Renaissance erleben sollte. Das Konzept bestand darin, einen Großteil der Elektronik in auswechselbaren Modulen unterzubringen. Die Konsole, die diese Module aufnahm, war eher dumm und stellte nicht viel mehr als Controller, Fernsehanschluß und Strom zur Verfügung. Das Gehäuse des Game Brain war deshalb größtenteils leer, fiel aber aus Marketinggründen größer aus als nötig. An der Konsole selber befanden sich zwei Paddles (Drehregler) und Richtungstasten. Um das Game Brain erfolgreich am Markt zu plazieren, bereitete Atari ein wahres All-Star-Angebot vor: Super Pong, Video Pinball, Stunt Cycle und Video Music. Jedes dieser Spiele war als Einzel-Konsole ein Erfolg und das Game Brain bot nicht nur die Möglichkeit, diese erneut zu vermarkten, sondern auch zu einem geringeren Preis.

Dumm nur, das Atari damit zu spät kam, denn 1976 erschien das Fairchild Channel F, ein farbiges Telespiel mit auswechselbaren Modulen, die jeweils nur das Spiel enthielten. Dies machte zwar die Grundkonsole teurer, aber die Module selber waren einfacher zu produzieren. Die Konsole paßte sich der Wohnung an und wurde in einem Holzimitat-Gehäuse verkauft. Die Spiele erinnerten allerdings trotz Farbgrafik sehr an Pong. Da Fairchild zugkräftige Lizenzen fehlten, wurden einige beliebte Spiele nachprogrammiert.

Mit dieser Konsole änderte sich der Markt sehr schnell. Die alten Pong-Konsolen wurden verramscht und Atari begann mit Hochdruck am VCS zu arbeiten. Da das VCS ebenso wie Game Brain 1977 erscheinen sollte, verwarf man das Game Brain, von dem nur etwa fünf Prototypen existieren. Nolan Bushnell befürchtete eine ähnliche Konsolen-Flut wie zu Pong-Zeiten und wandte sich an Warner, um die VCS-Entwicklung zu beschleunigen.

Vor dem VCS erschien noch das Studio II von RCA [2]. Das System wurde für 149 $ verkauft und bot schwarz/weiß Grafik. Natürlich machte sich RCA damit lächerlich, zumal der Konzern über keine zugkräftigen Spielelizenzen verfügte, die aus einem technisch veralteten System einen Verkaufsschlager machen könnten. Jahre später machte es Nintendo mit dem Game Boy besser.

Für dieses System erschienen letztendlich nur neun Spiele. Verrückt: Paul Robson hat 23 Jahre später "Combat" und "Space Invaders" programmiert. 1979 ging das System sing- und klanglos unter.

Als das VCS erschien, überrollte es die Konkurrent mühelos. Ausgestattet mit einer im Vergleich hochauflösenden Grafik, war sowohl das Fairchild Channel F und erst recht nicht das Studio II eine ernsthafte Konkurrenz. Das VCS wurde unter dem Projektnamen "Stella" entwickelt, einem Fahrrad, das einem der Ingenieure gehörte. Eigentlich sollte es schon 1976 erscheinen, aber Atari hatte einen seltsamen Handel mit Magnavox im Streit um Pong 1972 abgeschlossen und Atari verschob das VCS um ein Jahr.

Atari rechnete intern mit einer Lebensspanne von zwei Jahren. Auch wurde das Potential der Konsole trotz ihrer fortschrittlichen Technik nicht erkannt. Nur zehn Spiele waren geplant - simple Geschicklichkeitsspiele wie Pong oder Outlaw. Auf diesen Spieletyp war auf den ersten Blick auch der Grafikchip ausgelegt, aber dieser konnte erheblich mehr. Pünktlich zu Weihnachten '77 erschien das VCS und neun Spiele in den USA. Von diesen neun Spielen stachen eigentlich nur zwei heraus: Air-Sea-Battle und Combat. Die anderen Spiele boten nichts, was nicht vorher schon vom Fairchild gezeigt wurde.

Combat war ein Panzerspiel. Zwei Panzer manövrierten auf einem Parcours und beschossen sich gegenseitig. Dank einiger taktischer Finessen hatte das Spiel viele Fans und Atari entwickelte einen Nachfolger, der als Prototyp aber erst vor ein paar Jahren erschien. Unglaublich angesichts der Grafik ist es, das in Deutschland Combat eine Diskussion um Gewalt in Videospielen auslöste. Wenn von "bösen" Spielen die Rede war, mußte Ataris "Combat" herhalten. Combat war auch das beigelegte Spiel.

