Als Gastautor dürfen wir für die nächsten beiden Ausgaben „ST Survivor" begrüßen, der uns einen kleinen Einblick in die französische Scene verschaffen wird.
Text: Sebastien Larnac aka „ST Survivor"
Übersetzung Jan Daldrup
Hallo, liebe Leser! Bevor wir unsere Reise in die Tiefen der französischen Scene beginnen, mochte ich mich kurz vorstellen. Mein Nickname ist „ST Survivor", und ich bin momentan Co-Chefredakteur des Atari Diskmags „aLiVe!". Meine Geschichte beginnt vor etwa 10 Jahren, als ich zu Weihnachten einen Atari STE geschenkt bekam. Was zu dieser Zeit in Frankreich passierte erfahrt Ihr jetzt...
Eines muss ich vorher allerdings noch anmerken: Ich möchte nicht die Geburtsstunde der Scene und die ersten bahnbrechenden Produktionen ignorieren, jedoch bin ich erst 1994 in die Scene eingestiegen, und ich schreibe lieber über etwas, was ich kenne und miterlebt habe, anstatt Daten einer Ara zusammenzutragen, mit der ich nie wirklich vertraut war.
Überspringen wir also ein paar Jahre und beginnen direkt im Jahr 1994 als ich NLC beitrat, damals die Macher des STE Tekno Drugs Democlips und auch verantwortlich für das französische Diskmag „ToXic Mag". Die erste Coding Party, die ich besuchte, war die „Place To Be Again" in Mont de Marsan im Süden Frank reichs rund 900 km von zuhause entfernt In vielerlei Hinsicht fiel auf dieser Party der letzte Vorhang für die Scene, wie wir sie bis dahin kannten.
In den frühen 90ern stand der ST noch hoch im Kurs, vor allem was Demos betraf Genau wie andere Länder hatte auch Frankreich seine großen Namen. Oxygene, Diamond Design, Overlanders, Holocaust, Dune, Hemoroids, Equinox, ACCS, Legacy, ST Connexion, MJJ Prod Sector One - um nur die bekanntesten zu nennen Diese Crews waren nicht nur technisch eindrucksvoll, sondern gaben Ihren Demos den noch heute sogenannten „French Touch" hübsche Bil der, farbenfrohe Effekte und nicht zu vergessen saubere Übergänge zwischen den Screens. All diese Crews waren recht groß, einige von ihnen hatten mehr als 10 Mitglieder, deren Namen allesamt in den Credits zu lesen waren Was bedeutete, dass sie während der Demo-Produktion alle ihre Finger mit im Spiel hatten!
Demos aus dieser Zeit waren wirklich herausragend und ich schlage jedem Newcomer vor, dass Sie sie sich zu Gemute zu fuhren! Hier kommen meine Top 3:
1: Froggies Over The Fence (3DDs) - Overlanders, Legacy und ST Connexion
Das letzte und - beeindruckendste (?) Lebenszeichen einiger berühmter französischer Crews Diese Big Demo besteht u.a. aus einem sehr langen Multipart mit vielen Effekten, wie Distorting Scrollers, Starfields, Tunnel und Drahtgitter Modellen, allesamt sehr stimmig zusammengesetzt Auf der ersten Disk findet sich auch noch ein Tetris Spiel, das vor allem eine großartige Sammlung von Chiptunes darstellt, die von Jess komponiert wurden (neben Scavenger einer meiner liebsten „Old-Time" Musiker) Alle seine Chiptunes findet man hier, inklusive dem beeindruckenden „16 Minute Long Theme" Die zweite Disk ist eine hübsche Slideshow mit gerenderten Bildern, die in 4096 Farben dargestellt werden und einem 15 Khz-Soundtrack im Hintergrund - alles auf einem einfachen STF. Respekt! Die dritte Disk bietet weitere Goodies darunter ein kurzer Multipart und eine beein druckende Sequenz, die an das Intro von Another World erinnert, allerdings mit mehr Farben, Sounds und Animationen! Erstklassig.
2: Flip'O - Oxygene und Diamond Design
Natürlich kann hier nicht unerwähnt bleiben, was für viele als die Demo schlechthin gilt. 1993 wurde Flip'O veröffentlicht, und es stellte eine unglaublich gut designte und programmierte Produktion dar Es ist sehr schnell, zeigt Dots (was sonst’), die Balle, Wellen und Tunnel bilden, aber auch Rotozoomer (ein Bild zoomt rein sowie raus und dreht sich gleichzeitig), einen Würfel mit einem Motiv auf jeder Seite und so weiter Design und Grafik blieben die Referenz über Jahre Flip'O konnte mit Werken der besten französischen Künstler wie Niko, Mon und Spiral aufwarten Ein absolutes Muss, trotz seines Alters.
3: Japtro (4DDs!) und Blood (2DDs) HOLOCAUST
Diese Crew hatte eine Reputation als Hardcoder Ihre beiden letzten Demos beweisen dies eindrucksvoll mit riesigen 3D-Objekten, Tonnen von Dotballs, von TrueColor konvertierte Bilder usw. Die meisten dieser Screens werden Fullscreen (no borders!) präsentiert. Sie nannten ihre Routinen „Brutal Code", und für eine nur zwei Mann starke Crew war die Leistung wirklich unglaublich.
