Luna 2.09 Beta

Duch den Neuaufbruch will qed seinem Berliner Kollegen Luna wieder den alleinigen Platz im Editor-Himmel streitig machen. Zeit also für Richard Gordon Faika nachzulegen.

Luna ist der derzeit unangefochten beste Texteditor auf dem Atari. Das Programm weiß seit seiner ersten Version vor ca. 2.5 Jahren immer wieder durch innovative Ideen und professionelle Funktionen zu überzeugen. Mittlerweile ist es etwas länger her, dass RGF Software ein offizielles Release vorgelegt hat. Die Berliner Entwicklungsschmiede um den "Wunderprogrammierer" Richard Gordon Faika hangelt sich derzeit von Beta zu Beta. Neuer Höhepunkt ist die nun präsentierte Zwischenetappe 2.09, die voll einsetzbar ist und nicht durch unerwartete Abstürze etc. dumm auffällt - andere Unternehmen hätten diese Version sicher als Vollversion präsentiert. Und wieder einmal glänzt Luna durch einige wichtige Neuerungen, die seinen Vorsprung weiter ausbauen und Editoren wie den ehemaligen Primus qed einiges zum Aufholen geben.

Zunächst einmal jedoch die für viele Anwender sicherlich wichtigste Nachricht: Luna ist ab der Betaversion 2.09 offiziell zur Freeware erklärt worden. Auf Nachfrage gab RGF Software aber bekannt, dass man daher nicht etwa plant, das Projekt einzustellen oder keinen Support mehr zu leisten. Es ist vielmehr so, dass man den Anwendern einen zweiten Freeware-Editor neben qed zur freien Auswahl stellen möchte. Außerdem sei eine gewisse Obergrenze bei der Anzahl der im Atari-Markt derzeit möglichen Registrierungen erreicht, so-dass eine Weiterentwicklung nun eher durch eine massive Verbreitung der Software gewährleistet würde.

Wie auch immer, dem Anwender soll es recht sein, immerhin bekommt er hier eines der modernsten Atari-Programme überhaupt nun kostenlos angeboten und hat mit qed und einigen anderen Editoren auch noch starke Alternativen. Zumindest im Segment der Texteditoren kann der Atari-Anwender also aus den Vollen schöpfen.

Geschwindigkeit. Luna war schon immer für seine hervorragende Programmierung bekannt, die sich in erster Linie in der hohen Arbeitsgeschwindigkeit auch auf Classic Ataris ausdrückte. RGF machte somit nachhaltig deutlich, dass moderne Entwicklung in einem BASIC-dialekt (Luna wurde fast komplett in GFA-Basic entwickelt) durchaus möglich ist. In der aktuellen Version 2.09 wurde der Programmcode nochmals optimiert und abgespeckt. Rein subjektiv wird dies schon beim Aufklappen der Menüs merkbar, die nun noch flinker reagieren. Auch das Scrollen großen Text- und Code-Dateien ist besonders auf schnellen Maschinen und modernen Emulationen noch schneller geworden. Möglich wird dies dadurch, dass Luna den aktuellen Text genauso darstellt wie er ihn im Speicher hält. Andere Editoren müssen einen Text vor der Darstellung erst formatieren, was wertvolle Rechenzeit kostet. Luna arbeitet also sozusagen in Echtzeit.

Projektmanagement

Die vielleicht wichtigste Neuerung wird besonders Programmierer in Entzücken versetzen, denn sie macht Luna zum Editor erster Wahl bei Entwicklungsprojekten. Das Projektmanagement wurde komplett umgearbeitet. Luna kann nun Assembler, Compiler, Linker, Objektdateien und Module verwalten. Das Management wird in übersichtliche und aufeinanderfolgenden Dialogen erledigt. Zusätzliche Parameter können fest definiert werden. Die Übergabe von Parametern durch eine entsprechende Datei wird noch implementiert. Ebenfalls mit einigen Mausklicks können zusätzliche Objektdateien bzw. Module ausgewählt werden. Ein fertiges Projekt wird abgespeichert und kann editiert und nachgeladen werden.