Air-Sea-Battle war ein eigentlich einfaches Schießspiel für zwei Spieler gleichzeitig. Von den neun Spielen zeigte es als einziges einen farbig abgestuften Hintergrund und große Sprites. Zudem bot das Spiel 27 verschiedene Varianten an.

Das Design des VCS paßte sich dem Wohnzimmer an im bekannten Holzimitat. Premiere feierte der 9-Pin-Joystick-Anschluß. An diesen Anschluß konnten nicht nur Ataris Joysticks, sondern auch solche von Fremdherstellern angeschlossen werden.

Das Weihnachtsgeschäft sollte sich für die Industrie als sehr schwierig herausstellen. Mit der Einführung Modul-basierter Systeme ließ das Interesse an Pong-Konsolen stark nach. Hinzu kam, das der Markt mit diesen Konsolen geradezu überschwemmt wurde. Zum Weihnachtsgeschäft fand ein Ausverkauf statt und auch das Fairchild und Studio II fielen dem zum Opfer.

Das Geschäft mit dem VCS kam hingegen immer besser in Gang, auch wenn der große Boom ausblieb. 1978 landete Atari mit dem spaßigen Home Run (Baseball) und Football zwei Hits. Breakout kam direkt aus den Spielhallen und das VCS galt als die Konsole für Arcade-Konvertierungen - wohlgemerkt zu einer Zeit, als die Hardware von Automaten noch nicht weitgehend identisch mit der von Konsolen war.

Atari war zu dieser Zeit der einzige Hersteller von VCS-Modulen und dementsprechend gering war die Anzahl an Spielen, die pro Jahr herauskam. Während heutzutage der Lebenszyklus eines Spiels nur wenige Monate beträgt, hielten sich einige Spiele in den Atari-Katalogen jahrelang. Allerdings verlor Atari seinen Gründer Nolan Bushnell, der Pizza Time Theater kaufte, aus denen später Chuck E. Cheese wurde.

1979 begann auch die Konkurrenz langsam aufzuwachen. Bereits seit 1977 wurde am Intellivision gearbeitet, aber Mattel scheute einige Zeit die Konkurrenz mit Atari. Das Intellivision war gleichzeitig die erste 16-Bit-Spielekonsole der Welt, mit einer Zahlentastatur auf den Steuergeräten. Durch diverse Unzulänglichkeiten der Hardware war die Konsole trotzdem nicht schneller als die übrigen 8-Bit-Konsolen. Im Gehäuse steckte ein alter Bekannter: der Soundchip, der sechs Jahre später im ST verwendet wurde.

Eine andere Firma war noch verschlafener: Magnavox. Diese waren zwar Pioniere auf dem Videospiel-Markt, profitierten jedoch kaum davon. Was für ein Glück, das Mattel anders als Atari nicht zahlen wollte und nach einem Prozeß Millionen zahlen mußten.

Das Intellivision verkaufte sich immer besser und wurde langsam zur Bedrohung für das VCS. Das interne Programmierteam bei Mattel, die Blue Sky Rangers, programmierten Spiele, die dem VCS grafisch überlegen waren. Besonders schmerzhaft für VCS-Anbieter waren die Anzeigen von Mattel, die VCS- und Intellivision Spiele verglichen.

Rettung kam in Form eines Ballerspiels. "Space Invaders" sorgte nicht nur für eine Knappheit bestimmter Yen-Münzen in Japan, sondern sollte als der erste System-Seller 1980 in die Geschichte eingehen. Space Invader gab es für keine andere Konsole und plötzlich wollte jeder das VCS haben. Wie beim VCS üblich, hatte auch Space Invaders einige Spielvarianten, um die Spieler bei Laune zu halten.