Last but not least zu dieser Zeit waren Mangas groß im Trend, und gerade Holocaust schien sie zu heben Das JAPTRO enthielt immerhin rund 2Mb gepackter JPG-Scans aus verschiedenen Mangas.
BONUS: Virtual Escape Equinox
Eine weitere exzellente französische Demo, die in diesen Jahren gecodet wurde, jedoch letztendlich erst im Jahr 2000 seinen Weg an die Öffentlichkeit fand. Die Rede ist natürlich von Virtual Escape Ein wirklich gutes Demo mit schnellen 3D-Routinen, vielen Objekten auf dem Bildschirm, originellen Ideen, schöner Musik und einem kolossalen Design Ergo Ein Must Have!
Natürlich gab es auch andere Crews die, obwohl sie nicht schlecht waren, nicht die ganz große internationale Anerkennung erreichten Lasst mich ein bisschen in meinem Schuhkarton kramen, in dem ich all meine ST-Demos aufbewahre, dann gebe ich Euch ein paar weitere Namen
Um es zusammenzufassen, zwischen 1990 und 1994 gab es eine Menge Frenchies (ich habe immerhin 20 Crews gezahlt!), die in der Atari ST-Scene aktiv waren Einige von Ihnen sind inzwischen Legenden geworden, andere zumindest noch in guter Erinnerung Natürlich gab es weitere obskure Crews, die sich um Utilities, Diskmags oder Vereine kümmerten Also kommen nochmal rund 10 Crews zusätzlich auf die Liste Leider brachte uns 1994 einen großen Wandel - und nicht die Art von Wandel, auf die man sich freut Also was ist mit diesen vielen Leuten passiert?
Das Erscheinen des Atari Falcon im Jahre 1993 traf auch die Scene, wenn auch mit ein paar Monaten Verzögerung. Meiner Meinung nach brachte der Falcon jedoch zu viele Fragen, zu viel Verunsicherung mit sich, wodurch er möglicherweise die Scene geteilt hat. Viele talentierte und berühmte Crews hörten auf, am ST zu arbeiten, wandten sich jedoch stattdessen auch nicht dem Falcon zu. Vielleicht hatten sie das Gefühl, er wurde nicht an die ST-Ära herankommen. Vielleicht sind sie auch einfach nur alt geworden, dachten an einen Job und eine Familie, anstatt die Nächte mit Coding, Pixeln und Musizieren durchzumachen.
Also hieß es Abschied nehmen von Oxygene, OVR, Legacy, ST Connexion, Dune, Holocaust, ACCS, Equinox und vielen anderen Gruppen, die nie ein einziges Intro für den Falcon herausbrachten. Auch wenn die Scene reduziert und von gemischten Gefühlen durchgerüttelt war - für tot konnte man sie noch nicht erklären. Neue Crews tauchten auf: die meisten von ihnen wurden aus ihren "ST-Gräbern" reaktiviert (ändere ein paar Nicknames und Du hast eine neue Crew) und neu zusammengewürfelt. In meinen Augen erlangten diese Crews jedoch nie ein so großes Ansehen wie ihre ST Pendants. Doch der Begriff „French Touch" war wieder zu hören.
Yep, französische Crews mischten weiterhin mit, und einige Gruppen machten einen schüchternen Schritt nach vorne, so z.B. MJJ Prod, DNT oder Hydroxyd. Doch schon kurze Zeit später hörten einige dieser Gruppen auch schon wieder auf und überließen dem Rest die Verantwortung über die Falcon-Scene. Glücklicherweise waren wir bis hierhin noch keine Waisenkinder. Wir konnten immer noch auf EKO, EXA, Scarface, Toons, Abstract und andere setzen. Allerdings waren es nicht mehr so viele Crews wie in der emsigen ST-Scene.
Die erste Welle der Falcon-Demos brachte verbesserte Old School-Effekte, die klar von früheren ST-Bemühungen übernommen waren. Sicherlich sah dies gut aus, aber ich schätze, die Leute erwarteten etwas mehr. Dann bekamen wir eine Menge 3D Objekte zu sehen: sie waren gemapped, gemorphed, gouraud shaded, groß und setzten eine neue Mode auf dem Falcon, so wie es die Dots zuvor auf dem ST getan hatten. Dabei verband diese Demos ein gemeinsames Feature: das Gesamtbild. Anstatt uns mit dem üblichen Techno-Track zu überfluten, setzten die französischen Demos oft auf funkige oder fröhliche Musik, wodurch eine fröhliche Atmosphäre selbst die simpelsten französischen Produktionen auszeichnete.
Um ehrlich zu sein, haben mich nur wenige Demos aus dieser Zeit wirklich vom Hocker gerissen. Viele waren sehenswert, aber sie zeigten auch, dass der Falcon noch nicht völlig erschlossen war. Glücklicherweise wertete originelle Musik von Djamm und Maf und fantastische Grafiken, insbesondere von Niko, Flan Nitrik und ein paar anderen, die Demos erheblich auf.
