Was in den düsteren Archiven mancher Programmierer schlummert, läßt sich nur erahnen. Mia Jaap kramte in ihrem eigenen Archiv herum und fand dort die sprichwörtliche eierlegende Wollmilchsau.
Wer sich jetzt düster an einen gleichnamigen Texteditor erinnert, liegt falsch, denn das Mini-Text, das hier beschrieben wird, ist zwar auch ein Texteditor, aber eben nicht ausschließlich.
Bei Mini-Text handelt es sich um eine in Omikron-Basic und später GFA-Basic programmierte Programmsammlung. Da das Programm sehr unsauber programmiert wurde, läuft es nur in ST-Mittel/Hoch fehlerfrei.
Mini-Text ist in vier Programmteile aufgeteilt: Texteditor, Anwendungen, kleine Anwendungen (Minis) und Spaßprogrammen.
Bei dem eingebautem Texteditor handelt es sich um einen einfachen VT52-Bildschirmeditor. Der Editor benutzt deshalb keine Fenster und sichert vor dem Betreten des Editors (unsauber) den Bildschirm. Der Cursor kann zeichen- oder seitenweise bewegt werden. Mit der Undo-Taste kann der Editor verlassen werden. Die Help-Taste ruft die Online-Hilfe auf, die vom Sensenmann präsentiert wird. Für die Anzeige des Textes wird nicht der komplette Bildschirm ausgenutzt, sondern die vom Anwender angegebene Länge. Die Tabulatorenleiste läßt sich frei belegen
Für Statistiker gibt es eine Text-Analyse. Diese zeigt detailliert, wie oft die einzelnen Buchstaben im Text zu finden sind.
Eine kleine Besonderheit des Editors sind Floskeln. Dieses werden in einer separaten Datei gespeichert und erzeugen aus Kürzeln wie z.B. "MfG" "Mit freundlichen Grüßen".
Zu guter Letzt gibt es natürlich eine Ersetzen-Funktion, die einen beliebigen Text durch einen anderen Text ersetzt. Groß-/Kleinschrift kann auf Wunsch unterschieden werden.
Ansonsten kann der Texteditor nicht besonders viel. Die Scrollgeschwindigkeit ist trotz Verwendung von Escape-Sequenzen erheblich langsamer als die von Luna. Der Editor basiert auf einem VT52-Editor, der in der ST-Computer veröffentlicht wurde.
Das erste Programm in der Rubrik "Anwendungen" ist Zaphod, ein einfaches Vokabellernprogramm. Zaphod nimmt eine Datei im VOX-Format entgegen und fragt diese dann ab. Das etwas altertümliche pädagogische Konzept lautet "oft abfragen". Nach dem laden der Datei wird die Anzahl der Vokabeln angegeben, die abgefragt werden soll. Die Vokabeln werden fortan zufällig ausgewählt, am Ende gibt es eine kleine Statistik.
Ein Übersetzungsprogramm mit sehr eingeschränktem Nutzwert ist Mini-Word. Das Programm verfügt über 300 fest eingebaute Wörter, was natürlich bedeutet, dass das Programm die meisten Begriffe nicht übersetzen kann. Wurden für einen Begriff mehrere Übersetzungen gefunden, lassen sich diese mit einem "Weiter"-Button durchblättern.
In erweiterter Form ist Mini-Word in der Programmsammlung "Pengo's Treasures" [1] zu finden. Die rein text-basierte Vorversion findet sich in "GFASOURCES.ZIP" [2].
Auch eine Adreßverwaltung gibt es in diesem Programm, allerdings läuft diese völlig unabhängig vom Texteditor. In den Feldern können nur die üblichen Adreßdaten (Name, Vorname, Straße, Wohnort) eingetragen und auf dem Datenträger verewigt werden.
Auch zu diesem Programm gibt es in "GFASOURCES" einen Vorgänger, der sich verwegen "Adress Master" nennt.
Kein Actionspiel, sondern ein Benchmarkprogramm steckt hinter "Fastscore". Die durchgeführten Tests sind sehr einfach und bestehen aus mathematischen Berechnungen (Sinus/Cosinus) und verschachtelten Schleifen. Da jedoch schon ein Falcon bei den meisten Tests Werte von unter einer Sekunde erreicht, dürften schnellere Maschinen bei allen Tests eine "0" anzeigen.
Wer sich für den - wenig aufregenden - Quelltext interessiert, findet ihn in "GFASOURCES".
Die Bedienung per Maus ist zwar eine feine Sache, aber ein Kommandozeileninterpreter hat seine Vorteile. MS-DOSE ist ein solcher CLI und schmiert nach dem Aufruf ein "A:" auf den Bildschirm. Mit dem Befehl "Help" wird eine Befehlsübersicht angezeigt.
CD wechselt das Laufwerk, während DIR und FILES das Inhaltsverzeichnis zeigen. Weitere Befehle erzeugen große Überschriften für Mini-Text oder konvertieren einen Text in das Mini-Book-Format. Letzteres ist ein einfaches Hypertext-System, das sich an dem ersten elektronischen Buch, dem "Sony DataDiscMan" orientiert.