Atari ließ gleich einen weiteren Hit folgen: Adventure. Das Spiel gilt als erstes grafisches Action-Adventure und hatte auch das erste Easter Egg eingebaut. Warren Robinett hat seinen Namen in einem geheimen Raum versteckt. Atari sah seine Programmierer als Angestellte an, deren Namen nicht im Programm auftauchen dürften. Besonders tief saß die Abneigung bei Atari Chef Ray Kassar. Dieser von Warner eingesetzte Manager konnte nicht gut mit Programmierern umgehen. Sein vorrangiges Ziel war es, Atari möglichst schnell profitabel zu machen und dazu wurde die Entwicklungsabteilung abgespeckt und mehr Geld in Marketing investiert. Statt dem lässigen Stil von Bushnell setzte Kassar auf Disziplin.

Am 25. April wird Activision von David Crane, Bob Whitehead, Alan Miller und Larry Kaplan gegründet - alles Ex-Mitarbeiter von Atari. Prompt folgt eine Klage, wegen Verletzung der Geheimhaltungspflicht. Die neue Eigenständigkeit motivierte die vier sehr und die Activision-Spiele waren den Atari-Spielen optisch überlegen. Wichtig war der neuen Firma die Nennung der Namen und so entwickelte sich ein regelrechter Starkult um die Programmierer.

1982 wurde das Jahr des Pac-Man und Atari wollte daran mitverdienen. Ein Jahr zuvor war den Händlern ein Plan nahegelegt worden, die geünschte Menge an Modulen schon ein Jahr im voraus zu bestellen. Durch den großen Erfolg des VCS orderten die Händler Massen. Die Verantwortung für die Programmierung wurde Todd Frye übertragen, einem guten VCS-Programmierer, der Pac-Man aber nicht mochte. Der schnell erledigte Job schadete zwar nicht den Verkaufszahlen, aber kratzte an Ataris gutem Ruf. Auch das zweite Spiel, E.T., war eine Katastrophe und ein Flop. Angeblich hat Atari tausende von VCS-Modulen in der Wüste Nevadas entsorgt. Die Lehre daraus haben Software-Hersteller bis heute nicht gezogen: eine große Lizenz rettet kein schlechtes Spiel.

Die Entwicklung eines VCS-Nachfolgers begann bereits 1978. Die neuen Chips sollten erheblich leistungsfähiger sein. Da die neue Konzernführung aber mit Apple im Heimcomputermarkt konkurrieren wollte, wurden diese Chips in dem Atari 400 und 800 verbaut.

Atari plante das VCS3200 mit den Codenamen "Sylvia", "Super Stella" und "System X". Herz des neuen Systems sollte ein 10-Bit-Prozessor sein, mit mehr RAM, besserer Grafik und besserem Sound als das 2600. Das System war abwärtskompatibel geplant. Neben den Prototypen wurden auch zwei Spiele entwickelt, aber die ungewöhnliche Technik wurde von den Programmierern abgelehnt.

1981 plante und bewarb Atari das VCS2700, ein 2600 mit kabellosen Joysticks. Die Joysticks waren eine Kombination aus Joystick und Paddles. Ein Funkantenne ragte vorne deutlich hervor. Atari war schon sehr weit mit dem 2700, selbst die Verpackungen waren schon fertig. Bei der abschließenden Qualitätsprüfung stellte sich aber heraus, das die Funksignale so stark waren, das sie auch noch aus weiter Entfernung von einem anderen 2700 empfangen werden konnten. Zudem vertrug es sich nicht mit anderen Funkgeräten und hätte z.B. versehentlich die Garagentür geöffnet. Ein Neudesign erschien Atari zu aufwendig.

Nicht über das Designstudium hinausgekommen waren Pläne für ein portables VCS. Die Ausflüge anderer Hersteller in dieses Gebiet zeigten, das die Technik noch nicht weit genug dafür war.

Der erste Third-Party-Hersteller überhaupt, Activision, erlangte mit seinen ersten vier Spielen gute Verkaufszahlen. 1982 gab Atari schließlich auf und erlaubte gegen ein Entgelt fremden Firmen das Entwickeln von VCS-Spielen. Imagic war der zweite Fremdhersteller und brachte ein ähnliches Qualitätsniveau zustande wie Activision. Die vielen Firmen die deren Beispiel folgten konnten das Niveau nicht halten, brachten aber oft ihre eigenen Ideen mit. CBS baute zusätzliches RAM auf ihren Modulen (u.a. Mountain King) ein, um bessere Spiele zu ermöglichen. Auch Mattel und Coleco konnten es sich nicht leisten, das VCS zu ignorieren und portierten ihre Spiele auf den Atari. Coleco steht allerdings im Verdacht, ihre Spiele "verkrüppelt" zu haben, damit sie auf dem ColecoVision besser aussehen.