Die französische Falcon Scene hielt sich nicht sehr lange und war eigentlich nur von 1994 bis 1997 aktiv. Yep, bereits 1997 hatte sich die gesamte französische Scene ins nichts verabschiedet. Zum Glück hatten die Froggies (der Nickname der französischen Scener nach der unvergesslichen Froggies Over The Fence-Demo) bereits einige coole und sehr gut gecodete und designte Demos released, so z B. die Demos von Eko, Xperience von Abstract, Demos von MJJ Prod, Hydroxid und Co. Und hier kommen jetzt meine persönlichen Top 3:
1: Entracte - EXA (96 kb Standard Falcon)
Ein absolutes Muss für jeden Falcon User! EXA hat es geschafft, eine unglaubliche Zahl von Dingen in ein kleines File zu stopfen (zur Erinnerung, es ist nur 96 kb groß). Die Musik von Djamm ist funky wie immer (und wer wurde es wagen, sich darüber zu beschweren?). Die coolen Grafiken, wenn auch spärlich gesäht, kommen von Flan, und dann noch die vielen Effekte: tonnenweise farbenfrohe und flüssige 3D-Objekte, die meisten mit Gouraud Shading und ineinander gemixt. Ein Genuss vom funkigen Start bis zum friedlichen Ende. Anschließend wird jeder nochmal ungläubig die Größe des Files checken. Yep, kein Zweifel, dies ist das bestaussehendste 96 kb, das ich jemals auf einem Falcon gesehen habe!
2: EKO System - EKO (Standard Falcon)
Obwohl EKO bereits ein paar gute Falcon-Demos released hatte, brachte sie EKO System schließlich an die vorderste Front der Falcon-Scene. Wie üblich - zumindest in französischen Demos - funky-fröhliche Musik von Djamm. Tolle Grafiken von Flan, der hier wohl die „niedlicher Teddybär" Mode einführte. Um genau zu sein, schienen die meisten französischen Demos dieser Zeit diesen Stil zu adaptierten. Aber wer würde sich da beschweren? Dieses Demo ist wirklich hervorragend gecodet. Die 3D Objekte sind sehr groß und smooth, und dazu bietet EKO System auch noch ein paar komplexe und flüssige 3D-Welten. Last but not least: der Greetings Part bietet eine Menge hochqualitativer 3D-Logos. Ein wirklich hübsches und fettes Demo, das man haben muss!
3: Gloop MISFITS und Yepyah TOONS (Standard)
Nicht verwirren lassen, es handelt sich um zwei verschiedene Demos, doch der Stil ist sehr ähnlich und die Gesamtatmosphäre geht in dieselbe Richtung (recht logisch wenn man weiß, dass beide Demos mit Musik von Maf unterlegt sind). Ein weiterer Beweis für den immer noch lebendigen „French Touch": hübsche und niedliche Bilder, farbenfrohe Effekte mit sauberen Übergängen (vor allem in Gloop), und alles sehr gut zusammengesetzt. Sie sind technisch nicht so überragend - oder zumindest für mich nicht -, aber die fröhliche Musik und die farbenfrohen Bilder machen wirklich Laune. Vielleicht nicht die besten Demos, aber definitiv absolute Eyecatcher - und glaubt mir, Ihr werdet die Tunes für Stunden und Stunden vor Euch her summen!
Wie ich jedoch bereits vorher erwähnt habe, verschwand die Falcon-Scene fast so schnell wie sie aufblühte. Sehr wenige Crews wagten es ein zweites Demo zu releasen, was traurig genug war. Doch zudem verschlechterte sich die Stimmung durch ein paar private Streitereien
Bis dahin - auch wenn nicht mehr so zahlreich - gab es immer noch Atari-Magazine, entweder als Print oder als Diskmagazine. Doch die Falcon Scene schaffte es nicht, den Atarianern genügend Motivation zu geben, und so wurden die Aktivitäten auf ST und Falcon weniger. Als Konsequenz daraus mussten selbst Diskmags wie das ToXic Mag lange Durststrecken uberstehen
Schon früher gab es Spannungen, es hieß EKO würde Abstract hassen (wobei es mehr nach einem privaten Scherz aussah) und Centeks Centurbo verärgerte „echte" Atananer. Doch zu dieser Zeit tauchte ein neues und ambitioniertes Atari Mag namens „STratos" (Papier und CD) auf, und sehr schnell sah es sich den Ansichten des ST-Mags gegenüber gestellt. Es ist unnötig, Zeit auf diese stupide Rivalitat zu verschwenden, die mit der Einstellung des ST Mags und kurze Zeit später der STratos endete. Beide Parteien schienen die Bedeutung des Wortes „Leidenschaft" vergessen zu haben - zu schade...
1998 kam, und die meisten französischen Scener waren schon lange inaktiv - egal ob ST oder Falcon. Offizielle Magazine sind eingestellt worden, wodurch die französische Scene nahezu auf ihr Nichts reduziert wurde, nur eine Anhäufung heißer Asche. Bedeutete dies das Ende der französischen Scene? Diese Frage werde ich im nächsten Teil beantworten, Bis dahin...
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