Nun kann ein Projekt assembliert bzw. kompiliert werden. Meldet eines der angemeldeten Module nun einen Fehler, so wird diese Meldung abgefangen und in einem "Logwindow" innerhalb von Luna dargestellt. Damit aber nicht genug: Handelt es sich bei dem angemeldeten Assembler, Compiler bzw. Linker um ein Programm, dessen Fehlerausgaben zum Pure-Assembler, -Linker oder -Compiler kompatibel ist, dann kann der Entwickler mit einem Doppelklick auf die Fehlermeldung automatisch zu der entsprechenden Zeile im Quelltext springen. Ist die zugrundeliegende Datei noch nicht geöffnet, wird sie vorher von Luna geladen.

Da noch keine ausreichende Dokumentation zur aktuellen Version von Luna vorliegt, erklärt RGF Software das Anmelden eines Projekts in einer Hilfstext-Datei.

Nichts ist perfekt, und so muss auch das Dateimanagement noch Einschränkungen machen. Aufgrund der noch fehlenden Möglichkeit, Parameter über eine Kommandodatei an die angemeldeten Module zu übergeben, ist die Funktion auf kleinere Projekte beschränkt. Maximal können 124 Zeichen übergeben werden. Eine Lösung ist bereits in Arbeit, sodass zukünftige Versionen von Luna auch für größere Entwicklungsprojekte eingesetzt werden können. ;

Übersetzungen

Eine weitere Funktion erweitert das Einsatzgebiet von Luna als ASCII-Editor ganz ungemein und lässt das Programm weit in den Bereich der Übersetzungssoftware vordringen. Zwar können keine gesamten Texte, wohl aber einzelne Wörter in die verschiedensten Sprachen übersetzt werden. Möglich wird dies durch die optimierte Zusammenarbeit von Luna mit dem Übersetzungsprogramm ArthurXP, das ebenfalls aus dem Hause RGF Software stammt und bereits in mehreren Betaversionen präsentiert wurde.

Stellen Sie sich vor, Sie schreiben einen Liebesbrief an Ihre amerikanische Freundin. Ein bestimmtes Wort will Ihnen partout nicht einfallen und das Wörterbuch ist mal wieder nicht an seinem Platz im Regal. Luna kann Ihnen nun direkt behilflich sein, wenn Sie gleichzeitig ArthurXP installiert haben. Tippen Sie das Wort einfach in Deutsch ein und lassen Sie den Cursor nach dem letzten Buchstaben des deutschen Wortes stehen. Durch einen Rechtsklick rufen Sie nun das bekannte Luna-Kontextme-nü auf, das Ihnen die Option "Übersetzen von ..." anbietet. Das vor dem Cursor stehende Wort wird hier bereits eingefügt. Wählen Sie diese Funktion nun aus, so ruft Luna das Übersetzungsprogramm Arthur auf, das Ihnen Übersetzungen nach den installierten Sprachbibliotheken anbietet. Haben Sie sich nun für eine Sprache entschieden, macht das Programm zumeist verschiedene Vorschläge für eine Übersetzung. Die gewünschte kann nun automatisch das deutsche Wort im Brief ersetzen. Bedenkt man, dass Arthur schon jetzt Dutzende von Sprachbibliotheken unterstützt, kann man erahnen, welche mächtigen Möglichkeiten sich hier ergeben.

Die einzige Einschränkung ist bisher, dass Arthur als Accessory installiert sein muss. In den kommenden Versionen soll das Programm jedoch auch als Applikation nachstartbar sein.

Ansonsten

Auch sonst merkt der Anwender, dass RGF Software seinen Texteditor nochmals konsequent durchforstet hat, um sinnvolle Optimierungen vorzunehmen. So wirken die Einstellungsdialoge nun noch aufgeräumter und folgen aufeinander, anstatt zwei getrennte Menüeinträge zu belegen. Die Syntaxfärbung wurde ebenfalls optimiert und wirkt (noch?) vielseitiger als die von qed - hier macht sich die Erfahrung in diesem Segment spürbar deutlich.

