Amerikanische Slangsprache für ein französisches Programm und dazu dürfte der erste Teil bei vielen die Assoziation AVR = Soundformat wecken.
Es gibt neues aus Frankreich und diesmal wird eine echte Marktlücke auf dem ST geschlossen. Zwar ist die eingangs erwähnte Assoziation AVR = Soundformat nicht falsch, aber das Programm hat rein gar nichts mit Audio-Dateien zu tun. Atari-Anwender, die sich mit Elektronik beschäftigen, haben es eher schwer, geeignete Software zu finden. In den PD-Listen tummeln sich nur vereinzelt diverse Programme, die zwar teilweise auch heute noch etwas taugen, aber von der Benutzerführung stark veraltet sind. Wer gar einen modernen Atari-Clone besitzt, der z.B. keine ST-Auflösungen mehr darstellen kann, steht noch schlechter da. Es fehlen moderne GEM-Nachfolger für viele dieser alten Programme.
AVR Rulez programmiert die ATMEL-Microcontroller der AVR-Serie und unterstützt die Controller AT90S1200, AT90S2313, AT90S4414 und AT90S8515. Für die Zukunft ist die Unterstützung weiterer Microcontroller über eine Library-Auswahl geplant. Microcontroller selber sind kleine Computer, die heutzutage in fast jedem Gerät stecken, das Strom frisst. Da diese Geräte so beschränkt sind, das nicht einfach eine Tastatur samt Festplatte und Entwicklungsumgebung benutzt werden kann, muß von einem Computer aus der Microcontroller auf seine Arbeit vorbereitet werden.
Über den Parallelport des ST/TT/Falcon wird der Microcontroller mit dem Computer verbunden. Der SPI-Port, über den diese programmiert werden, wird dabei emuliert. Leider funktioniert AVR Rulez noch nicht mit Hades, Milan und Emulatoren. Der Autor empfiehlt ein gepuffertes Kabel, um den Parallelport zu schützen. Die notwendige Verdrahtung wird im ST-Guide-Hypertext erläutert.
Wenn das Gerät verbunden wurde, kann AVR Rulez gestartet werden. Der erste Klick gilt dem „Identify“-Button, mit dem der Typ des Microcontrollers ermittelt wird. Dann stehen die weiteren Programmfunktionen zur Auswahl. Über „Identify“ kann auch ermittelt werden, ob der Microcontroller gesperrt ist und das Kabel funktioniert.
AVR Rulez unterstützt nicht die Programmierung in C und Assembler und kann auch keinen Microcontroller simulieren. Es ist also in der derzeitigen Form eher eine Erleichterung beim „abrichten“ des Controllers, als eine komplette Entwicklungsumgebung.
Der erste Schritt, um den Microcontroller zu programmieren, liegt im Löschen des Controller-Speichers. „Erase“ löscht den kompletten Speicher und setzt den Speicher auf „beschreibbar“. Ist unklar, ob der Speicher auch wirklich korrekt gelöscht wurde, bietet das Programm mit „Blank?“ eine entsprechende Kontrolle an.
Mit „Load“ kann eine Datei in den Puffer von AVR Rulez geladen werden. Die Größe des Puffers wird automatisch gesetzt, die möglichen Dateiformate sind Binär und Intel Hex, beide als Big Endian. Letzteres ist das Speicherformat der Intel x86-Prozessoren und wird auch von den ATMEL Entwicklungstools benutzt.
„Program“ kopiert den Inhalt des Puffers in den Speicher des Controllers.
„Save“ speichert den Inhalt des Puffers in einer Datei, das Dateiformat ist dann immer Bug-Endian Binary. Um aus dem Controller-Speicher den Inhalt auszulesen, dient „Read“. Die Größe des Puffers wird dabei der Größe des Controller-Speichers angepasst. Eine „Verify“-Funktion kann Puffer und Controller-Speicher vergleichen.
Ein Microcontroller kann verschiedene Arten von Speicher beinhalten. In den AVRs ist ein FLASH-Speicher für das Programm und ein EEPROM für Daten eingebaut. Mit „Memory choice“ kann bestimmt werden, auf welchen Speichertyp sich die Funktionen von AVR Rulez beziehen sollen.
Zu guter Letzt kann der Microcontroller auf zwei Arten geschützt werden. „Write“ verhindert das weitere Programmieren des Geräts und schützt damit den Speicherinhalt vor Überschreiben. „Read“ verbietet das auslesen des Gerätespeichers und verhindert somit, das jemand den Speicherinhalt anzeigen und analysieren kann. Der einzige Weg, diese Sperren aufzuheben, besteht im „Erase“-Befehl.
Das Programm präsentiert sich GEM-konform in einem Fenster. Auf den zweiten Blick gibt es jedoch bei AVR Rulez einige unschöne Details. Das Programm zeichnet innerhalb des Fensters einen zweiten, dicken Rahmen, mit dem das Fenster verschoben werden kann. Unter MagiC wäre dies jedoch unnötig und auch sonst sollte das GEM nicht auf diese Weise „erweitert“ werden. Die Listboxen sehen ebenfalls eher ungewohnt aus. Auch für BubbleGEM hat der AVR Rulez-Programmierer (bzw. der Programmierer der verwendeten GEM-Library) eine eigene Lösung interpretiert - warum auch einen einfachen, leistungsfähigeren Standard unterstützen, wenn man eine Speziallösung programmieren kann... Aber auch positives gibt es zu bemerken, denn die Farbicons sind sowohl informativ als auch gut animiert. Damit erklärt sich das Programm fast von selbst.
Der Autor hat verschiedene Erweiterungen geplant. So möchte er den STE Joystick Port unterstützen, damit der Drucker am Parallelport bleiben kann. Der Parallelport des Hades, Milan und weiterer Systeme soll unterstützt werden. Ebenso wird ein Blick auf den Microchip PIC ISP geworfen und eventuell sogar ein AVR und PIC Assembler eingebaut. Die fehlende Unterstützung von Atari-Clones liegt in erster Linie daran, das dem AVR Rulez-Autor entsprechende technische Informationen fehlen. Hier wäre er für Infos dankbar. Der Autor sucht weiterhin Übersetzer für Deutsch, Spanisch und Italienisch. Derzeit ist sowohl das Programm, als auch der Hypertext in leicht verständlichem Englisch.
Für alle Microcontroller-Programmierer ein empfehlenswertes Programm und eine Neuerscheinung in einem so speziellen Softwarebereich zeigt, das Atari-Programmierer immer wieder für Überraschungen gut sind. Das es sich beim Programmierer um einen Hypertext-Witzbold handelt, zeigt sein Vorsatz für die Zukunft den Rasen zu mähen und Waschpulver einzukaufen. Als Registrierungsgebühr verlangt der Autor einen Lamborghini Diablo (rot oder gelb) oder einen Porsche 911.
URL: http://ginesj.free.fr/avrrulez