Eine andere Firma betrat den VCS-Markt um Geld für eine neue Konsole zu beschaffen: Amiga. Amiga veröffentlichte auch das Joyboard. Dieses Board ersetzte den Joystick und interpretierte Körperbewegungen. Die Technik war aber noch relativ einfach und der Spieler mußte sich nur nach vorne, hinten oder zu den Seiten lehnen, um die Spielfigur zu bewegen.

Trotz des Booms gab es erste Erfolge der Konkurrenz. Das ColecoVision verkaufte sich gut, besonders dank der Hardwarezusätze wie dem VCS-Adapter oder dem Rennrad. Natürlich prozessierte Atari auch gegen VCS-Clones und -Adapter, verlor aber den Prozess. Der Grund, warum das ColecoVision wesentlich erfolgreicher als das Intellivision war, ist wieder eine Arcade-Lizenz: Donkey Kong war eine sehr gute Umsetzung und wurde dem System beigelegt.

Eine Technik, um VCS-Spiele technisch besser zu machen, stellte Starpath vor: den Supercharger. Der Supercharger war ein Modul mit Anschluß für einen Kassettenrekorder. Die Benutzung von Kassetten als Speicher machte nicht nur eine billigere Produktion, sondern auch umfangreichere Spiele möglich. Als Bonus hatte der Supercharger noch 6,1 KB zusätzliches RAM eingebaut. Was diese ausmachen können, kann jeder beim Blick auf Frogger sehen - hochauflösende Grafik. Die Idee "RAM-Erweiterung für hochauflösende Grafik" hatte Nintendo später auch und veröffentlichte das RAM-Pak für das N64.

An Spielen wurde u.a. das erste RPG Dragonstomp und Frogger veröffentlicht. Die Kritiker waren begeistert vom Supercharger, die Kunden weniger: Starpath wurde von Epyx aufgekauft. Das geplante Sportspiel inspirierte Epyx dann wohl zu Summer Games.

Klasse Grafik: "Frogger" auf dem VCS mit Starpath-Erweiterung

Der Nachfolger

Die Verkaufszahlen zogen zwar an, aber das VCS war nicht ernsthaft gefährdet, dank der Spieleauswahl. Dennoch war ein Nachfolger längst überfällig - Atari wählte die schnelle Lösung und verpackte den Atari 400 einfach neu - P.A.M. (Personal Arcade Machine) oder auch Atari VCS5200 war geboren. In einem Anfall von übertriebener Innovationswut wurden analoge Controller entworfen und dem System beigelegt.

Anders als ihre digitalen Gegenstückt unterscheidet ein analoger Joystick, wie weit der Spieler den Stick in eine bestimmte Richtung drückt. Dies ermöglicht neue Spielideen und Konsolen wie Dreamcast, PS2, XBox und GameCube verfügen neben dem digitalen Steuerkreuz immer über einen analogen Stick. Ein Nachteil des Joysticks war, das sich der Stick nicht selbst zentrierte und somit bei einigen Spielen zum Albtraum wurde. Neben dem Stick war noch eine Telefonnummerntastatur und ein Pause-Button auf dem Controller. Im längeren Test erwiesen sich die VCS-Controller nicht als die stabilsten.

Andere Hardware-Hersteller erkannten diese Schwäche sehr schnell und boten Ersatz an. Atari selbst veröffentlichte gegen Ende des 5200 eine verbesserte Version des Controllers und einen Trakball. Dieser Trakball, eine Art umgedrehte Maus, war nicht nur sehr massiv und Arcade-like, sondern auch die ideale Steuermethode für Spiele wie Centipede. Der 5200-Trakball sieht etwas anders aus als der bekannte Atari-Trakball und wirkt eher wie eine Steuerzentrale aus alten SciFi-Filmen.

Von Spectravision wurde das VCS5200 so umgebaut, das es auch in Hotels eingesetzt wurde: festverdrahtete Controller und vier eingebaute Module. Wie verbreitet das Hotel-VCS war, ist leider nicht bekannt.