Und wieder einmal nimmt das Design des Mac OS Einfluss auf das des Atari: Ähnlich wie bei Arthur bietet nun auch Luna die Möglichkeit, Menüs und Dialogfenster im OS X-Look darzustellen. Kombiniert mit dem richtigen Fensterrahmen kann der nach Neuem lechzende Atari-Anwender seinem System den X-Look verpassen. Na ja, wer's mag... Glücklicherweise kann für alle Anwender, die bunte Bullerfenster im Ampel-Look nicht so mögen, der originale Atari-Look jederzeit beibehalten werden. Puuuh...

Zukunft

Wie bereits erwähnt, will RGF Software seinen Editor Luna trotz der "Degradierung" zur Freeware keinesfalls in der Entwicklung einstellen. Um dies zu untermauern, deutete man mit zum Teil noch funktionslosen Menüeinträgen neu-e Features bereits an. Einschneidenste Neuerung wird sicherlich die Dynatex-Technologie werden, die einiges an Umbauten innerhalb des Codes von Luna erfordern wird. Dynatex beschreibt dabei eine dynamische Textdarstellung und -Verwaltung. So wird z.B. in Zukunft die Textformatierung an der Größe des Arbeitsfensters orientierbar sein. Verändert man die Fenstergröße des Editors, wird auch der Text neu umgebrochen. Dies ist z.B. von Webbrowsern bekannt.

Natürlich lässt sich eine von der Fenstergröße abhängige Formatierung auch durch einfachere Programmier-Tricks erreichen, das Ergebnis ginge allerdings auf Kosten der Arbeitsgeschwindigkeit - und genau hier will man aber bei Luna keine Kompromisse machen. Ein negatives Beispiel ist in dieser Hinsicht z.B. der Editor des ASH EMailer. Verändert der Anwender hier auf langsamen Maschinen die Fenstergröße, so braucht des Programm einige Zeit, um den bereits eingegebenen Text intern neu zu formatieren und auszugeben. Durch die Dynatex-Technologie sollen nun Textformatierung, -Umbruch und dynamische -darstellung vereint werden.

Darüber hinaus soll reger Gebrauch von der Systemerweiterung KEYTAB gemacht werden. In Zukunft wird es unter Luna also kein Problem mehr sein, einen Text z.B. komplett in Mac-ANSI zu verfassen, während die Darstellung im Arbeitsfenster komplett im Atari-zeichensatz geschieht. Schon jetzt ist die Liste der unterstützten Textcodes in KEYTAB vorbildlich und enthält ebenso Standards wie Windows und UNIX wie auch Exoten wie Next. Ein zeitraubendes Konvertieren eines kompletten Textes entfällt dann also, trotzdem wird der Text auf dem jeweils gewünschten System richtig angezeigt. Wir dürfen also gespannt sein.

Fazit

RGF Software bringt seinen Editor Luna weiter nach vorn und macht wieder einmal Lust auf mehr. Der neue Projektmanager wird Programmierer reizen, mit den Übersetzungsmöglichkeiten werden Büroanwender angesprochen und außerdem der Verkauf von ArthurXP angekurbelt - und Verkäufe tun dem Atari-Markt immer gut. Wird auch noch die Dynatex-Technologie implementiert, dann bleiben eigentlich kaum noch Wünsche an einen modernen Editor offen und der Atari setzt sich zumindest in diesem Bereich auch plattformübergreifend ganz an die Spitze der erhältlichen Lösungen. Uns fällt jedenfalls kaum noch etwas ein, was noch an Luna zu ergänzen wäre - aber RGF Software belehrt uns hier regelmäßig eines Besseren. Und wer wird in dieser Hinsicht nicht gern belehrt?


Thomas Raukamp
Aus: ST-Computer 06 / 2002, Seite 14

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