Der CLI kennt das Pseudo-Laufwerk "Z", in dem alle kleinen Programme untergebracht sind, die es nicht in die Menüleiste geschafft haben. Darunter sind z.B. ein Cheat-Programm für Sim City, ein DMA-Sound-Demo (beide auch in "Pengo's Treasures"), ein Programm zum Bestimmen des größten gemeinsamen Teilers und einiges mehr. Spieler finden hier auch das unübertroffene "Mini-Quiz PC", das während einer Informatik-Stunde entstanden ist und sich mit seinen zwanzig Fragen ziemlich häufig wiederholt.
Eines der ausgereiftesten Programme ist die Gleichungsberechnung nach der sogenannten p-q-Formel. Es müssen nur die Werte für p und q eingegeben werden und das Programm rechnet das Ergebnis sowie die Probe aus. Das Ergebnis läßt sich auch ausdrucken.
Das Programm existiert in einer modernen Version als Einzelprogramm. Übrigens wurde das Programm 1996 im Beisein einer Mathe-Lehrerin verbessert.
Jeder kennt die Situation am Bahnhof, wenn der freundliche Punker nach einer Primzahl fragt. Das eins, zwei, drei und fünf Prinmzahlen sind, weiß jeder. Das Primzahlen-Programm rechnet in einem vorgegebenen Bereich alle Primzahlen aus. Die Primzahlen können entweder auf den Bildschirm, Drucker, in eine Datei, den Editor oder gar nicht ausgegeben werden. Letzterer Punkt ist nur für einen Benchmark-Test von Interesse.
Auch zu diesem Programm gibt es eine nette Anekdote. Ein befreundeter ST-Besitzer meinte, das es nicht möglich sei, Primzahlen auszurechnen. Das Programm bewies das Gegenteil und da sein Vater sich mit der Mathematik beschäftigte und ein paar Primzahlen gebrauchen konnte, wurde als Ausgabemedium Drucker gewählt und ein sehr großer Zahlenraum gewählt. Zwanzig Seiten lang wurde der Nadeldrucker gequält, bis alle Primzahlen gefunden waren.
Dieses kleine Programm simuliert die Ziehung "6 aus 49" und eignet sich für den zögernden Lotto-Spieler. Während die Lotto-Zahlen noch Sinn machen, ist die Ermittlung der Zahlen für Spiel 77 und Super 6 reine Spielerei.
"Toto" basiert auf einem C64-Programm. Ziel ist es, das Ergebnis einer Fußball-Begegnung auszurechnen. Dabei sind folgende Parameter anzugeben: Verletztenzahl, Tabellenplatz und Ausgang der letzten Begegnung. Der Heimvorteil findet auch Berücksichtigung und so liegt das Programm oft erstaunlich nahe am echten Resultat.
In einer modernen Fassung ist der Toto-Tip in "Pengo's Treasures" zu finden.
Der Handel mit Aktien und Währungen kann im Börsenspiel trainiert werden. Wie im echten Leben ist auch hier die Börse unberechenbar. Nach den aktuellen Nachrichten kann munter ein- und verkauft werden. Der Wert jedes Postens wird durch einen anderen Zufallsgenerator ermittelt und birgt unterschiedliche Gewinnchancen. Die Börse erleidet jedoch relativ häufig einen Crash und die Börsenmakler werden selbst durch schlechte Fußballergebnisse nervös.
Lange vor "You Don't Know Jack" war Mini-Quiz ein Vertreter der sinnlosen Fragen. Da wird z.B. gefragt, wo der Weihnachtsmann lebt und nach einem Transistor, der im Inneren des ZX81 steckt. Wird eine Frage falsch beantwortet, bekommt man eine der mehr als 30 Demütigungen zu Gesicht, darunter auch ein virtueller Gerichtsprozeß.
Der Nachfolger verzichtet auf die Demütigungen und läßt es statt dessen zu, eigene Fragen zu laden.
Fortune ist Hangman mit wählbaren Wissensgebieten. Kurioserweise kann Fortune aus einem größeren Sprachschatz schöpfen als Mini-Word.
Emulationstechnisch liegt der "Y-Former" vorne, der acht Computersysteme emuliert - allerdings nur ihre Einschaltmeldungen.
Als letztes gibt es unter dem Menüpunkt "Nicht anwählen!" den 1st Computer Demulator zu bewundern. Dieses völlig harmlose Programm simuliert eine Computerdemulierung.
Mini-Text wurde von 1990 bis 1996 mehr oder weniger motiviert geschrieben. Trotz diverser GEM-Unsauberheiten konnte es immerhin per Tastatur bedient werden und verfügte über moderne Bedienelemente - die man bei Programmen à la Eureka immer noch vergeblich sucht.
Kurz nach der letzten Version begann dann die Arbeit an zwei Programmen, die immer noch weiterentwickelt werden: HomePage Penguin und HTML-Help.
[1] mypenguin.de/prg/
[2] mypenguin.de/prg/sourcecodes.php