Das VCS5200 gibt es als 4- und 2-Port-Version. Ersteres wird über ein ungewöhnliches Kabel mit Strom versorgt, das auch gleich die Verbindung mit dem Fernseher übernimmt.

Die Software des 5200 bestand hauptsächlich aus Arcade-Umsetzungen. Diese Umsetzungen sind gut gelungen, quasi als "Wiedergutmachung" wurde Pac-Man veröffentlicht. Da die Technik mit den Heimcomputern identisch war, wurden Spiele oft für beide Systeme veröffentlicht. Inklusive Prototypen wurden weniger als hundert Spiele veröffentlicht, dank einiger Heimentwicklungen erreicht die Anzahl der Spiele mittlerweile die 100er Marke.

Ein Nachteil zum Start des VCS5200 war die mangelnde Kompatibilität zum Vorgänger. Das ColecoVision hatte einen eigenen VCS-Adapter und ausgerechnet Ataris eigene Konsole verprellte die vielen VCS2600-Spieler. Atari schob schnell einen Adapter nach.

Das VCS5200 kam zu einem ungünstigen Zeitpunkt auf dem Markt. Atari hatte nicht nur den Start schlecht vorbereitet, auch der Videospielmarkt befand sich kurz vor dem Crash. Zuviele Firmen programmierten Spiele für das VCS und warfen diese schnell auf den Markt. Einige Titel verkauften sich nicht so wie erwartet. Eine der ersten Firmen, die panisch Konsequenzen daraus zog, waren Parker Brothers: obwohl sie noch Spiele zu starken Lizenzen wie "Lord of the Rings" und "McDonalds" in Vorbereitung hatten, verließen sie den Videospielmarkt sofort.

Ein anderer Grund für den Niedergang waren die Heimcomputer. Anfang der 80er Jahre war die Programmierbarkeit ein gutes Verkaufsargument. Mattel konzentrierte sich schnell auf den Aquarius, der schon bei seinem Erscheinen verspottend als 70er Jahre Computer bezeichnet wurde. Coleco entwickelte den Adam und vernachlässigte völlig das ColecoVision. Atari beauftragte eine externe Firma, eine Tastatur zu entwickeln. Alle drei Projekte scheiterten kläglich.

Der Handel vollzog eine ziemlich schnelle Wendung hin zu den Heimcomputern. Die Softwarefirmen, die sich fast ausschließlich auf das VCS konzentrierten, gingen ein. Viele Software-Projekte wurden in dieser Zeit abrupt abgebrochen, Prototypen verschollener Spiele sollten auch fast zwanzig Jahre später noch auftauchen.

Was allerdings oftmals verschwiegen wird, ist die Tatsache, das sich das VCS auch nach dem Crash noch sehr gut verkauft hat. Der Preis für das VCS war aber niedrig und die Profite dementsprechend gering. Zudem gingen die Verkaufszahlen neuer Module zurück, da der Handel mit einem Ausverkauf begann. Im übrigen verschwanden die anderen Konsolen natürlich nicht völlig - so kaufte z.B. Telegames die Coleco-Bestände auf und veröffentlichte noch bis Anfang der 90er Spiel für das ColecoVision. Mattel entledigte sich seiner Heimelektroniksparte, die es fast geschafft hätte, den Konzern - trotz Barbie und anderer Artikel - in den Ruin zu treiben. Eine Nachfolgefirma veröffentlichte bis Ende der 80er weitere Intellivision-Spiele.

7800 - das ProSystem

Atari erkannte, das sie mit dem VCS5200 etwas falsch gemacht hatten. Bei der nächsten Konsole sollte ein Aspekt ganz vorne stehen: der Kunde. Das Interesse an einem Videospielsystem war nach wie vor da. Am 21. Mai 1984 wurde die Konsole angekündigt. Atari hatte im Jahr zuvor tausende Verbraucher gefragt, was sie von einer Konsole erwarten.

Praktisch erwies sich ein gewonnener Rechtsstreit mit der General Computer Corporation. GCC arbeitete mit Atari zusammen an einem Chipset für die neue Konsole. Der Grafikchip Maria konnte bis zu 100 Sprites unabhängig voneinander auf dem Bildschirm bewegen und die Farbpalette war wie von Atari gewohnt sehr üppig (256 Farben). Ein weiterer Vorteil von Maria war, das der Grafikchip des VCS2600, TIA, mit in das 7800 eingebaut werden konnte und somit war die Konsole mit allen 2600-Spielen kompatibel. GCC gingen noch weiter und entwarfen ein Keyboard, das in Verbindung mit der XL-Peripherie das VCS7800 zu einem richtigen Computer machte. Die High Score Carridge speicherte die Punktestände von einigen Spielen und ist ein Vorläufer der heutigen Mempory-Cards.

