ST-Bizarr: Hypnotisch

Sie kennen Ihren ST als Arbeitsmaschine und Spielekiste, aber der Computer hat noch eine andere Seite…

Wenn ein Computer eine gewisse Popularität erreicht hat, kommen für ihn neben der 50. Textverarbeitung auch seltsame Anwendungen heraus, die einen ganz speziellen Kundenstamm ansprechen, der zu dem Zeitpunkt oft noch gar nicht existiert. Selbst wenn diese Anwendungen nicht zum Einsatz kommen, eignen sie sich gut für Systemvergleiche - oder kennen Sie ein anderes System, das Sie hypnotisieren kann?

Hypnose II ST

Das Programm Hypnose ist kein Scherzprogramm. Die 30 KB kleine Anwendung kommt mit zwei Texten, von denen "Lehrgang" unbedingt gelesen werden sollte, bevor man sich auf das Experiment einliest. Geschrieben wurde das Programm von dem aus "Presse, Funk und Fernsehen bekannten Hypnoseforscher" (Zit. Anleitung) Peter Thienel. Der Lehrgang dazu ist mit 23 KB relativ umfangreich und erhält am Ende ganz Uneigennützig Werbung für zwei "neue" Bücher von Thienel über Reisen in die Vergangenheit und Wiedergeburt. Ersteres hat bekanntlich dazu geführt, das hunderte von Menschen behaupten, sie wären die Reinkarnation von Alexander, dem Großen. Mein Name ist jedenfalls Dschingis Khan und zur Verhinderung der gleichnamigen Musiktruppe bin ich leider zu spät geboren...

Hypnotisch

Hypnose ist ein Bereich zwischen Wach und Schlaf. Vergleichbar mit der REM-Phase des Schlafes können im Hypnose-Zustand Geschehnisse des Tages verarbeitet werden. Da in diesem Zustand auch direkter Zugriff auf das Unterbewußtsein besteht, wird Hypnose verwendet, um schon vergangenes aus dem Gehirn zu holen. Natürlich läßt sich damit auch allerhand lustiges anstellen, denn schließlich kann man alle möglichen Befehle an das Unterbewußtsein schicken. In dem Zusammenhang kann ich schon einmal beruhigend feststellen, das Hypnose ST keine fiesen Befehle losschickt.

Das Programm soll eine tiefe Entspannung verursachen, aber die Anleitung gibt auch Tipps, wie Befehle an das Unterbewußtsein auszusehen haben.

Schlaf ein!

Um sich abzusichern, betont Thiele, das eine Hypnose durch ihn bedeutend wirkungsvoller sei. Nach dem Start läßt sich einstellen, ob die Hypnose stark oder schwach sein und ob das Programm ein beruhigendes Rauschen generieren soll. Bei starker Hypnose wird in bestimmten Zeitintervallen ein Lichtblitz erzeugt.

Wenn das Programm läuft, sieht man eine Reihe von Rechtecken, die durch Bewegung auf die Bildschirmmitte die Aufmerksamkeit auf die Anweisungen lenken ("Bitte Entspannen", "Ruhig atmen"). Die Lichtblitz-Hypnose wirkte zumindest auf mich ganz und gar nicht entspannend.

Aus dem Zustand der Hypnose kann man laut Thiele auf zwei Arten erlöst werden: durch Aufwachen (Hypnose geht in Schlaf über) oder durch Suggestionen. Diese gibt man sich vor dem Befehl "Augen zu" z.B. gegen Kopfschmerzen: "Mein Kopf wird jetzt sofort kühl, frei und klar". Beruhigend wirkt die Aussage, das man aus der Hypnose auf jeden Fall erwacht und nicht etwa noch ein Kommando braucht. Allerdings sollte man sich in einen Sessel setzen, damit man nicht hypnotisiert vom Bürostuhl kippt.

Warnungen

Immerhin wirkt die Anleitung schon relativ seriös. Der Autor ergießt sich nicht in den Möglichkeiten der Hypnose, sondern warnt auch. So warnt er davor, Suggestionen bei ernsthaften Erkrankungen zu machen. Etwas abgedreht wird er gegen Ende des Lehrgangs, denn das man dank Hypnose wirtschaftlichen Erfolg haben kann oder durch Augenkontakt Menschen seinen Willen aufzwingen kann, ist Wissenschaftlich nicht bewiesen.

Fazit

Thiele ist nicht dumm. Er war einer der ersten, die den Computer als Werbemedium erkannt haben. Hypnose ST serviert praktisch "Hypnose Light". Am Ende des Lehrgangs macht Thiele kräftig Werbung für sich und seine Publikationen. Das er von der Hypnose überzeugt ist, ist logisch, auf jeden Fall ist Hypnose ST eines der ungewöhnlichsten Atari-Programme. Lauffähig ist es in den drei ST-Auflösungen.


Mia Jaap
Aus: ST-Computer 11 / 2001, Seite 26

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