Die Kontroller des 7800 waren wieder gewöhnliche Joysticks und alternativ konnte jeder Controller angeschlossen werden, der dem Atari-Standard entsprach.

GCC hatte auch Pläne für einen VCS2600/7800-Adapter, der Käufer des "Super Systems" milde stimmen sollte. Umgekehrt wurde auch über einen VCS5200-Adapter nachgedacht.

Um eine Flut von miesen Spiel zu verhindern, baute Atari ein Schlüsselsystem. Dieser Schlüssel schaltete auch gleichzeitig den VCS7800-Modus ein. Der ungewöhnlich starke Schlüssel verhinderte auch lange Zeit Heimentwicklungen. Erst lange nach dem Ende von Atari tauchte das Schlüssel-Programm auf.

Doch kurz nach der Fertigstellung wurde Atari von Warner an die Tramiel-Familie verkauft. Tramiel, der sich schon mit Commodore aus dem Videospiel-Markt herausgehalten hatte, stoppte das VCS7800 und konzentrierte sich ganz auf den ST. Als das NES einen erneuten Boom der Konsolen in Amerika auslöste, erinnerte sich Atari an die vielen bereits fertig verpackten Konsolen und veröffentlichte das VCS7800 sowie 2600jr weltweit. Obwohl das 7800 technisch durchaus mit dem Master System und NES mithalten konnte, blieb nur ein abgeschlagener dritter Platz. Die Spiele, größtenteils Arcade-Umsetzungen, waren nicht mehr die neuesten und Atari entwickelte nur halbherzig weitere Module. Dritthersteller gab es so gut wie keine. Besser lief das Geschäft in Europa, denn dieser Markt wurde von Nintendo erst sehr spät entdeckt - was Atari und Sega zugute kam.

Atari entwickelte noch bis in die 90er Jahre Spiele für das VCS7800. Neben Arcade-Umsetzungen lizensierte Atari auch 8-Bit-Spiele, wie den Breakout-Verschnitt Jinks. Viele der Spiele wurden später noch für das Lynx veröffentlicht, so etwa "Basketbrawl" oder "Scrapyard Dog". Das 2600 wurde weiter verkauft, z.B. mit dem "32-in-1"-Modul. Die Preise konnten sehr niedrig gestaltet werden, so das die Konsole bis in 90er produziert und verkauft wurde.

1988 wurde Nolan Bushnell zurückgeholt. Atari benötigte einige neue Spiele und Bushnells neue Firma Axlon benötigte dringend eine Finanzspritze. Als Atari eine Anfrage wegen neuer VCS-Spiele stellte, sagte Bushnell sofort zu, ohne überhaupt zu überprüfen, ob seine Firma dazu in der Lage wäre. Atari preßte auf jedes VCS-Spiel von Axlon Nolans Konterfei, wenngleich er keines der Spiele selbst programmierte. Steve De Frisco und Tod "Pac Man" Frye schrieben die Spiele für Axlon. Ersterer war es auch, der 1990 wohl eines der letzten VCS-Spiele schrieb - Klax wurde nur in Europa veröffentlicht.

Auch Epyx stieg spät in den VCS-Markt ein und veröffentlichte 1987 noch Summer Games, Winter Games und California Games. Laut einem Epyx-Programmierer war das VCS-Engagement sogar relativ profitabel.

Das VCS wurde in drei Dekaden produziert und verkauft. Bis heute erscheinen Clones des VCS, meist in Form eines Controllers mit eingebauten Spielen.

Später Nachzügler - "Jinks" ist eine Umsetzung vom C64 auf das VCS7800

[1] http://www.classicgaming.com/gamingmuseum/channelf.html
[2] http://www.classicgaming.com/studio2/

Sonstige Quellen:
http://www.atariage.com
http://www.atari-history.com/
http://www.intellivisionlives.com/


Mia Jaap
Aus: ST-Computer 10 / 2002, Seite 46

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